Schwetzinger SWR Festspiele

Gott, Adam, Eva, der Satan und die zwei Einhörner

Die Geschichte von „Adam & Eva“ passt doch perfekt zum Motto der Schwetzinger SWR Festspiele. Am Mittwochabend war Generalprobe – hier die ersten Eindrücke.

Von 
Jürgen Gruler
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Da ist was los auf der Bühne - die Verführung beim Musiktheater "Adam & Eva" nimmt ihren Lauf. Hier hat Gott seine „Tochter“ Eva auf dem Schoß. © SWR/Fernando Fath

Schwetzingen. Gott hat die Welt erschaffen – und mit Adam und Eva auch die ersten Menschen. Beim Musiktheater „Adam & Eva“, das am Freitag, 2. Mai, seine Premiere bei den Schwetzinger SWR Festspielen feiert und mit dem ein Festival mit über 60 Veranstaltungen im Mai eröffnet wird, geht es also an die verklärt wirkende Geschichte unserer biblischen Urahnen zurück. Und doch befinden wir uns im verschnörkelten Rokokotheater ganz in der Neuzeit bei dieser Uraufführung der Festspiele mit dem Landestheater Linz – und ein wenig auch in der Plattenbauvergangenheit der DDR von Autor Peter Hacks. Wir durften jetzt bei der Hauptprobe schon mal einen Blick in die Aufführung werfen und haben am Mittwochabend über die Dramaturgie mit Regisseurin Andrea Moses gesprochen.

Sündenfall oder Glücksfall? Gott und sein Erzengel Gabriel im Zwiegespräch. © SWR/Fernando Fath

Das Vorspiel – wie könnte es beim Motto „Verführung“ der SWR Festspiele anders heißen – gerät gleich zur Groteske. Denn Komponist Mike Svoboda und Librettistin Anne-May Krüger – die auch im richtigen Leben ein Paar sind – haben darauf geachtet, dass bei aller moderner Aufführungskunst auch der Spaß nicht zu kurz kommt. Dem lieben Gott gerät die Erdkugel zum Ei, wie sein Erzengel Gabriel konstatiert. Der fragt sich auch, warum Gott diesmal ausgerechnet in Stoff hat arbeiten müssen. Doch Gott freut sich an den Menschen, denn nun hat er endlich ein ernstzunehmendes Gegenüber. Dieses hatte er in dem ewigen Jasager Gabriel und selbst im Widersacher Satanael bislang nicht. Deshalb gab er den Menschen auch die Möglichkeit, sich zwischen Nein und Ja zu entscheiden. Der verbotene Apfel ist der Prüfstein des freien Willens der Menschen. Und er wird später zur Befreiung von den Schranken stetiger Kontrolle. Wie würde man sich das manchmal gerne für die eigene Welt wünschen.

Andrea Moses, 1972 in Dresden geboren, studierte Schauspielregie in Berlin und Moskau. Nach ersten Erfolgen im Schauspiel gelang ihr mit Strauss‘ „Salome“ (2006) und „Elektra“ (2007), das für den Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ nominiert war, der Einstieg ins Musiktheater. Von 2009 bis 2011 war sie Chefregisseurin am Anhaltischen Theater Dessau, bis 2014 Leitende Regisseurin an der Staatsoper Stuttgart im Team von Jossi Wieler. Seit 2015 inszeniert sie an der Staatsoper Berlin („Meistersinger“) und an der Staatsoper Wien (Uraufführung von Stauds „Die Weiden“). Derzeit ist sie Operndirektorin in Weimar und jetzt führt sie Regie für „Adam & Eva“ in Schwetzingen und Linz, wo das Stück im Herbst auf die Bühne kommt.

Andrea Moses (v.l) führt Regie bei "Adam & Eva". Hier begrüßt sie mit Komponist Mike Svoboda und Festspielleiterin Cornelia Bend die Besucher der Generalprobe. © Jürgen Gruler

Aber wie erschließt man sich dieses Stück, darüber haben wir vor der Hauptprobe mit Andrea Moses gesprochen: „Mike Svoboda und Anne-May Krüger kamen auf mich zu, daraus hat sich eine Arbeitsfreundschaft entwickelt. Peter Hacks hat sein Schauspiel im gleichen Jahr vollendet, in dem ich in Dresden geboren wurde. Also musste ich nicht nur wegen seines speziellen sprachlichen Humors den DDR-Kontext bei der konzeptionellen Erarbeitung der Oper mitdenken, sondern auch die Frage nach Freiheit und Unfreiheit sowie die Systemfrage stellen, die Hacks auch stellt. Anne-May kommt ebenfalls aus der ehemaligen DDR, daher konnte sie sich als Librettistin zuvor gut in alle diese Themen einfinden. Als Regisseurin ist es ja für mich selbstverständlich, politische Gedanken in eine Inszenierung einzubringen, die hier eine Art Zeitreise geworden ist“, sagt Andrea Moses dieser Zeitung.

Eva verführt Adam zu seiner eigenen Befreiung

„Eva treibt ja im Stück das Freiheitsbestreben von Adam an. Lange glauben Gott und sein Erzengel Gabriel, dass Adam im Paradies bleiben würde. Das spiegelt die damalige gesellschaftliche Situation, als in der DDR eine gewisse Saturiertheit einzog, mit Neubauten, Zentralheizung und Konsumgütern. Die Idee von einer Welt ohne Geld war allerdings schon am Ende“, erzählt Andrea Moses. Gott gibt Adam den Apfel als Experiment, um ihn zu testen, ob er bleibt. Gabriel ist eine Art Parteisoldat. Und dann ist da noch die Schlange, die sich durch die Plattenbauten frisst. Alles läuft auf eine Apokalypse hinaus… Und doch bleibt am Ende Hoffnung, weil Gott etwas ziemlich Verrücktes macht“, verrät sie noch. Aber das sollte man sich dann schon selbst ansehen.

Hacks hat Schlüsselloch von West nach Ost geöffnet

Die Vorlage für das Stück kommt ja von Peter Hacks, der in den 1970er Jahren sowohl in seiner Heimat in der DDR als auch in der Bundesrepublik angesehen und viel auf Theaterbühnen gespielt wurde. Er war mit DDR-Staatschef Walter Ulbricht befreundet, belächelte seinen Nachfolger Erich Honecker eher, war mit „Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern“, „Die Sorgen und die Macht“, „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ oder einer Neufassung von Jacques Offenbachs „Die schöne Helena“ aber ein echter Star beidseits des eisernen Vorhangs. Erst als er nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns diesen regelrecht verhöhnte, geriet er im Westen ins Abseits. Und mit den Vorgängen 1989 kam er nicht zurecht und wirkte verbraucht.

Dass er „Adam & Eva“ geschrieben hat und sich so einem biblischen Thema widmete, überrascht nur auf den ersten Blick. „Für Hacks stellte das überhaupt keinen Widerspruch dar, denn für ihn war klar, dass es die Aufgabe der marxistischen Kunst sei, das Christentum vor den Christen zu retten“, heißt es dazu im Programmheft bei den Festspielen. In seinen Anmerkungen zu „Adam & Eva“ schreibt er selbst: „Die Christen haben das Christentum verkleinert auf einen Rest von Sätzen über Gerechtigkeit, Tugend und die Herstellung einer würdigeren Welt, lauter Sachen, auf die sich, Gott ist des Verfassers Zeuge, die Marxisten besser verstehen.“ Da wundert es auch nicht, dass im jetzigen Musiktheater Gott der einzige ist, der nicht singen kann.

Komponist Mike Svoboda und Librettistin Anna-May Krüger inszenieren den Apfelbiss als Befreiung. © SWR/Reza Kaviani

Für Komponist Mike Svoboda und Librettistin Anne-May Krüger war es dennoch eine Herausforderung. Svoboda sagt: „Während Anne-May und ich an dem Stück arbeiteten, dachten wir, dass das schon eine ziemlich heftige Geschichte ist, die hier erzählt wird, sodass wir dazu einen Gegenpol als Auflockerung setzen wollten. Und so entstanden zwei klugscheißende Einhörner, die immer wieder zwischen den einzelnen Szenen auftreten und simpelste Musik nutzen, um ganz tiefe und schwere Gedanken auszudrücken. Die Chöre hingegen dienen als eine Erweiterung der Gottesfigur. So kann man die allumfassende Persönlichkeit Gottes in vielen verschiedenen Schattierungen zeigen. Und ich habe musikalisch die Gelegenheit, durch den Chor dem Wort Gottes mehr Gewicht zu verleihen. Gott selbst ist ja mit einem Schauspieler besetzt, der aber durch den Chor nicht auf die musikalische Ebene verzichten muss“, so Svoboda.

Einfach mal auf die neue Musik einlassen

Es ist kein leichtes Stück, aber die Aufführung lohnt sich, wenn man das nach der Generalprobe schon beurteilen kann. Das Paradies liegt auf einem Felsen in einer Art Käfig, dessen Türen aber geöffnet werden können – für den Erzengel Gabriel, für Gott, für Satanael und natürlich für Adam und Eva. Wie eine Erholung zwischen den Akten wirkt der Auftritt von zwei Einhörnern mit philosophischen Erkenntnissen, die im Meer schwimmen oder eingeschneit werden. Und eine Regiemeisterleistung liegt in der Verletztheit des Erzengels. Sopranistin Morgane Heyse hatte während der Probenzeit einen Unfall und ist auf eine Krücke angewiesen. Die wird fulminant als Bühnenutensil eingesetzt.

Die Premiere am Freitag ist ausverkauft, aber für Sonntag, 4. Mai, um 18 Uhr gibt‘s noch einige Tickets.

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

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