Schwetzingen. Mittwochnachmittag am Schwetzinger Schlossplatz – die Ereignisse überschlagen sich. Umweltstaatssekretär Dr. Andre Baumann sitzt gerade zu einem Redaktionsgespräch bei uns. Natürlich ist auch das Rokokotheater ein Thema. Er betont aber deutlich, dass er es lieber hätte, wenn wir wichtigere Dinge diskutieren würden und wenn seine Landtagskollegen Sturm, Jung und Born ihm bei Zukunftsthemen zur Seite stehen würden – und nennt Bahntrasse, Energiepolitik, Klimaschutz und Flüchtlingspolitik als Beispiele.
Da schneit plötzlich eine E-Mail der Staatlichen Schlösser und Gärten (SSG) ins Haus, in der Geschäftsführer Michael Hörrmann verkündet, dass die SSG die zum 300. Geburtsjubiläum von Nicolas de Pigage am 3. August 2023 geplante Umbenennung in Pigage-Theater nicht weiterverfolgt. Auch der geplante öffentliche Termin für einen Bürgerdialog am 13. Dezember falle aus.
Hörrmann: „Denkmalerhalt ist nur mit Unterstützung aller Bürger langfristig erfolgreich. Die Diskussion der letzten Tage drohte das enge Band zwischen Schloss und der Bevölkerung Schwetzingens zu beschädigen. Der geplante Diskussionsabend am 13. Dezember hätte den Konflikt in der jetzigen Situation weiter verstärkt und nicht befriedet. Das kann ich gerade jetzt am Ende meiner beruflichen Laufbahn nicht verantworten. Dazu liegen mir das Schloss und der Schlossgarten zu sehr am Herzen.“
Andre Baumann zeigt sich froh über das Einsehen der SSG: „Das Rokokotheater bleibt Rokokotheater. Das begrüße ich als Abgeordneter der Grünen sehr. Ich bin froh, dass diese Debatte vom Tisch ist und das bekannte Theater im Schwetzinger Schloss seinen Namen behält.“ Baumann hatte sich direkt ans zuständige Finanzministerium gewandt und die Hausspitze und seine Kollegin Splett gebeten, die Namensänderung rückgängig zu machen. „In der Region ist der Name Rokokotheater verankert und die Entscheidung der Staatlichen Schlösser und Gärten trifft auf völliges Unverständnis bei der Mehrheit der Bevölkerung. Die Frage nach dem Namen war und ist eine politische und keine fachliche Entscheidung. Darum ist es gut, dass die Spitze des Ministeriums politisch entschieden hat“, sagt Baumann unserer Zeitung noch.
Erfreut über die Entscheidung zeigt sich auch Landtagsabgeordneter Andreas Sturm (CDU), der am Freitag auf dem Schlossplatz eine Unterschriftenaktion für den Erhalt des weltbekannten Namens Rokokotheater starten wollte. „Ich danke SSG-Geschäftsführer Michael Hörrmann für die nunmehr getroffene Entscheidung. Das ist in meinen Augen auch die einzig richtige mit Blick auf die Identifizierung der Bevölkerung mit dem Namen Rokokotheater, auf die historische Bedeutung und auf den dessen Marktwert.“ Er dankt auch den Bürgern, die sich angeboten haben, Unterschriften zu sammeln. Die jetzige Entscheidung zeige, dass man zusammen viel bewegen könne.
„Es ist eine sehr gute Nachricht, dass in der grün-schwarzen Landesregierung die Vernunft eingekehrt ist und das Rokokotheater nicht umbenannt wird“, sagt der FDP-Landtagsabgeordnete Christian Jung: „Für die zukünftigen Führungskräfte der SSG ist es sinnvoll, wenn man sich mehr mit der Archivarbeit und der kurpfälzischen Mentalität sowie der Geschichte des Schwetzinger Schlosses auseinandersetzt. Dann kommt es auch nicht wieder zu problematischen Umbenennungsplänen, die niemand nachvollziehen kann und dann von der Landesregierung im Stillen einkassiert werden müssen.“
„Es ist eine gute Nachricht, dass die Umbenennung des Rokokotheaters jetzt vom Tisch ist“, reagiert auch Landtagsabgeordneter Daniel Born (SPD) per Pressemitteilung. Er hatte sich im Streit um die Umbenennung mit einem eindringlichen Brief an Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) gewandt. Dass die Schlösserverwaltung die Reißleine gezogen habe, begrüßt er ausdrücklich: „Auch hier zeigt sich wieder: Wer nicht rechtzeitig den Dialog mit den Bürgern sucht, kann in einer Demokratie mit seinen Vorschlägen nicht bestehen“, so der Landtagsvizepräsident.
Rokoko bleibt Rokoko: CDU kritisiert das Vorgehen
Zuvor hatten die Redaktion am Mittwochmorgen noch Stellungnahmen erreicht, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten möchten. So schreibt die CDU Schwetzingen: „Große Verwunderung herrschte bei uns, als die SSG in der Schwetzinger Zeitung über die Pläne zur Umbenennung des Rokokotheaters in Pigage-Theater informierten. Wir haben über das Thema im Vorstand und in der Fraktion diskutiert. Klar ist: Als CDU Schwetzingen lehnen wir die geplante Umbenennung entschieden ab. Aus unserer Sicht sind sowohl die Umbenennung und die Begründung als auch das Vorgehen der Staatlichen Schlösser zu kritisieren“, erklärt CDU-Vorsitzender Nils Melkus. Auch die CDU-Stadträte Sarina Klein, Rita Erny, Markus Bürger, Susanne Bertrand-Baumann, Ulrich Renkert und Dr. Horst Herrmann melden sich zu Wort: „Das Rokokotheater ist in Verbindung mit dem Schloss und dem Garten ein Aushängeschild für Schwetzingen und unter anderem durch die SWR-Festspiele national und international bekannt. Der Name ist seit Jahrzehnten etabliert. Ohne Notwendigkeit jetzt das Rokokotheater umzubenennen, das würde das Schloss als Marke und den Tourismusstandort Schwetzingen schwächen. Das lehnen wir als CDU-Fraktion dezidiert ab“, so Fraktionsvorsitzende Sarina Klein. Außer Frage stünden die Verdienste von Pigage um das Schloss als Architekt des Theaters. Es gebe in der Stadt bereits eine Pigage-Straße und einen Pigage-Platz. „Wenn die Absicht besteht, Pigage zu seinem 300. Geburtstag zu ehren, gibt es alternative Möglichkeiten“, so Klein.
Als besonders befremdlich erachten die Christdemokraten die Begründung. „Die Behauptung, die Bezeichnung Rokokotheater sei in der NS-Zeit durch die Zeitung ,Hakenkreuzbanner‘ eingeführt worden, ist falsch. Das ist inzwischen belegt. Das Rokokotheater wurde bereits lange zuvor so bezeichnet“, sagt Melkus. „Jetzt wird von den Staatlichen Schlössern behauptet, der Name habe sich in der NS-Zeit etabliert. Das ist ein Wechsel der Argumentation. Es drängt sich der Eindruck auf, dass diese Vorgehensweise wider besseren Wissens bewusst gewählt wurde, um keine Diskussionen um die Umbenennung aufkommen zu lassen. Die Verbindung zur NS-Zeit, die unbegründet und mit Fakten nicht zu belegen ist, hat dem Schloss und der Stadt geschadet.“
Auch an der Vorgehensweise gibt es Kritik: „Wir bedauern sehr, dass im Vorfeld nicht der Dialog mit den Bürgern gesucht wurde und wir stattdessen vor vollendete Tatsachen gestellt werden sollten“, sagt Sarina Klein.
Rokoko bleibt Rokoko: Altstadträte fordern Rücknahme
Auch vier Altstadträte hatten sich gemeldet: Kerstin Nötting, Walter Imhof, Heinz Schlesinger und Achim Nassner argumentieren: „Aus unserer Sicht kann es nicht sein, dass die Umbenennung des Rokokotheaters nunmehr auf die Namensgebung im Dritten Reich reduziert wird. Zumal die Argumentationen wie so oft auf eines hinauslaufen: Die einen sagen so, die anderen sagen so. Die Schwetzinger Zeitung hat über das historische Pingpong der Akteure ausführlich berichtet. Nach unserer Auffassung geht es hier um eine ganzheitliche Betrachtungsweise. Nicht nur um einen Punkt, an dem die ganze Sache jetzt emotional festgemacht werden soll. Und der seit Jahrzehnten niemanden auf den Plan gerufen hat mit der Ansicht, eine Umbenennung sei dringend geboten. Das Rokokotheater ist eine weit über die Region hinaus bekannte, geschätzte und etablierte Marke mit Klang und Glanz, und dazu eng mit Schwetzingen verbunden. Wir schauen mit Stolz und Verbundenheit auf unser Rokokotheater. Es gibt keinen Grund, das zu ändern“, so die Altstadträte.
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