Der kräftige Wind wirbelt den Sandstaub auf, der Straßenzüge in Sinzig bedeckt. Vier Wochen sind vergangen, als die rheinland-pfälzische Barbarossastadt vom schwersten Hochwasser in ihrer Geschichte und der des Ahrtals heimgesucht wurde. Vor allem zwei der sechs Ortsteile wurden schwer getroffen: die Kernstadt und Bad Bodendorf. 18 Menschen kamen hier ums Leben. Dort sind die Folgen der Flut nach wie vor deutlich zu sehen.
Diese Zeitung hat mit den Kommunen unseres Einzugsgebietes eine Spendenaktion für Sinzig gestartet. Wir möchten, dass das Geld unbürokratisch und schnell bei Betroffenen ankommt. Es sind Millionen notwendig für die Aufbauarbeit.
Spenden für Sinzig
Unsere Zeitung hat gemeinsam mit den Städten und Gemeinden unseres Einzugsgebietes eine Hilfsaktion für Sinzig gestartet.
Spenden können auf diese Konten (oder via QR-Code) überwiesen werden: Stichwort „Fluthilfe 2021“: Sparkasse Heidelberg, DE08 6725 0020 0025 0104 42 oder Vereinigte VR Bank Kur- und Rheinpfalz, DE78 5479 0000 0005 0650 03.
Kurz nach der Katastrophe waren wir schon einmal vor Ort, nun erneut. Die ersten Schlamm- und Sperrmüllberge mit zerstörtem Hausrat sind neuen Abfallhaufen gewichen: In den betroffenen Gebäuden muss der Estrich raus, Fliesen und Putz von den Wänden abgeklopft, ganze Keller und Erdgeschosse aufgestemmt sowie Häuser – darunter Neubauten – abgerissen werden.
„Der Müll ist derzeit eines unserer größten Probleme“, hatte Bürgermeister Andreas Geron im Vorfeld unseres Besuch schon am Telefon gesagt, woraufhin Chefredakteur Jürgen Gruler alle Hebel in Bewegung setzte, um hiesige Fachunternehmen in das Flutgebiet zu bekommen. Sowohl Andreas Berger aus Plankstadt als auch Peter Mülbaier als Geschäftsführer des Abfallversorgers AVR sagten ihre Unterstützung zu. Allerdings ist alles nicht ganz so einfach, wie man sich das vorstellt: Für den kontaminierten Bauschutt braucht es spezielle Fahrzeuge und Deponien.
„Wir haben jetzt schon so viel Müll wie in den vergangenen 25 Jahren“, macht Roland Janik deutlich, dass die Abfallwirtschaft in der Region am Limit ist. Der ehrenamtlich tätige Beigeordnete von Sinzig unterstützt mit den weiteren Beigeordneten Hans-Werner Adams und Claudia Thelen mit voller Kraft den Bürgermeister in dieser auch kommunalpolitisch schweren Zeit. Es braucht also nicht nur Fahrzeuge, die den Abfall abholen, sondern auch Deponien, die ihn aufnehmen.
Per einfachem Antrag zum Geld
Nicht nur die Flutschäden müssen gestemmt werden, sondern auch die Aufbereitung der Flutnacht macht den Gemeinden zu schaffen: Der Landrat wurde angeklagt und hat sich erst einmal krank gemeldet. Gerade jetzt, wo der Kreis Ansprechpartner für so viele Belange wäre, fühlen sich die Kommunen im Stich gelassen. Als sei das nicht genug, zündelt seit zwei Wochen wieder ein Brandstifter in der Region, ein Problem, das schon vor einiger Zeit da war.
Kontakt zu Helferbörse Sinzig
- Helfende können sich beim „CoWorking“, Bachovenstraße 3 in Sinzig melden: info@coworking-sinzig.de, Telefon 0160/60 79 133.
- Hier geht’s zum Online-Formular zur Hilfe-Anmeldung.
- Facebook: https://www.facebook.com/CoWorkingSinzig/
- Instagram: https://www.instagram.com/coworkingsinzig/
Und trotz allem: Die Menschen in Sinzig sind voller Zuversicht und Hoffnung. Sie haben ihren Humor nicht verloren, sprechen von Wiederaufbau und werden nicht müde, sich für die Hilfe zu bedanken. „Es ist so toll, dass wir gerade auch eine solche Unterstützung aus der Kurpfalz erfahren“, sagt auch Roland Janik.
Er sorgt mit einer Kommission auch für die schnelle und unkomplizierte Verteilung der Spendengelder. Das Land Rheinland-Pfalz hat für Flutopfer 2500 Euro pro Haushaltsvorstand zur Verfügung gestellt sowie weitere 500 Euro für jedes betroffene Familienmitglied, vom Kreis Ahrweiler kommen 1500 Euro und von der Stadt Sinzig 400 Euro pro Haushaltsvorstand plus 50 Euro für Familienmitglieder, erklärt Janik. Dafür muss ein einfach gehaltener Antrag gestellt werden. Die Hälfte der Spendengelder, die auf dem Stadtkonto eingehen – also auch die von unserer Zeitung – werden für die Sofortspenden verwendet. Der andere Teil geht an Härtefälle, also Menschen, die fast oder eben alles verloren haben und nicht versichert sind. Roland Janik schlüsselt auf, dass zirka ein Drittel der 650 von der Flut betroffenen Sinziger eine Elementarversicherung haben, ein weiteres Drittel nicht in den Bereich der Härtefälle fällt, sodass um die 200 Menschen letztlich hiervon profitieren. Es wird zudem zwischen Privatleuten und Gewerbe sowie Vereinen unterschieden. „Wobei es auch Vereine gibt, die selbst Spendenaktionen gestartet haben, von anderen Vereinen Hilfe erfahren oder – wie unser Spielmannzug Freiweg – auf der Webseite die Kontonummer veröffentlicht haben und dazu schreiben, dass aktuell die Schicksale der privaten Haushalte vorgehen“, erwähnt Roland Janik eine rührselige Geste.
Hier werden Helfende koordiniert
Neben Geld braucht die Region nach wie vor Menschen, die anpacken. Es gibt noch immer Häuser, in denen der Schlamm steht beziehungsweise aus denen kontaminiertes Mauerwerk gerissen werden müssen. Im „CoWorking“ in der Bachovenstraße 3 in Sinzig hat sich eine Helferbörse gebildet, die von den Syrischen Freiwilligen in Deutschland unter Leitung von Anas Alakkad koordiniert wird. Wer braucht jemanden, der mit dem Bohrhammer anpackt? Wo kann Wäsche gewaschen werden? Hier laufen die organisatorischen Fäden zusammen, hier können sich Hilfesuchende und Hilfswillige melden. Sie werden bei Bedarf auch mit Handschuhen, Masken, Stirnlampen und Arbeitsgerät ausgestattet. Die Seelsorge, eine medizinische Erstversorgung für Helfer und ein Ansprechpartner für Hochwasserhilfe sind fast immer vor Ort. Außerdem wird dreimal am Tag Verpflegung angeboten. „Deutschland hat uns geholfen, jetzt möchten wir etwas zurückgeben“, sagen Anas Alakkad und sein Mitstreiter Faris Allahham.
Werden Melanie Brücken und Jennifer Fleischer von „CoWorking“ gefragt, was an Sachspenden notwendig ist, dann verweisen sie auf Ladekabel für Handys, Laptops, Powerbanks, aber auch handwerkliches Arbeitsgerät. Ein weiteres großes Problem: „Wir haben viele Menschen von weiter her, die hier helfen wollen, aber wir finden keine Schlafmöglichkeiten für sie. Außerdem fehlen Kleintransporter, um die Leute in die Einsatzgebiete zu shuttlen“, so Anas Alakkad.
Der Hilfstrupp der „Ahrschipper“ um Joe Herrmann aus Plankstadt braucht glücklicherweise keine Unterkunft. Sie sind mit dem Bus binnen zweieinhalb Stunden im Ahrtal und fahren am Abend zurück. Diesen Samstag packen sie in Sinzig an. An dieser Stelle: Dickes Dankeschön!