Geschichte und Geschichten

Herbert Baumann aus Schwetzingen öffnet die Fotoalben seiner Gastronomenfamilie

Herbert Baumann (85) zeigt in den Alben seiner Gastronomenfamilie Fotos aus alten Zeiten mit großen Empfängen und Besuchen von Königen und Bundespräsidenten - mit uns schwelgt er in Erinnerungen.

Von 
Katja Bauroth
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Herbert Baumann ist mit seinem Sohn Andre in die Redaktion gekommen. Der85-Jährige hat sogar ein Stück des Leinentuchs dabei, das einst Tapete in der Kurfürstenstube war – „hergestellt in Frankreich“, erzählt er. © Bauroth

Schwetzingen. Nächste Woche Freitag beginnen die Schwetzinger SWR Festspiele. Dann werden hochkarätige Klassikkonzerte und Aufführungen im Rokokotheater und in den Zirkelsälen Besucher aus nah und fern in das Schloss und den Schlossgarten Schwetzingen locken. Herbert Baumann kennt das alles nur zu gut, wuchs er doch mittendrin auf. Seine Eltern, Konditormeister Christian Baumann und dessen Frau Marie, führten einst das Schlosscafé, das heutige „Theodors“, sowie die „Kurfürstenstube“. Sie pachteten die Lokalitäten 1938 und die Familie verwöhnte dort 30 Jahre lang ihre Gäste. Im Zuge der Diskussion um die (zurückgenommene) Namensänderung rund ums Rokokotheater packte der 85-jährige Schwetzinger Alben und alte Gästebücher aus. Gemeinsam mit Sohn Dr. Andre Baumann kam er in die Redaktion, um Erinnerungen aufleben zu lassen und zu teilen.

Ein Empfang bei den Festspielen mit Schwetzingens Altbürgermeister Kurt Waibel (am Mikrofon). Die Damen tragen festliche Kleider, die Herren edle Anzüge und zumeist Fliege. © privat/Repro Bauroth

„Meinem Vater wurde damals vom Verpächter, dem Regierungspräsidium, vorgeschrieben, welches Geschirr er anschaffen muss“, fällt Herbert Baumann gleich beim Blick auf das erste Foto mit einer stilvoll gedeckten Kaffeetafel ein. „Rosenthal Sanssouci, handbemalt“, ergänzt er noch Hersteller und Kollektion. Die vergilbten Seiten der dicken Alben sind greifbare Geschichte aus drei Jahrzehnten – ein echter Schatz. Manche Bilder werden in den Erzählungen von Herbert Baumann so lebendig, als seien sie gestern passiert, manches ist im Laufe der Zeit freilich schon verblasst. Es gab große Familienfeste wie Hochzeiten und runde Geburtstage, auch Tanzveranstaltungen wie den Ärzteball mit 850 Teilnehmern („Da haben wir acht Tage lang das kalte Buffet vorbereitet“). Viele Schwetzinger Vereine wie der Männergesangverein Liederkranz und der Schnauferl-Club hielten der Gastronomenfamilie die Treue und gingen die Entwicklung vom schönen Café hin zu einem eleganten Theater-Restaurant („Das beste Haus am Platz“) mit.

König Saud von Saudi-Arabien besuchte am 14. September 1957 das Schlossrestaurant. Er galt damals als einer der reichsten Männer der Welt. © privat/Repro Bauroth

Goebbels im Gästebuch und was ein Armleuchter damit zu tun hat

Und in das kamen natürlich auch bekannte Menschen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und vor allem Kunst sowie Kultur – auch während der dunkelsten Zeit Deutschlands. Ganz vorne im Gästebuch hat sich Paul Joseph Goebbels (1897 – 1945) verewigt. Der einstige Reichspropagandaleiter in der Zeit des Nationalsozialismus war mit dem japanischen Botschafter Hiroshi Oshima am 11. Juli 1939 im Schloss zu Gast. „Als Goebbels mit seinem Wagen vorfuhr, machte mein großer Bruder Hans Fotos aus dem Saal hinaus und kommentierte: ,Jetzt habe ich den Armleuchter fotografiert.‘“ Diese zweideutige Aussage brachte Hans Baumann in Bedrängnis. Andre Baumann ergänzt: „Zwischen den Fenstern hingen wirklich Armleuchter . . .“

In dem Zusammenhang kommt noch eine Erinnerung: „Mich hat man als Baby mal im Schlossgarten unter den Bäumen vergessen“, berichtet Herbert Baumann, dass seine „Babysitterinnen“ vom „Bund deutscher Mädel“ wohl von diversen Festivitäten (und männlichen Besuchern) abgelenkt waren. Glücklicherweise sei ihm nichts passiert. Und: „Gauleiter kamen regelmäßig ins Schlossrestaurant zum Essen. Einer wollte mal einen Schwan gebraten haben“, erzählt Herbert Baumann von kulinarischen Sonderwünschen in Adelsmanier.

Marie Baumann war drei Jahrzehnte die Chefin der Schlossgastronomie. Hier prüft sie noch einmal Details einer festlich gedeckten Hochzeitstafel. © privat/Repro Bauroth

Nach dem frühen Tod seines Vaters im Jahr 1956 managte die Mutter mit der Tochter Rosi (Hassler) und den Söhnen, von denen zwei die Konditormeisterprüfung bereits abgelegt hatten, darunter Herbert, die Gastronomie. „Ich habe an manchen Tagen bis zu drei Zentner Spargel geschält und war zum Teil schneller als manche Frau“, lässt die beginnende Spargelzeit in Schwetzingen mühevolle Szenen aus Küchenzeiten aufblitzen.

Franz Huth bezahlt Aufenthalt in Schwetzingen mit Bildern

Nicht jeder hat übrigens für Speis und Trank mit Geld bezahlt. Professor Franz Huth, der unter dem Titel „Ein Maler sieht Schwetzingen“ 1950 eine viel beachtete Ausstellung in der Stadt hatte, tilgte seine Rechnung bei der hilfsbereiten Marie Baumann mit von ihm gefertigten Bildern.

Schlossrestaurant in den 1950er/60er Jahren: Das Buffet ist üppig. Familie Baumann hat mit ihrem Team alles für die Gäste gerichtet. © privat/Repro Bauroth

2733 DM bezahlte dagegen der Südwestdeutsche Rundfunk für den Empfang mit dem Bundespräsidenten Professor Theodor Heuss (1884 – 1963) im Jahr 1952, der sich die Ehre zu den „Festlichen Operntagen“ gab. Damals kostete die Tasse Kaffee 60 Pfennige. Ordentlich gepafft wurde an dem Abend auch: 970 Zigaretten (eine kostete zwischen 10 und 15 Pfennige) und 245 Zigarren (40 bis 50 Pfennige) qualmten die Gäste – gut, Theodor Heuss war für seinen Tabakkonsum ja hinreichend bekannt.

Die Unterschrift von Theodor Heuss (rot umrahmt), der die „Festlichen Operntage“ 1952 besuchte. © Bauroth

Die Berolina-Filmgesellschaft war 1953 mit vielen Mitwirkenden vor Ort, darunter auch die unvergessliche Heimatfilm-Legende Eva Probst (1930 – 2018), bekannt als weibliche Hauptrolle in „Ich hab’mein Herz in Heidelberg verloren“ (1952). Auf diesen Seiten hält Herbert Baumann lange inne, war die Zeit doch besonders schön, wie auch Festspiele jedes Jahr. „Als Kind bin ich im Theater groß geworden“, erzählt der 85-Jährige von vielen Generalproben, die er miterleben durfte. Opern wie Mozarts „Entführung aus dem Serail“ faszinierten ihn schon damals. Durch das Erleben von großen Opernsängern wie Hermann Prey (1929 – 1998) oder Fritz Wunderlich (1930 – 1966) festigte sich die Liebe zur klassischen Musik. Und die hält bis heute an.

Autor Katja Bauroth liebt Begegnungen und Storys - im Lokalen und auf Reisen.

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