Schwetzingen. Ja, es ist Mittwoch. Bis zum Wochenende dauert es noch ein wenig. Doch es fühlte sich anders an. Morgens aufstehen, zur Arbeit gehe oder die Schulbank drücken, nichts scheint angesichts dieser dritten Ausgabe der Fête de la Musique weiter weg zu sein. 55 Gruppen, Solisten und Formationen verwandelten Schwetzingen in ein Eldorado für die Musik, die alles andere vergessen ließ.
Klar, so Ulrike Rein, müsse sie morgens aufstehen. Aber das sei ja erst morgen und dann sei die Fête de la Musique nur einmal im Jahr. „Da ist ein müder Donnerstag vertretbar.“ Darüber hinaus, fügte sie lächelnd hinzu, verfüge sie als Mutter von zwei kleinen Kindern in dieser Kategorie über einen relativ guten Trainingsstand. Das einzig wirklich Schwierige war die Entscheidung, wann und wohin es gehen soll in diesem „Traum aus einer Stadt voller Musik“.
Um 16 Uhr ging es im Marstallhof los mit einer kurzen Eröffnung durch Bürgermeister Matthias Steffan. Das einige schwierige an diesem Tag war für den Bürgermeister, dass die Gemeinderatssitzung mit der Fête de la Musique“ kollidierte. Wenn es nicht allzu viele Diskussionen gibt, so hoffte er, würden wenigstens die späteren Abendstunden nicht mehr von Tagesordnungspunkten, sondern von Musik geprägt. Eine Hoffnung, die allem Anschein nach auch einige Ratsmitglieder hegten.
Fête de la Musique wird am längsten Tag des Jahres gefeiert
Dass die Stadt einmal so in Musik getaucht wird, komme ja auch nur einmal im Jahr vor. Und dieses „so“ traf genau in die Mitte der Fête de la Musique Philosophie. Begründet 1982 in Paris, wird am längsten Tag des Jahres in einem großen Fest auf den Straßen der Metropole die Musik gefeiert. Und genau das geschieht nun dank der Mozartgesellschaft und ihrer Geschäftsführerin Katharina Simmert seit drei Jahren auch in der kurfürstlichen Residenz. Und wenn man in die Gesichter der Zuhörer sieht, wird deutlich, dass das ein kultureller Volltreffer war. Die Reaktionen der Menschen könnte man von wunderschön über herrlich bis gigantisch sämtlich im Superlativ zusammenfassen.
Mit die schönsten Worte wählte Natalie, die vor einem Jahr aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew geflohen ist und mittlerweile in Schwetzingen lebt. „Es ist so schön hier, das Leben scheint aus Musik und Freude zu bestehen.“ Gerade die Musik sei es doch, die Menschen zu Menschen mache, nur leider sei die Musik in der Ukraine in Teilen verstummt. Riesig gefreut hat sie sich über den Auftritt des ukrainischen Chors.
Chor aus der Ukraine beeindruckt bei der Fête de la Musique in Schwetzingen
Vorm Palais Hirsch und später im Schlossgarten traten die zehn Frauen aus der Ukraine auf und wurden dabei von einer treuen Fangruppe begleitet. Musik, so Natalie, sei eben auch Heimat. Einfach die Augen zu machen und sie fände sich wieder zu Hause. Wie sehr das stimmte, wurde während der Lieder deutlich. Viele Frauen hier hatten ihre Augen zu und sangen ganz leise mit. Ein Bild, das auch Michael Höhne, bewegte. Wie schlimm es in der Ukraine sei, offenbare sich manchmal auch in solchen Momenten.
Ganz anders bewegt wurde dagegen der kurfürstliche Hofstaat, der im Schlossgarten zu den Rhythmen der afrikanischen Trommlergruppe tanzte. Eine Art Kulturverständigung über Grenzen und Epochen hinweg, die bei den Gästen auf begeisterten Applaus stieß.
Viele Locations bei der Fête de la Musique in Schwetzingen
Weiter ging es dann über das Schlossrestaurant Theodors in den Ehrenhof, wo das Schwetzinger Kammerorchester auftrat. Auch für Nicht-Klassikfans war das ein kleines Highlight. „Einfach wunderbar und dann vor dieser Kulisse“, so die Familie Jung einstimmig. „Sehr beeindruckend.“ Weitere Stationen waren dann der Schlossplatz, die Mannheimer Straße, der Hof der St.- Pankratius-Kirche, die Awo, Hebelhaus und Privatgymnasium, das Jugendzentrum „Go in“, das GRN-Seniorenzentrum, die Musikschule und der Schälzig.
Das Angebot war riesig und die gezielte Orientierung war mindestens schwer, wenn nicht unmöglich. Doch, so Simmert, das sei auch gar Sinn der Übung. Sich von der Musik treiben lassen, sich gemeinsam mit anderen einfach der musikalischen Strömung hingeben und vielleicht auch Dinge entdecken, die man bis dato noch nicht auf dem Zettel gehabt habe.
Darüber hinaus war noch etwas anders zu beobachten. Derzeit wird über Deutschland und seine Bürger ja vor allem Krisenmodus geschrieben. Vom gespaltenen Land, Bürgern in Wut und Grabenkämpfen war bei der Fête de la Musique jedenfalls nichts zu spüren. Im Gegenteil, die Melange aus Musik und einer in der Abendsonne golden leuchtende Stadt führte zusammen. Wie sagte es Monika Walliser: „Heute genießen wir alle einfach das Leben in Musik“. Worauf der zwölf-jährige Lukas ergänzte, dass es dann doch schön wäre, wenn dieses Fest öfter wäre. Keine unkluge These, auch wenn das natürlich nicht geht.
Aber es ist schön, diesen großen Zauber der Musik einmal im Jahr erleben zu dürfen. Und je später der Abend, desto mehr scheint dieser Zauber an Kraft zu gewinnen. Kurz vor 21 Uhr, die Sonne verabschiedete sich ganz langsam mit ihrem schönsten Licht, erschien vielen der Gedanke, dass in einer Stunde Schluss ist beinah unerträglich. Ute Becker, zum zweiten Mal hier, konnte kaum fassen, dass der Traum bald enden muss. „Gerade im Moment ist das doch hier der schönste Ort auf der Welt.“ Ein Satz, der vom Schlossgarten über den Schlossplatz bis in die Fußgängerzone wohl alle unterschrieben hätten.
Gerade der Schlossplatz glich gegen Ende der Fête de la Musique unter den Klängen des Blasorchesters der Stadtkapelle und wenig später unter dem Eindruck der Rhine River Big Band einem wogenden Meer, bestehend aus Menschen, die nicht verhindern konnten, dass sich der Rhythmus in ihnen breitmacht. Die Fête de la Musique der Mozartgesellschaft ist grandios und nun zum Glück – weil zum dritten Mal – unverzichtbarer Traditionsbestand der kurfürstlichen Residenz.
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