Schwetzingen. Hinreißend, überwältigend, brillant: So war der Tenor der Zuschauer beim Theater am Puls, wo sie bei der Premiere von „Eine Frau, die weiß, was sie will“ am Freitag einen großartigen Abend erlebten. Kein Wunder, wenn Oscar Straus’ (1870 – 1954) fabelhafte musikalische Komödie so gut besetzt, so frisch und frech inszeniert ist und dann noch ein Pianist mit überschießender Fantasie die gesamte Bandbreite seiner Musikalität entfacht.
Aufführungen und Karten
Vorstellungen von „Eine Frau, die weiß, was sie will!“: Samstag, 5. März, 19 Uhr, Samstag, 26. März, 19 Uhr. Ticketpreise: 24 Euro (ermäßigt: 18 Euro; Kinder bis zwölf Jahre 12 Euro).
Karten gibt es im Kundenforum der Schwetzinger Zeitung, Carl-Theodor-Straße 2, beim Theater am Puls unter www.theater-am-puls.de und Telefon 06202/9 26 99 96. her
Zu verdanken ist die Inszenierung Regisseur Joerg Steve Mohr. In dieser Operette, deren ironisch-witziges Libretto Alfred Grünwald (1884 – 1951) schuf, entdeckte er ein umwerfend unterhaltsames, aber auch ein großes subversives Potenzial: Geschlechtliche Gewissheiten werden hinterfragt, die Institution Ehe zur Diskussion gestellt und eine scheinheilige Doppelmoral entlarvt.
Aber „Eine Frau, die weiß, was sie will“ ist auch ein Stück über das Theater, über die lange Tradition, Geschlechterrollen auf den Kopf zu stellen. Gleichzeitig wagte Mohr mit den beiden Darstellern Christine Rothacker und André Haedicke ein einzigartiges Experiment: Das auf 20 Rollen reduzierte Personenverzeichnis ist auf diese zwei Schauspieler verteilt.
Ihr pointierter Sprechgesang findet vor einem einfachen, doch ausdrucksstarken Bühnenbild statt – ein Sessel, ein multifunktionales Garderobengestell, in der Mitte eine Tür für die vielen schnellen Ein- und Austrittsmöglichkeiten –, in unendlich kreativen Kostümen (Bühne und Ausstattung Antonia Schmitz), mit einer Stimme aus dem Off und ein wenig Theaterlicht (Verfolger: Juliane Stecker; Technik: Tim Fertig, Anna Haid, Simon Kimmel, Andy Lin, Felix Rieseberg, Stefan Schneider). Den Rest besorgten die beiden Bühnenvirtuosen Christine Rothacker und André Haedicke gemeinsam mit dem Pianisten Daniel Prandl. Das Ergebnis war atemberaubend, die Zeit dieser fast zweistündigen Inszenierung verging wie im Fluge.
Worum geht’s da? Im Mittelpunkt steht die umschwärmte Operettendiva Manon Cavallini. Sie ist eine selbstbewusste, emanzipierte Frau, deren Lebensmaxime der Song „Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?“ auf den Punkt bringt. Aus der Liaison mit einem Großindustriellen hat sie eine Tochter, Lucy, zu der sie laut gerichtlicher Verfügung keinen Kontakt aufnehmen darf, so lange sie als Schauspielerin aktiv ist. Wie das Leben so spielt, taucht Lucy nach Jahren auf und verliebt sich in Raoul Severac, eben in jenen Mann, der Manon, ihre Mutter, verehrt. Ohne Lucy den wahren Grund zu enthüllen, verzichtet Manon auf Raoul, von dem sie sich einen „neuen Frühling“ erhoffte. Im zweiten Akt sind Lucy und Raoul verheiratet. Lucy kommt dahinter, dass sich ihr Mann heimlich mit Manon Cavallini trifft. Sie will sich rächen und bestellt Fernand, Raouls besten Freund, zum Stelldichein. Spätestens jetzt schreitet die besorgte Mutter ein …, wie, das soll hier nicht verraten werden.
Viele verschiedene Typen
Ungemein komisch, mit spürbarer Lust an Verkleidung und Klamauk, wechselten die zwei Hauptdarsteller vor den Augen der Zuschauer in rasend schnellem Tempo die Kostüme, Perücken, Brillen, Bärte, Stimmlagen und Dialekte, jonglierten mit Identitäten und zauberten die vielen verschiedensten Typen auf die Bühne, teils sogar gleichzeitig. André Haedicke, der mit komödiantischem Spiel immer wieder die Zuschauer zum Lachen brachte, mimte mit affektierter Mädchenpose Lucy im pinken Kleid, zudem den Tennisprofi Fernand, den Theaterdirektor und im Finale des ersten Akts sämtliche Liebhaber der Diva Manon bei einer Abendgesellschaft. Und Christine Rothacker stellte unglaublich virtuos ein ganzes Gefolge dar, Lucys Vater, den Kellner, den Verehrer Raoul, teilweise in Halb-halb-Kostümen Mann und Frau zeitgleich – eine Meisterleistung. Phänomenal auch, wie die beiden Schauspieler und Musicalsänger die zahlreichen Songs in den verschiedensten Stimmlagen zum Besten gaben. Die wunderbar beschwingte Musik der Chansons wie „Ich bin eine Frau, die weiß, was sie will“, das Couplet „Ninon, Ninon“ oder „Die Sache, die man Liebe nennt“ wird noch lange in den Ohren bleiben.
Als Christine Rothacker in „Jede Frau hat irgendeine Sehnsucht“ Gefühle besang, die jede Frau kennt, hielt das Publikum den Atem an, so intim, mit so unbeschwerter Leichtigkeit gelang ihr und Daniel Prandl am Klavier dieser Moment. Zu Recht war am Ende das Premierenpublikum völlig aus dem Häuschen, es überschüttete die Mitwirkenden vor und hinter den Kulissen mit Bravorufen, Applaus und vielen wunderschönen Rosen.
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