Die Schwetzinger Jazztage werden flügge. Erstmals sind sie Bestandteil des großen Festivals "Enjoy Jazz" und bekommen dadurch in einem noch größeren Raum Beachtung. Das dürfte sich auch auf den Ticketverkauf auswirken, so dass man nur dazu raten kann, für das Eröffnungskonzert am Freitag, 21. Oktober, um 20 Uhr im Rokokotheater bald Karten zu kaufen. Zumal mit Emil Mangelsdorff eine der Legenden des deutschen Jazz zu Gast sein wird. Er bringt sein Quartett mit, das top besetzt ist. Aart Gisolf freut sich sehr darüber, dass der Jazzinitiative Schwetzingen diese Verpflichtung gelungen ist. Er kennt Mangelsdorff gut, der übrigens zu Beginn der Jazztage schon einmal in Schwetzingen gastiert hat.
Als moderner Mainstream-Musiker im besten Sinne, zählt Emil Mangelsdorff zu den profiliertesten Solisten und Komponisten des deutschen Jazz. Sein jüngerer Bruder war der Jazz-Posaunist Albert Mangelsdorff, der 2005 verstorben ist. Ein wenig stand Emil Mangelsdorff immer in dessen Schatten - vielleicht sogar zu Unrecht. Heute genießt er die ganze Aufmerksamkeit der Szene. "Seine fein ziselierten Linien, getragen von einem großen, klaren Alto-Ton, erweisen ihn als souveränen Musiker, der die gesamte Tradition mit Blues-Gefühl zu einer musikalisch schlüssigen Synthese voller Wärme und Eleganz macht", heißt es auf seiner Homepage.
Ohne seinen eigenen Stil zu gefährden, verarbeite er Einflüsse von Johnny Hodges über Charlie Parker und Lee Konitz bis Anthony Braxton und als Konzeptionist von der Swing-Tradition bis hin zu Techniken des gemäßigten Free Jazz. "Im Zusammenspiel seines Quartetts", kommentierte Kritiker Bert Noglik einen Auftritt 1990 in Leipzig, "entstand eine enorme Leichtigkeit, fast so etwas wie Unbeschwertheit, ohne dabei auf die Tiefe des musikalischen Gefühls und Gedankens zu verzichten."
Die pure Lust an der Musik
"Ich habe immer die pure Lust und Freude an der Musik gespürt, seit meiner Jugend und seit ich vor dem Radio meiner Eltern saß und zum ersten Mal amerikanischen Jazz hörte. Da lief Louis Armstrong. Ich war elektrisiert, hatte einen Puls von 160 und wusste: Das ist es, das will ich auch machen", erzählt Mangelsdorff. Auf dem Akkordeon hat er dann mitten in der Nazizeit die "Neger-Musik", wie sie abwertend genannt wurde, nachgespielt und wurde zum heimlichen Star der Frankfurter "Hotclub Combo", bis die Gestapo ihn verhaftete und an die russische Front schickte.
Nach viereinhalb Jahren Kriegsgefangenschaft zurück in Frankfurt spielte sich Emil Mangelsdorff als moderner Altsaxofonist in die Spitzenriege des deutschen Jazz hinein. Als einer der Ersten pflegte er die Kunst des Duo-Spiels - zuerst mit Attila Zoller, später mit Bob Degen - und schuf bahnbrechende "Lyrik & Jazz"-Produktionen. Für seine Platte "Swinging Oildrops" erhielt er den Deutschen Schallplattenpreis, für seine musikalischen Verdienste und sein politisches Engagement wurde er mit dem Hessischen Jazzpreis, der Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen, der Goethe-Plakette und der Johanna-Kirchner-Medaille ausgezeichnet. Mangelsdorff begleitete häufig seinen alten Weggefährten, den Konzertveranstalter Fritz Rau auf dessen Lesereisen. Im Frankfurter Holzhausenschlösschen hat er seit einigen Jahren seine eigene Konzertreihe.
Nach Schwetzingen kommt Mangelsdorff mit Schlagzeuger Janusz Maria Stefanski, dem wohl besten deutschen Jazz-Pianisten Thilo Wagner und mit dem wunderbaren Bassisten Vitold Rek.
Tolle Bands in acht Lokalen
Tags drauf, am Samstag, 22. Oktober, swingt dann wieder ganz Schwetzingen beim Kneipenjazz im Takt. Bei freiem Eintritt wird von 21 Uhr bis Mitternacht in acht Gaststätten gespielt. Der Schwetzinger Knut Rössler kommt mit seiner Band in den "Grünen Hof" in der Zähringerstraße, "Die Notärzte" aus Speyer mit Udo Sailer am Piano und Sängerin Beate Jakumeit rocken wieder im "Walzwerk", "K. J. Dallaway & Friends" kommen ins "Quadrato", "Bluesgosch" bespielen erstmals "die Planke". Das "La Sala Quartett" kommt mit Percussion-Unterstützung ins Restaurant "Sahil" in der Friedrichstraße und Wolfgang Göns mit seiner Band "Double View" jazzen im "Aposto". Im "Grünen Baum" wird's sogar noch akademisch. Professor Hanns Rück, der Dekan der Fachhochschule Worms, sorgt dort mit seinem Quartett für gute Laune. Und Aart Gisolf wird das eine oder andere Mal bei ihm mit seinem Saxofon mit einsteigen. Wie immer geht es dort auch eine Stunde länger rund. Und der Eintritt bleibt auch 2016 wieder frei.
Bleibt noch der Hinweis auf das dritte Highlight der Jazztage: Am Sonntag, 23. Oktober, von 15 bis 18 Uhr steht die Hirschacker-Grundschule im Mittelpunkt des Geschehens. Für den guten Zweck, nämlich die dortige Musikausbildung, spielen das Posaunenquartett "Dreieinhalb Trombones" unter Leitung von Alois Willing, die Big Band des Gauß-Gymnasiums und Aart Gisolf mit seinen Freunden von der Jazzinitiative.
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