70 Jahre lang hat Walter Hackmayer seine Leidenschaft gelebt. Nun wird er in zwei Monaten 84 Jahre alt – und schweren Herzens will er sich von seiner Modelleisenbahn verabschieden. „Drei Holzplatten stehen auf acht Stahlfüßen, da kann ich nicht mehr drunter krabbeln. Mein Rücken ist kaputt und wenn ich mich zwei Minuten über die Bahn beuge, muss ich mich wieder hinlegen.“
Sein Sohn Thomas – der in Schwetzingen wohnt und die Liebe zur Modelleisenbahn mit seinem Vater in seiner Jugend teilte, hatte diese Idee schon vor ein paar Jahren. „Im ersten Moment, als er das gesagt hat, hab ich gesagt: „Nur über meine Leiche“, erinnert sich der Senior und lacht. Dann wird seine Stimme etwas nachdenklicher und leiser: „Aber ich kann doch nicht mehr so viel machen, und vielleicht freut sich ja jemand anderes darüber.“
Mit 14 Jahren hat er eine Lok, zwei Waggons und ein Oval von seinen Eltern geschenkt bekommen. „In unserer kleinen Wohnung war allerdings kein Platz, um sie aufzubauen. Deshalb habe ich das nur an Weihnachten auf dem Boden gemacht.“ Nach den Feiertagen habe er dann alles wieder abgebaut – bis zum nächsten Jahr.
Spielgefährte kommt auf die Welt
Als er dann schließlich heiratete, mit seiner Frau zusammenzog und sein Sohn Thomas 1958 auf die Welt kam, hatte er einen Spielgefährten. „An Ostern, Weihnachten oder auch am Geburtstag hat er immer etwas dazubekommen“, erzählt er. Aber auch in dieser Wohnung im vierten Stock war der Platz zu klein. „Dort haben wir es ebenso nur an Weihnachten aufgebaut. Allerdings vor dem Blumenfenster – und weil meine Frau die Blumen dann nicht mehr richtig gießen konnte, musste es dort weg.“
Dann erfüllte er sich 1983 selbst einen Traum: Das Haus wurde gebaut – und ein Hobbyraum für Walter Hackmayer eingerichtet. 40 Quadratmeter nur für ihn. „Hier hatte ich meinen Plattenspieler, einen Projektor – und natürlich meine Modelleisenbahn.“ Seit diesem Tag musste er sie nie wieder abbauen.
20 Jahre habe Hackmayer bei Daimler Benz gearbeitet, als er dann die Rente antrat, konnte er sich seiner Leidenschaft vollends widmen.
„Dann habe ich ziemlich viele zusätzliche Dinge gekauft und angebaut. Oberleitungen, 40 Häuser, zehn Lokomotiven, elektrische Krane, drei Mal drei Meter ist die ganze Anlage etwa groß“, sagt er. Nun wird die Landschaft abgebaut. „Der Wasserschaden in meinem Keller hat dem Ganzen den Ausschlag gegeben.“ Alles müsse erst mal aus dem Raum raus – auch die Modelleisenbahn. Eine gute Zeit, um sich von seinem Hobby zu verabschieden. Die Lokomotiven sind schon in ihren Originalschachteln verschwunden. „Ich habe auch eine Dampflokomotive, das sieht toll aus, wenn die aus dem Tunnel fährt.“ Die Schienen und Häuser stehen noch.
Und was ihn an der Bahn eigentlich so fasziniert? „Als mein Sohn damit gespielt hat und Spaß hatte. Außerdem hat es mich beruhigt. Man kann ja nicht immer nur Fernsehen“, sagt er und schmunzelt. Allerdings müsse man dabei aber etwas denken: „Wie groß bau ich das und in was für eine Form? In die Mitte von der Eisenbahn habe ich eine Autobahn gebaut.“ Außerdem gibt es auch Lkw mit Anhänger und einen Bus, die elektrisch fahren. All das habe er analog gebaut. „Ich habe mir viele Bücher gekauft und rumprobiert. Vieles hat nicht auf Anhieb geklappt, aber dann hab ich einfach zwei Tage abgewartet und es noch mal versucht. Wenn man Modelleisenbahner ist, ist man längere Zeit dabei“, weiß er.
Seine erst Lokomotive – die TP800 – hat er 1952 bekommen. Damals habe sie 55 Mark gekostet. Vor etwa zwölf Jahren habe er sie zur Märklin-Reparatur gebracht. Die Kosten: 320 Mark, weil zwei Schrauben abgebrochen waren. „Erst habe ich gedacht, dass ist es gar nicht Wert. Allerdings haben mir die Mitarbeiter von der Reparatur dann gesagt, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits 1500 Mark Wert war. Dann hab ich sie repariert und sie läuft immer noch wie neu.“ Wie viel sie jetzt Wert sei, wisse er noch nicht – aber er versuche es gerade herauszufinden. Neben seinen 35 Waggons hat er natürlich auch ein Krokodil – „das sollte jeder Modelleisenbahner haben“.
Seine drei Elektrolokomotiven und die Rangierlok, die sogar an- und abkoppeln kann, sind außerdem Teil seiner Sammlung. Und was natürlich nicht fehlen darf: ein Bahnhof, mit Bahnhäuschen und sogar einer Schranke, die elektrisch auf- und zugeht. Auch eine Windmühle dreht sich auf der Anlage von Walter Hackmayer und eine Baustelle macht mit blinkenden Lämpchen auf sich aufmerksam. „Ich habe auch ein Sägewerk, aber das mache ich nicht so oft an, weil es schon sehr laut ist“, sagt er. Auf seinem kleinen Hocker habe er die vergangenen Jahrzehnte die Züge beobachtet, wie sie über die 13 elektrischen Weichen gefahren sind. Nun soll es einen anderen Menschen so glücklich machen, wie es die Anlage bei ihm geschafft hat – oder vielleicht wächst sie ja dann sogar noch, wer weiß?
Info: Weitere Bilder der Anlage unter www.schwetzinger-zeitung.de
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