Redaktionsgepräch

Gutting und Hagel kündigen Lösungen in der Migrationspolitik an

In Schwetzingen blicken die Unionspolitiker Olav Gutting und Manuel Hagel (CDU) auf die Abstimmung im Bundestag mit der AfD zurück und kündigen Entscheidungen in der Migrationspolitik an.

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Jürgen Gruler
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Manuel Hagel (v. r.) und Olav Gutting im Gespräch mit Jürgen Gruler und Andreas Lin. © Songur

Das Wichtigste in Kürze

In Schwetzingen blicken die Unionspolitiker Olav Gutting und Manuel Hagel (CDU) auf die Abstimmung im Bundestag mit der AfD zurück und kündigen Entscheidungen in der Migrationspolitik an.

Schwetzingen. Zu einem Redaktionsgespräch waren der CDU-Bundestagsabgeordnete Olaf Gutting und der CDU-Landeschef und wahrscheinliche Ministerpräsidenten-Kandidat Manuel Hagel bei uns in den Räumlichkeiten am Schlossplatz zu Gast. Wir fragten nach Migration, der demokratischen Mitte und danach, wie die Wirtschaft wieder in Schwung kommen kann.

Von Zozan Songur, Andreas Lin und Jürgen Gruler

Herr Gutting, wie haben Sie die Woche mit den beiden Abstimmungen in Sachen Migrationsgesetzgebung im Bundestag erlebt?

Gutting: Der Freitag war ein langer Tag. Neben der Sitzung des Bundestags gab es drei Fraktionssitzungen, immer wieder unterbrochen von Gesprächen der Spitze mit den anderen Fraktionsvorsitzenden, um vielleicht doch zu gemeinsamen Lösungen und Kompromissen in der Migrationsfrage zu kommen. Aber leider gab es einfach kein Zusammenkommen und auch diesmal war es wieder so, dass sich die ehemaligen Ampel-Koalitionäre wieder gegenseitig in die Haare bekommen haben, weil sie sich vorher ja mit eigenen Beschlüssen festgelegt hatten. Die SPD wollte von ihren Wahlkampfforderungen nicht runter und die Grünen hatten auf dem Parteitag noch weitreichende Beschlüsse in Sachen Familiennachzug gefasst. Aus wahltaktischen Gründen und parteipolitischem Kalkül war man nicht bereit, mit uns zu einem Kompromiss zu kommen. Wir haben es versucht bis zum Schluss. Dann war es am Ende nicht mehr anders möglich, als unseren Vorschlag zur Abstimmung zu stellen.

Aber anders als wenige Tage zuvor, gab es keine Mehrheit?

Gutting: Na gut, die FDP hat es ja komplett zerlegt. Es gab zwar nur zwei direkte Neinstimmen von dort, aber eine Reihe von Liberalen haben sich enthalten oder nicht abgestimmt. Auch aus der CDU gab es zwölf Abgeordnete, die nicht abgestimmt haben, nur einer von ihnen war schwer krank. Deshalb fehlte uns schließlich eine Mehrheit. Eine Mehrheit ist aber jetzt auch Kaffeesatzleserei. Entscheidend in dieser Woche war: Jeder weiß nun, wo er steht. Und das wissen jetzt auch die Wählerinnen und Wähler. Deswegen war es auch wichtig, diese Abstimmung durchzuziehen. Einfach um noch mal, um es deutlich zu machen: Die CDU will das Problem der irregulären und ungesteuerten Migration lösen. Rot und Grün haben schlicht und einfach kein Interesse daran. Das ist genau das, was wir schon im Vorfeld so gesagt haben. Die Woche war also aufregend und nervenaufreibend. Aber nach den Verhandlungen bis zur letzten Minute war keine Bereitschaft da, einen Kompromiss zu finden. Man will das Problem nicht lösen.

Herr Hagel, wie wirkt das auf die grün-schwarze Koalition in Baden-Württemberg?

Hagel: Wir arbeiten in Baden-Württemberg mit ganzer Kraft für das Land und die Menschen hier bei uns. Aus meiner Sicht war das eine Kampfansage der Unions-Fraktion an die AfD. Wir werden die AfD nicht durch Lichterketten oder Empörung kleinbekommen. Sondern nur, indem wir die Probleme klein machen, die die AfD erst groß machen. Wer wach auf unser Land blickt, sieht doch, dass das Thema Migration ganz oben steht. In der Sitzungswoche des Deutschen Bundestages wurde auch klar, wer wo steht. SPD und Grüne wollen keine andere Migrationspolitik. Nur wir als Christdemokraten können und wollen die Migration ordnen, steuern und begrenzen. Friedrich Merz hat Führung gezeigt und die Spirale der ewigen Erklärungen und Beschwichtigungen durchbrochen. Er hat gehandelt und ist vorangegangen. Wir erleben gerade, dass dadurch neues Vertrauen erwächst, weil die Menschen sehen, dass die Union handlungsfähig ist.

Mit Kretschmann haben wir hier ja einen Ministerpräsidenten der Grünen, der auch nicht so ganz weit vom Konservativismus entfernt ist. Innenminister Strobl ist von Ihrer Partei. Haben Sie in den letzten Jahren besonders viele Abschiebungen geschafft?

Hagel: Mit Winfried Kretschmann arbeiten wir gut zusammen. Hier bei uns steht die Idee immer vor der Ideologie – in Berlin scheint es mir genau andersherum zu sein. Wir haben als Landesregierung von Anfang an die Steuerung der Migration in den Bundesrat eingebracht. Der Ministerpräsident hat da oft seine eigene Partei als Gegner. Im Land lassen wir uns davon nicht beeinflussen – bei uns ist Pragmatismus die Richtschnur. Es gelingt uns immer aufs Neue, aus unterschiedlichen Ansichten keine unüberbrückbaren Gräben zu machen. Wir wollen Neues und Gemeinsames stiften. Das schafft Vertrauen, die Menschen spüren, dass sie bei uns im Mittelpunkt stehen. In der Migration gilt daher bei uns Herz und Härte: Wer Schutz sucht und braucht, bekommt unsere Unterstützung. Wer sich nicht an unsere Regeln hält, hat sein Recht zu bleiben, verwehrt. Da macht etwa auch unser Sonderstab Gefährliche Ausländer eine klasse Arbeit für unsere Sicherheit. Unsere zuständige Ministerin Marion Gentges und Staatssekretär Siegfried Lorek stehen für einen klaren Kurs in der Migrationspolitik – sie konnten etwa die Zahl der Abschiebungen vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer und der freiwilligen Ausreisen 2024 um mehr als 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigern. Auch das zeigt: Wir als CDU brauchen keine Brandmauer, wir sind die Brandmauer. Wir schauen vor allem aber auch hinter die Mauer, versuchen den Brand zu löschen und Lösungen für die drängenden Probleme zu finden.

Aber wie soll es denn nach den Bundestagswahlen weitergehen, wenn man sich jetzt schon so in die Haare kriegt?

Gutting: Ein wichtiger Punkt. Wir stellen uns auch diese Frage auch, denn am Tag nach der Wahl müssen wir zusammenarbeiten. Alle appellieren an die traditionellen demokratischen Parteien. In der Fraktion hat man uns über die Gespräche mit den anderen Parteien berichtet, die sich gegenseitig beleidigt hätten.

Hagel: Was mir ziemlich Sorge bereitet, ist diese völlige Entgrenzung der Sprache in historischen Beispielen. Da hören wir von den Grünen, dass das der schlimmste Tag seit 1933 war. Geht‘s eigentlich noch? Es geht jetzt um Führung für unser Land: Der klarer Kurs braucht einen klaren Kopf. Demokraten müssen ihre Worte jetzt sehr klug wägen. Wer die Leute jetzt in Scharen auf die Bäume treibt, sollte auch überlegen, wie er sie dann wieder runterbekommt. SPD und Grüne finden im Moment überhaupt kein politisches Thema, das ihnen Luft unter die Flügel gibt. Nachdem sie unser Land drei Jahre lang an die Wand gefahren haben, sagen sie jetzt: Bitte wählt uns, wir wollen so weitermachen. Deshalb haben sie jetzt zur Mobilisierung eine Zusammenarbeit zwischen CDU, FDP und AfD herbeiphantasiert. Um es nochmal ganz klar zu sagen: Mit der Truppe um Höcke, Weidel und mit der AfD gab es, gibt es und wird es keine Zusammenarbeit geben. Mit diesen Leuten haben wir nichts zu tun. Wir treten an, um die AfD zu schlagen. Das heißt aber auch, dass der Fixpunkt für unsere Politik nicht die AfD oder anderen Parteien sind. Der Fixpunkt sind die Menschen in unserem Land. Deshalb folgt unsere Politik unseren eigenen Überzeugungen, unseren eigenen Werten und unserer eigenen Haltung. Das Richtige wird dann auch nicht dadurch falsch, nur weil die Falschen sagen, dass es richtig ist.

Herr Gutting, nun kann ich mich erinnern, dass Sie auch nicht immer ein großer Fan gewesen sind von der Migrationspolitik der Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sind Sie jetzt zufrieden?

Gutting: Ich habe diese Art der Migrationspolitik schon seit 2015 immer wieder kritisiert. Nich ich alleine, sondern auch viele andere in der CDU. Und es hat gedauert. Aber manchmal dauert eine Demokratie eben etwas länger. Umso zufriedener bin ich jetzt. Man kann Fehler machen, aber man muss sie dann halt auch korrigieren.

Es ist ja jetzt erst mal Bundestagswahl, aber bald geht‘s auch Richtung aus Landtagswahl. Bei den Grünen hat sich Cem Özdemir schon positioniert. Als CDU-Landesvorsitzender steht Ihnen ja quasi der Erstzugriff auf die Spitzenkandidatur zu. Machen Sie es?

Gutting: Er muss es machen. Wir lassen ihn da nicht mehr raus.

Hagel: Seit gut zwei Jahren liegen wir stabil auf Platz eins. Wer zweiter war, der muss doch erster werden wollen. So muss das doch sein – mit diesem sportlichen Ehrgeiz gehen wir an die Sache ran. Wir sind keine Dogmatiker sondern fröhliche Pragmatiker. Das spüren die Menschen im Land, dass wir einfach das Beste im Sinn haben. Andere sind eine Ein-Mann-Bewegung, wir sind ein Team. Das heißt, dass wir unsere Entscheidungen gemeinsam besprechen, sie gemeinsam treffen und als starke Mannschaft in den Wahlkampf gehen. So machen wir das auch mit der Frage des Spitzenkandidaten. Aber ganz ehrlich: Das interessiert doch im Moment niemanden. Dass die Grünen vor zwei Monaten und damit eineinhalb Jahre vor der Wahl den Landtagswahlkampf ausgerufen haben, ist ihre Sache. Unser Versprechen ist: Wir regieren unser Land stabil und verlässlich bis zum Schluss und machen nicht ein Jahr Dauerwahlkampf. Jetzt packen wir aber erstmal die Bundestagswahl an und kämpfen für ein starkes Ergebnis für die Union und unsere Kandidaten wie Olav Gutting.

Welche Position hat Baden-Württemberg eigentlich im Bund?

Hagel: Ob unter Lothar Späth, Erwin Teufel oder Günther Oettinger – die CDU hat gut regiert und vor allem auch die Interessen des Landes im Bund vertreten. In den letzten drei Jahren haben wir sehr darunter gelitten, dass die Interessen Baden-Württemberg am Berliner Kabinettstisch einfach nicht vertreten wurden. Zum Glück gibt es neben dem Bundestag den Bundesrat. Da hatte Baden-Württemberg lange Zeit eine gewichtige Stimme, war gemeinsam mit den Bayern das aktivste Bundesland, wenn es um Entscheidungen und Anträge ging. Das muss künftig wieder so sein. Da müssen wir wieder runter von der Zuschauerbank, rauf aufs Spielfeld, um uns aktiv einzubringen. Das Gleiche gilt für Europa.

Wie sehen Sie Schwarz-Grün im Bund?

Hagel: Die Grünen im Bund unterscheiden sich sehr von Winfried Kretschmann hier im Land. Da ist diese grüne Hybris in Berlin, die unser Land so tief gespalten hat, diese Politik des ewigen Moralisierens, des erhobenen Zeigefingers, die Angst macht und den permanenten Hang zur Bevormundung hat. Das trifft einfach überhaupt nicht das Lebensgefühl der Menschen in Baden-Württemberg. Unser Hauptthema im Moment ist, dass unsere Wirtschaft wieder Aufwind bekommt. Wenn wir da über Lösungen sprechen, sind die Grünen in Berlin eher Teil des Problems, als dass sie zur Lösung beitragen. Es gibt ja auch kaum einen schärferen Kritiker an den Grünen in Berlin als Winfried Kretschmann selbst. Von diesen ganzen Koalitionsspekulationen vor Wahlen halte ich gar nichts. Wir wollen jetzt wieder zeigen mit unserer bürgerlichem Politikansatz. Dann haben die Wähler das Wort und dieses Wahlergebnis nehmen wir an, werden es lesen und dann das Beste daraus machen. Am Ende ist für mich als Parteivorsitzender die Koalition dann am geeignetsten, mit der wir am meisten unserer Inhalte durchsetzen können.

Was können Sie denn im Land tun, um die Wirtschaft wieder in Gang zu setzen. Bosch, Daimler Truck – alle kündigen Entlassungen an?

Hagel: Wir müssen die Rahmenbedingungen verbessern und die Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen. Der Automotive-Bereich steckt in der Krise. Jedes Ampeljahr gingen 100.000 Industriearbeitsplätze verloren. Das sind ganz konkrete Schicksale als Folgen falscher Wirtschaftspolitik. Wir bauen die besten Autos, haben die besten Ingenieurinnen und Ingenieure sowie die besten Facharbeiterinnen und Facharbeiter der Welt. Jetzt braucht es Transformation mit Taktgefühl. Wir waren den letzten Jahren viel zu groß im Kleinen und viel zu klein im Großen. Unser Land braucht Wirtschaftskompetenz – dafür steht die Union.

Bei den ganzen internationalen Herausforderungen von Trump bis China kann man sich schon fragen: Was erzählen CDU-Politiker ihren heranwachsenden Kindern, die sagen „wir haben nur diese eine Welt und müssen das Klima schützen?

Hagel: Da bin ich erstmal froh, dass sich meine Jungs dafür interessieren. Ich war Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, bin Jäger und hab viel Zeit in meiner Kindheit auf dem Bauernhof meiner Großeltern verbracht . Mir bedeutet unsere Umwelt sehr viel. Klimaschutz ist Heimatschutz – das war immer unser Thema als CDU. Wenn wir durch unsere Wälder laufen und über unsere Felder gehen, dann sehen wir, dass sich was verändert. Es geht um den deutschen Wald und um unsere Bauernfamilien wie hier etwa mit diesem wunderbaren Spargel in der südlichen Kurpfalz. Im Moment sehen wir doch, dass eine Umweltpolitik, die sich auf Verbote und Vorschriften beschränkt, unserer Umwelt nicht helfen und der Wirtschaft gleichzeitig sehr schaden. Wir werden Innovationen und Technologieoffenheit schaffen und ein Geschäftsmodell daraus machen, das wir in alle Welt exportieren können. Damit die großen Schwellenländer der Welt wie Brasilien, Indien oder Mexiko sehen, dass mit konservativ inspirierter Umweltpolitik Wirtschaftswachstum verbunden ist. Dadurch können wir zum Vorbild werden. Wir haben es doch schon einmal gezeigt, dass das gelingen kann. Daran wollen wir Christdemokraten anknüpfen. Unsere Idee von Umweltpolitik macht den Menschen Mut und lädt sie dazu ein, gemeinsam anzupacken. Das ist unser Versprechen.

Was würden Sie als Oberschwabe den Menschen in Nordbaden versprechen wollen – falls Sie Ministerpräsident werden?

Hagel: Ich bin da vielleicht etwas altmodisch. Ich verspreche nur das, was ich auch halten kann. Hier in der Region bin ich sehr gerne – wegen der tollen Landschaft und der intakten Natur, dem wunderbaren Essen, den tollen Traditionen. Es ist vor allem das Lebensgefühl der Menschen in der Kurpfalz, die einfach gut drauf sind. Den Kurpfälzerinnen und Kurpfälzern bereutet ihre Heimat was. Die Leute hier wissen, dass Tradition und Innovation keine Widersprüche sind, sondern ineinander übergehen. Und genau für diese Menschen wollen die Christdemokraten Politik machen. Da geht es nicht um Schwaben, Badener oder Kurpfälzer. Mir geht es um Männer und Frauen, Arbeiter und Wissenschaftler, Jüngere und Ältere. Wir wollen die Klammer sein, die unser Land zusammenhält. Ach ja: Ich finde den Dialekt hier super – und telefoniere auch deshalb gerne mit Olav Gutting. Wenn es um Dialekte geht, weiß ich ja auch wirklich, wovon ich schwätz.

Noch eine Frage zur Region. Wie stehen Sie eigentlich zur Geothermie. Der Grüne Staatssekretär Baumann ist ein starker Befürworter. Ihr Fraktionskollege Andreas Sturm sieht es eher kritisch, weil die Menschen Angst um Schäden an ihren Häusern haben?

Hagel: Es zeichnet Olav Gutting und Andreas Sturm aus, dass sie genau hinschauen, anpacken und Dinge unvoreingenommen beurteilen. Deshalb schätze ich beide so. Es ist völlig klar, dass man in der Energieversorgung auch neue Wege gehen muss. Wer immer nur sagt, wo er aussteigt aber nie wo er einsteigt, streut doch den Menschen Sand in die Augen. Wir sehen unsere Aufgabe darin, wach auf unser Land zu schauen. Das heißt, dass wir Ängste und Befürchtungen vor Ort nicht einfach so wegplanieren. Deshalb machen wir die Dinge immer entlang von Fakten, mit Pragmatismus, gesundem Menschenverstand und vor allem im Einvernehmen mit der Region.

Welche Dinge könnten denn in Sachen Energieversorgung noch helfen? Vielleicht Biomasse aus der Landwirtschaft?

Hagel: Um die Energiepreise zu senken, wollen wir die Stromsteuer und die Netzentgelte absenken für eine Entlastung von mindestens 5 Cent pro kWh. Und alles, was Energie produzieren kann, muss jetzt auch ins Netz. Deshalb müssen wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz novellieren, vor allen Dingen für kleine Biogasanlagen. Die Produktion regenerativer und klimafreundlicher Energie und der Netze müssen wir ermöglichen – dezentral und regional. So können Energiepartnerschaften zwischen Kommunen, Energieversorgern und der Landwirtschaft entstehen. Was mir im Kontext Landwirtschaft auch wichtig ist: Die Landwirte brauchen eine Entlastung von der überbordenden Regulierung. Mit der Agrardiesel-Rückvergütung werden wir schnell wieder für Entlastung sorgen. Diese ideologische Politik des Bundeslandwirtschaftsministers hat den ländlichen Raum tief gespalten. Uns geht es darum, zusammenzuführen und vor allem durch ein Belastungsmoratorium und den Bürokratierückbau unseren Bäuerinnen und Bauern Stabilität und Sicherheit für die nächsten zehn, fünfzehn Jahre zu geben. Das ist vor allem für junge Landwirtinnen und Landwirte entscheidend, damit sie Investitionssicherheit haben.

Bürokratie spielt auch bei den Kommunen eine große Rolle, wenn es um Zuschussanträge geht.

Gutting: Dieses Bürokratie-Moratorium und deren stückweise Rückbau trifft nicht nur die Wirtschaft, sondern vor allem die Verwaltung und auch das Ehrenamt. Die Vorsitzenden in den Vereinen können bald nicht mehr. Aber eines ist klar: Wenn die Wirtschaft in Deutschland weiter im Rückwärtsgang bleibt, dann kann auch die Finanzkraft der Kommunen nicht mehr wiederhergestellt werden. Deswegen müssen wir uns auf die Wirtschaftswende konzentrieren.

Hagel: Ich bin Gemeinderat und im Kreistag bei mir Daheim. Da spüre ich diese Themen aus der kommunalen Brille ganz konkret. Wir müssen wieder mehr Freude an der Eigenverantwortung entwickeln. Wir wollen wieder eine Kultur, in der wir einander vertrauen. Wenn der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern vertrauet, braucht er auch nicht diese ewigen Dokumentationen zur Kontrolle. Wenn wir allein auf große Teile dieses Dokumentationswesens verzichten, würden wir eine große Last von den Schultern der tüchtigen Menschen im Land nehmen. Alles, was nicht unbedingt sein muss an Regulierungen, muss jetzt auch weg. Wir fangen beim Thema Bürokratie vor allem bei uns selbst an: Wir wollen die Zahl der Regierungsbeauftragten im Bund halbieren – für einen schlankeren und effizienteren Staat. Wir halten es da mit dem heiligen Franz von Assisi: „Tu zuerst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst Du das Unmögliche.“

Und die europäischen Regelungen?

Gutting: Da ist ja die letzten drei Jahre nichts passiert von Deutschland aus. Wir sind ja die Industrienation und nicht eine politische Gruppe. Am Samstag hatte Friedrich Merz EVP-Kollegen nach Berlin eingeladen und genau diese Themen besprochen. Ich habe ihm noch das Thema Bürokratieabbau aus dem Wahlkampf gegeben – zum Beispiel bei grenzüberschreitenden Unternehmen im Elsass. Da müssen wir was tun. Wir haben die Chance. Wir haben in Europa mit 14 EVP-Chefs Regierungsverantwortung und mit Ursula von der Leyen die Chance, Regulierungen abzubauen. Wir brauchen halt international mal wieder mehr Gewicht. In den letzten Jahren wurde mit Frankreich gestritten und die Polen hat man beleidigt. Wir brauchen ein intaktes Weimarer Dreieck, um echte Europapolitik zu machen und dann auch selbstbewusst Donald Trump entgegentreten zu können. Wir müssen doch im deutschen Interesse die europäischen Interessen in der Welt vertreten. Aber da ist Friedrich Merz der Richtige mit seinen transatlantischen Erfahrungen, seiner Vernetzung in der amerikanischen Politik und in der amerikanischen Zivilgesellschaft. Wir müssen einen Handelskrieg mit China und mit den USA unter allen Umständen vermeiden. Unsere mittelständische Wirtschaft in Baden-Württemberg und Deutschland braucht den Freihandel wie die Luft zum Atmen.

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

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