Schwetzingen. Im ausgehenden 19. Jahrhundert schrieb der russische Komponist Modest Mussorgskij einen Klavierzyklus zu Gemälden und Zeichnungen seines im Jahr zuvor gestorbenen Freundes Viktor Hartmann. Das Werk wurde bekannt unter dem Namen „Bilder einer Ausstellung“. Der Komponist promenierte von einem Bild zum nächsten; diese Promenaden wurden durch ein musikalisches Thema wiedergegeben, das sich immer - in abgeänderter Form - wiederholte.
Das Silent Explosion Orchestra (SEO) unter der Leitung des jungen Kevin Naßhan eiferte dieser Idee nach und erschuf eine Suite für Bigband mit dem Titel „Paintings of an Exhibition“. Dirigent war Komponist und Arrangeur David Hveem aus Oslo, Norwegen.
Das 17-köpfige Orchester stellte das Werk im Lutherhaus in Schwetzingen vor. Die Veranstaltung wurde möglich durch die Unterstützung der Jazzinitiative Schwetzingen in Zusammenarbeit mit dem überregionalen, renommierten Enjoy Jazz Festival. Sie bildete den Abschluss der Schwetzinger Jazztage, die mit einem Konzert des polnischen Trios um den Pianisten Marcin Wasilewski begonnen hatten, danach waren Jazz-Workshops in der Musikschule gefolgt und als beliebter Höhepunkt der Kneipenjazz.
Mal analytisch, mal emotional
„Wir haben keine echten Picassos oder Monets dabei“, sagte Bandleader Kevin Naßhan bei der Begrüßung des Publikums im vollbesetzten Lutherhaus, „aber echte Musik“. Gleichzeitig entschuldigte er sich dafür, dass zwischen den Stücken keine Ansagen gemacht werden, denn durch die Aneinanderreihung der einzelnen Stücke sei quasi eine Suite entstanden, die man ungern unterbrechen wolle.
Im Vorfeld hatten sich sechs junge Komponisten jeweils ein Gemälde ausgesucht, das sie inspirieren sollte, Musik zu schreiben. Diese Gemälde wurden dann an die Wand auf der Bühne hinter den Musizierenden projiziert.
Genau wie Mussorgskij begann das SEO mit dem bekannten Leitthema der „Promenaden“ - in abgewandelter Version.
Das erste Bild war Wassilij Kandinskys „Komposition 8“(1923). Das Gemälde wird gesehen als Übergang vom deutschen Expressionismus zu neuen abstrakteren - in dem Fall geometrisch-mathematischen Sichtweisen - die Kandinsky später im Bauhaus vertrat. Der Komponist Manfred Honetschläger hat die irrationale Zahl Pi 3,141 … als Struktur für seine Komposition genommen und darauf Tonfolgen generiert. - Das zweite Bild war „Backgammon“ (1913/14) von Juan Gris. Er war Zeitgenosse von Pablo Picasso und wie dieser der kubistischen Bewegung zugewandt. Die Abwendung naturalistischer Sichtweisen hin zur Fragmentierung und Multiperspektive kubistischer Darstellungen übernahm Komponist Phillip Schug durch das Aufbrechen harmonischer Regeln, Taktwechsel, Hinwendung zur 12-Ton-Technik.
Deutlich weniger kopfständig und analytisch, dafür emotionaler wirkte Malte Schillers Musik zu Gustav Klimts „Der Kuss“ (1908), das dritte Bild. Das vierte Gemälde zeigte „Café-Terrasse am Abend in Ales“ von Vincent van Gogh (1888). Komponist Christian Papst erreichte eine romantisierende Stimmung mit kleinen Soli und Melodien durch ein Saxofon und das Anschwellen der Bigband-Musik. „Seerosen VII in Givenchy“ (1916) des Impressionisten Claude Monet waren das fünfte Bild, bunte Farbtupfer auf dunklem Grund, dargestellt in einer Perspektive. Kevin Naßhan hat die Malerei musikalisch übertragen durch Akkorde, deren Einzeltöne nur Halbtonabstände vorweisen - kleine Disharmonien, Wechsel von lauten und leisen Parts entsprechend der auf Kontrastwirkung beruhenden Bildkomposition. Das letzte Bild war „Der alte Gitarrenspieler“ von Pablo Picasso (1903) aus Picassos „blauer Phase“. Entgegen des tristen Motivs eines dem Tode nahen Musikers hat Kevin Naßhan ein lebensfrohes Musikstück dazu geschrieben mit Flamenco-ähnlichen Gitarrenklängen, rhythmischem Klatschen, einer Melodie auf der Trompete, die an Stierkämpfe erinnert, und mit temperamentvollen spanischen Rhythmen. Es war eine Fülle von Klischees, die einfach gut klingen und Spaß machen.
Das Werk „Paintings of an Exhibition“ zeichnete sich durch hohe Komplexität aufgrund unterschiedlicher Stilrichtungen des Jazz in Kombination mit Elementen der Neuen Musik sowie durch unterschiedliche Formen des Zusammenspiels (Bigband, Quartett, Duos) aus. „Paintings of an Exhibition“ ist ein abgeschlossenes Werk. Daher hatte die Zugabe thematisch damit nichts zu tun, aber das Orchester schenkte dem Publikum dennoch ein weiteres Stück: „Greenwich Village“ aus der letzten CD „Portraits of New York City“. Die „Paintings“ sind gerade als CD in der Mache und werden im neuen Jahr über die Website der Bigband zu erwerben sein.
Noch zwei Sessions
Die Jazzinitiative hat für dieses Jahr noch zwei Session im „Grünen Baum“ vorgesehen, und zwar an diesem Dienstag, 5. November, mit Professor Stephan Zimmermann und den „3 Unheimlichen Vier - Groovy Interaction“, und am 3. Dezember mit dem Alberto Menendez Quartett. Auf „Jazz zum Mittanzen“ kann man sich am 18. Januar mit Julian Seiler und dem Musikverein Plankstadt unter dem Motto „How Jazz was born“ freuen, auch dieses Konzert wird unter der Mitwirkung der Jazzinitiative organisiert.
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