Selbst gemacht - Henry Kramer baut sich seinen eigenen Camper / Ausgedientes Löschgruppenfahrzeug wird zum Haus auf vier Rädern – inklusive Solarbedachung

Feuerwehrauto wird zum Weltreisemobil

Von 
Volker Widdrat
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Schwetzingen. Henry Kramer war schon oft unterwegs. In vielen Ländern Europas. Zum Kanufahren oder zum Zelten mit Sohn Fabian. Mit dem Wohnwagen in Frankreich oder nach Spanien. Mit einem ausgebauten VW-Bus und einem Mitsubishi mit Dachzelt in Norwegen, Finnland und Schweden. Jetzt hat sich der 56-jährige Schwetzinger ein neues Campingmobil gebaut. Mit dem kann er ohne Weiteres auf Weltreise gehen.

Innerhalb von zwei Jahren hat Kramer ein ehemaliges Feuerwehrauto in einen tollen Offroad-Camper verwandelt. Unser Leser Günther Rothacher hatte unsere Zeitung auf die außergewöhnliche Leistung aufmerksam gemacht. Sein Freund habe „mit unglaublichem Willen und handwerklichem Geschick“ alle Montage- und Umbauarbeiten in Eigenleistung erbracht. Wir haben uns das beeindruckende Ergebnis einmal angeschaut.

„Ich habe schon lange davon geträumt und mir immer wieder Fahrzeuge angeschaut, die ich zu einem Wohnmobil umbauen kann“, erzählt Kramer. Vor drei Jahren wird er dann fündig. Bei einem Händler im niedersächsischen Schneverdingen kauft er ein Feuerwehrauto. Das rote Löschgruppenfahrzeug LF16 mit Tragkraftspritze, Baujahr 1990, hat nur 13 000 Kilometer auf dem Sechszylinder-Dieselmotor mit 160 PS Leistung. Der Iveco Magirus, der so zwischen 1986 und 1992 gebaut wurde, ist in einem Topzustand. Die Vorderachse ist einfach bereift, die Hinterachse hat Zwillingsbereifung. Bei der Feuerwehr liegt das zulässige Gesamtgewicht bei 9,4 Tonnen, Kramer lastet es unter 7,5 Tonnen ab, damit er das Feuerwehrfahrzeug mit der alten Fahrerlaubnis Klasse 3 bewegen darf. Nach Umbau und voller Aufrüstung kommt der Supercamper auf 7,3 Tonnen.

Verletzung stoppt Umbauvorhaben

Das Löschgruppenfahrzeug hat eine kippbare Mannschaftskabine für neun Feuerwehrleute. Hinter der Kabine liegt der Kofferaufbau mit Gerätefächern für die Technik. Den kann der gelernte Karosseriebauer Kramer, der seit 25 Jahren bei Heidelberger Druckmaschinen beschäftigt ist, allerdings nicht brauchen. Der 56-Jährige wählt als neuen Aufbau einen Zeppelin Shelter der Größe FM 2, wie er von der Bundeswehr als Funkkabine oder mobile Werkstatt verwendet wird. Der Koffer mit einer inneren und äußeren Aluminiumwand von je zwei Millimetern hat einen ausgeschäumten Hohlraum von 56 Millimetern. Kramer ersteigert das Teil bei der „Vebeg“ in Frankfurt am Main, einer 1951 gegründeten bundeseigenen Treuhandgesellschaft zur Verwertung von Eigentum des Bundes. Abgeholt wird der Koffer in Karlsruhe im Bundeswehr-Depot. Als das Fahrgestell und der neue Aufbau in der angemieteten Halle in Heidelberg bereitstehen, kann er aber nicht gleich loslegen. Kramer reißt sich die Bänder in der Schulter und muss noch Geduld haben. Nach ein paar Monaten darf er endlich ran. Der Koffer wird entkernt, alle Einbauten der Bundeswehr werden entfernt. Über 1100 Nieten muss Kramer im Innenraum dafür aufbohren. Die Blaulichter von der Feuerwehr müssen vom Dach.

Das Fahrerhaus wird von vier auf zwei Türen in der Länge um einen Meter gekürzt, damit für den Koffer der benötigte Platz geschaffen wird. Die sechs Reifen werden durch viel Größere ersetzt. Statt der Zwillingsreifen kommt auf die Hinterachse eine Einzelbereifung. Die eingebauten Batterien sind schwer und werden samt Batteriekästen durch leichtere ersetzt. Einige Teile müssen mit dem Hebegeschirr bewegt werden. Allein das Ersatzrad am Heck wiegt 170 Kilo und muss mit einem Kran abgelassen werden.

Der 130-Liter-Tank des Feuerwehrautos wird durch einen 300-Liter-Tank ersetzt. Das gesamte Fahrzeug wird um neun Zentimeter höher gelegt. Das Heck bekommt zur Sicherheit einen klappbaren Unterfahrschutz. Während der Umbauarbeiten hält Kramer stets Kontakt zum TÜV Süd. Die Ingenieure segnen alles ab, lobt der 56-Jährige die konstruktive Zusammenarbeit. Zwei Dieselheizungen werden verbaut. Zusammen bringen sie vier Kilowatt Heizleistung. Genug für einen Trip über den Polarkreis.

Der Zugang war ursprünglich über eine Hecktür. Jetzt betritt man den Wohnaufbau an der Seite bequem über eine Treppe. Die seitlichen Klapptritte zum Besteigen des begehbaren Daches sind geblieben. Die Solarzellen oben liefern 680 Watt.

280 Liter zum Waschen

Neben der Tür ist ein Kleiderschrank verbaut. Die Nasszelle mit Dusche und Toilette liegt gegenüber eingelassen in eine Edelstahlwanne. Gut 280 Liter Wasser stehen für Dusche und Waschbecken zur Verfügung. Der Abwassertank fasst 80 Liter. Das heiße Wasser kommt über einen Boiler. Die eingestellte Duschtemperatur bleibt immer gleich. Das regelt ein Mischventil. Viel Technik ist in den Unterbauten versteckt: Standheizungen, Warmwasserboiler, Druckwasserpumpe und anderes Nützliches. Eine Satellitenschüssel ist an Bord. Am Bett gibt es TV. Kramer überlegt und plant, tüftelt und probiert, flucht auch mal, wenn etwas nicht gleich klappt. Über 3000 Arbeitsstunden reißt er ab, vor allem abends und am Wochenende.

Der Innenraum bietet viel Platz für ein Bett von zwei auf 1,4 Meter. Die Küchenzeile liegt auf der Fahrerseite. Kühlschrank mit Gefrierfach, Gasherd und Spüle sind vorhanden. Wasser läuft mit 3,2 bar aus dem Hahn. Fenster sind doppelt verglast – wie zu Hause. Die Staukästen sind nach Maß gefertigt. Der Wohnbereich hat verschiedene Lichtkreise. Die Außenbeleuchtung wird von innen gesteuert. Eine Multi-Control-Anzeige zeigt, wie viel Frisch- und Abwasser noch in den Tanks und wie der Status der Lithium-Ionen-Batterie ist. Ein WLAN-Router kann ein Netz aus acht Kilometern Entfernung empfangen. Alles wird über eine Fernbedienung reguliert.

Aus 12-Volt-Strom können 230 Volt werden. Genügend Steckdosen, Leseleuchten und USB-Anschlüsse sind vorhanden. Gaswarner und Rauchmelder fehlen nicht. Platzt ein Wasserschlauch, gibt es ebenfalls Alarm. Die Ladung der Kabinenbatterien erfolgt durch die Lichtmaschine oder die Außensteckdose mit 230 Volt.

Vom Wohnbereich führt ein Durchstieg mit Tür ins Fahrerhaus. Beim Öffnen schwingt die Tür nach oben und bleibt in dieser Position. Der hohe Einstieg ins Fahrerhaus wird durch eine bewegliche Kette mit Fußtritt erleichtert. Das Fahrerhaus wird komplett saniert. Himmel und Wände bekommen eine andere Bespannung. Die bequem gefederten Sitze sind neu. Lampen leuchten den über eine Kamera einsehbaren Rückfahrbereich aus. Etwa Tempo 115 schafft das ehemalige Löschfahrzeug. Zwischen 18 und 20 Liter Diesel auf 100 Kilometer verbraucht das Schmuckstück, das noch die alten Typenschilder von Iveco Magirus und der Karosseriebau-Firma hat. Die perfekte Lackierung fällt sofort ins Auge. „Libyan Matt Sand“ nennt sich die spezielle Farbe, die normalerweise für den Landrover Defender verwendet wird.

Sogar Feuerholz an Bord

Im August ist Kramer fertig. Eigentlich will er im September mit Freundin Anja auf große Tour ins Baltikum. Doch Corona macht dem Paar einen Strich durch die Rechnung. So gibt es erst mal einen Trip an den Bodensee. Draußen sitzen, kochen oder grillen – das macht Laune. Sogar Feuerholz ist mit an Bord.

Viel Detailarbeit hat Kramer in das tolle Ergebnis investiert: „Ich habe mir damit wirklich einen Lebenstraum erfüllt.“ Er habe gerne an seinem Wohnmobil gearbeitet und „immer Lust gehabt, etwas zu machen“. Für die Rente plant der jetzt 56-Jährige eine ausgiebige Weltreise. Wenn er heute gemeinsam mit Freundin Anja unter dem Sonnensegel vor seinem Wohnmobil sitzt, wird er oft angesprochen. Er gibt dann gerne Auskunft, wie er das Feuerwehrauto in einen Weltreisecamper umgewandelt hat.

Info: Mehr Fotos gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de

Schwetzingen

Schwetzingen: Verwandlung eines Feuerwehrautos

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Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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