Schwetzingen. Mit nur 18 Jahren 1742 an die Macht gekommen, verwandelte Kurfürst Carl Theodor ab Mitte des 18. Jahrhunderts seine Sommerresidenz in Schwetzingen bekanntermaßen zu einem kulturellen Hotspot in Europa. Geistesgrößen wie Voltaire gingen im Schloss ein und aus sowie die besten Musiker ihrer Zeit folgten dem Ruf des Adeligen. Dazu zählte auch die Hofmusikerfamilie Ziwny, allesamt begnadete Hornisten.
Große Freude herrscht daher bei der Stadt, die nun ein ganz besonderes Geschenk erhalten hat, das aus dieser Zeit stammt: Eine Familienchronik aus dem Privatbesitz der Ziwnys wurde im feierlichen Rahmen an den Leiter des städtischen Museums, Lars Maurer, übergeben. Als Dokument der Zeitgeschichte wird sie im neu entstehenden Museum im Rothackerschen Hause zu sehen sein.
Besonderes Exponat für Schwetzingen: Verzwickte Schreibweise
„Heute ist ein ganz besonderer Tag: Denn wir erhalten ein ganz besonderes Exponat“, formulierte Lars Maurer, der die Stadt Schwetzingen bei der Übergabe vertrat. Die Chronik eröffne eine andere, eine menschliche Perspektive auf das Leben im 18. Jahrhundert, ergänzte er. So seien neben Hochzeiten und Todesfällen unter anderem auch Fehlgeburten dort eingetragen. „Geschichte wird somit ergreif- und erlebbar gemacht“, fügte Maurer hinzu, der sich herzlich bei Familie Dolland aus Darmstadt, den Nachfahren der Ziwnys, und Dr. Rüdiger Thomsen-Fürst vom Forschungszentrum Hof – Musik – Stadt für den Kontakt bedankte.
Letzterer wand sich ebenfalls an die Anwesenden. Schon lange setze er sich wissenschaftlich mit der Hofmusikerfamilie auseinander. Sie stamme, so Dr. Thomsen-Fürst, aus Böhmen und ihr Stammvater sei ein Jan oder Johann Ziwny, über den leider nur wenig bekannt sei. Schwierig bei den Nachforschungen sei gewesen, dass im Deutschen fremd klingende Namen zur damaligen Zeit oft ziemlich unterschiedlich erfasst worden seien. „Chevigny, Schewine, Schribni, Schiwini oder Schivini sind nur ein paar der Varianten, die, je nach dialektaler Vorbildung des Schreibenden, immer anders ausfallen“, kommentierte er humorvoll. Sicher sei aber, dass alle Hornisten der Familie um 1745 in Südwestdeutschen Hofkapellen engagiert worden waren.
„Die Musikerausbildung in Prag, dem vorherigen Sitz der Familie, war sehr hochwertig. Arbeitsmöglichkeiten gab es vor Ort jedoch nur wenige, sodass etwas stattfand, das man Arbeitsmigration nennen könnte“, erklärte der Experte weiter. Nach Stationen in Rastatt und andernorts seien in den 1750er und 1760er Jahren drei von vier Planstellen der Horngruppe der Mannheimer Hofkapelle mit Ziwnys besetzt gewesen. Sich an das Ehepaar Dolland richtend meinte Dr. Thomsen-Fürst launig: „Sie dachten zuvor, sie stammen von Juristen ab und waren ziemlich überrascht, dass es jedoch Musiker waren. Hat Sie das stark getroffen?“, und schloss: „Dass Sie uns die Chronik nun überlassen ist nicht selbstverständlich und wir bedanken und freuen uns sehr.“
Anspruchsvolle Darbietungen bieten musikalischen Rahmen
Für den passenden musikalischen Rahmen sorgten die Hornisten Bart Aerbeydt und Milo Maestri vom Freiburger Barockorchester. Sie begeisterten mit mehreren Galanderien für zwei Hörner aus der Zeit der Hofmusikerfamilie. Aerbeydt kommentierte: „Eigentlich sind wir hier, um zu spielen und nicht, um zu sprechen. Aber ich möchte doch etwas sagen: Es sind hoch anspruchsvolle Stücke. Die Hornisten damals müssen wirklich außergewöhnlich gut gewesen sein.“
Dr. Peter Dolland verriet: „Wir haben die Familienchronik eher zufällig im Nachlass meiner Mutter gefunden, wo sie aufgrund der Umstände beinahe verlorengegangen wäre. Wir überlassen sie der Stadt Schwetzingen gerne.“ Nach dem Fund sei er bei der Recherche zur Familiengeschichte im Internet auf eine wissenschaftliche Arbeit von Dr. Thomsen-Fürst gestoßen, in der er sich mit seinen Vorfahren beschäftigt, worauf er ihn kontaktiert habe. Der Wissenschaftler teilte mit: „Als ich von der Chronik erfuhr, befand ich mich zwischen Euphorie und Zurückhaltung. Es ist ratsam, sich in einem solchen Fall zu bremsen, da man immer wieder etwas angeboten bekommt, von dem sich dann herausstellt, das es nicht so bedeutend ist, wie die Eigentümer meinen. Nicht so hier.“
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