Im Gespräch

Interview: Pianistin Sophie Pacini vor den SWR Festspielen

Pianistin Sophie Pacini gastiert im Mai bei den Schwetzinger SWR Festspielen im Schloss. Mit uns spricht sie über ihr neues Album "Bittersweet" und erstmals auch über ihre neue Liebe.

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Reinhard Franke
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Musik macht gute Laune – das sieht man hier bei Sophie Pacini. © Vitaliy Bachoco

Schwetzingen. „Ich habe den Weg einer Künstlerin gewählt, nicht den eines Stars“, sagt die Pianistin Sophie Pacini im Interview mit dieser Zeitung. Sie gastiert am Mittwoch, 28. Mai, ab 21.30 Uhr in der Musiksprechstunde bei den Schwetzinger SWR Festspielen im Schloss. Hier bei uns spricht sie über ihr neues Album „Bittersweet“ und erstmals auch über ihre neue Liebe.

Ihr Album heißt „Bittersweet“ – also „Bittersüß“ und enthält Ihre persönlichen Herzensstücke. Es gilt als Ihr bisher persönlichstes Werk. Warum?

Pianistin Sophie Pacini an ihrem Flügel. © Susanne Krauss

Sophie Pacini: Das Album entstand nach einem Konzert im Münchner Frauenhaus. Schon als Kind war es mir ein Anliegen, mich für Menschen einzusetzen, denen es nicht gut geht – vor allem für Frauen, die Schweres durchmachen. Die Tante eines Mädchens aus meiner Schulklasse war damals von häuslicher Gewalt betroffen. Sie war türkischer Herkunft, eine echte Powerfrau – und doch wurde das Thema totgeschwiegen. Aber irgendwann konnte man es in ihren Augen sehen. Sie war eine bildschöne Frau. Mich hat das nachhaltig geprägt. Ich habe damals zwei Tage lang geweint. Jetzt wollte ich einfach meine Musik in ein Frauenhaus bringen. Ich hatte mein E-Piano dabei und wollte den Frauen ein bisschen Musik schenken. Dieses Grundgefühl war bittersüß.

Wie waren die Reaktionen der Frauen hinterher?

Pacini: Die Frauen haben mich umarmt und die Musik hat ihnen Mut gemacht. Einige von ihnen haben geweint, eine Frau ist sogar hinausgelaufen. Eine andere schenkte mir eine Tontaube und einen handgeschriebenen Brief. Beides kommt in meine Talisman-Kiste. Es war ein wunderschöner, aber eben auch bittersüßer Moment. Deshalb habe ich daraus ein Album gemacht – quasi einen Wegweiser für jeden Tag, eine Art Trostspender. Es mag schwierig sein, aber ich habe den Weg einer Künstlerin gewählt, nicht den eines Stars.

Sie haben eine Talisman-Kiste?

Pacini: Ja. In ihr bewahre ich Geschenke, Souvenirs von Reisen und ein Erbstück meiner Oma auf. Diese kleine Kiste steht zu Hause auf meinem Klavier. Egal, wo ich bin, spüre ich eine Verbindung zu ihr. Früher habe ich sie auf Reisen mitgenommen, aber aus Angst, meinen Koffer zu verlieren, lasse ich sie inzwischen lieber zu Hause.

Sie haben einmal erzählt, dass Sie schon früh gegen Widerstände, Ausgrenzung und Missgunst kämpfen mussten. Was genau haben Sie erlebt, und wie haben diese Erfahrungen Sie geprägt?

Pacini: Als ich in der Pubertät war, wollte ich mir nicht vorschreiben lassen, was ich tun oder lassen soll. Ich wusste oft nicht, wo ich hingehöre – aber das ist als Mädchen völlig normal. Wichtig ist, herauszufinden, was man selbst will. Besonders bedeutend sind Mut zu Visionen, Emotionen und die Fähigkeit, authentisch zu bleiben.

Pianistin Sophie Pacini im Interview mit Journalist Reinhard Franke. Rechts unten das Cover des Albums „Bittersweet“, das am 7. März erscheint. © Franke

Was war Ihre größte Angst als junges Mädchen?

Pacini: Abhängig zu sein – etwa von einem Lehrer oder von Förderern, also von Menschen, die mein Leben diktieren wollen. Gerade in der Musikbranche läuft man Gefahr, zu einem Klon geformt zu werden. Persönlichkeitsentwicklung und Mut zu anderen Ansätzen finden in der Klassik leider noch zu selten statt. Ich wollte aber auch mal rebellisch sein. Langsam bewegt sich etwas in diesem Genre. Doch die Komponisten, die wir spielen, waren alle Rebellen. Schubert zum Beispiel starb mit 31 Jahren völlig verarmt.

Wann haben Sie gespürt, dass Sie ganz Sie selbst sein können?

Pacini: Das war der Moment, als ich als 18-Jährige für Pianistin Martha Argerich vorgespielt habe. Sie war für mich ein Vorbild darin, anders zu sein – und sich als Frau durchzusetzen. Das habe ich immer an ihr bewundert. Ihr Charakter ist ihre Ausstrahlung. Mein Ziel war es, dass sie mich großartig findet. Viele haben mir davon abgeraten, ihr vorzuspielen, aber ich wollte es unbedingt. Ich sagte zu ihr: „Ich würde gerne Konzertpianistin werden.“ Und sie antwortete nur: „Konzertpianistin bist du schon.“ Da wusste ich, dass sich all mein Kämpfen gelohnt hatte.

Glauben Sie, dass Klassik irgendwann ähnlich beliebt sein wird wie der Schlager?

Pacini: Das wünsche ich mir sehr. Mein Traum ist es, einmal einen Konzertsaal zur Hälfte oder sogar überwiegend mit unter 35-Jährigen zu füllen. Man sagt mir oft, dass bei meinen Konzerten viele junge Leute im Publikum sitzen. Vielleicht, weil ich selbst noch jung bin. Ich will keine Diva sein. Und ich möchte Mädchen vermitteln, dass jede schön ist und etwas zu sagen hat.

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Von
Susanne Benda (Swr)
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Ich fände es wichtig, dass der Mut, man selbst zu sein, zurückkehrt. Und genau das kann man durch Klassik erfahren – ein Genre, das oft aus Notlagen heraus entstanden ist. Tschaikowski zum Beispiel musste seine Homosexualität verbergen. Man braucht Mut, um Emotionen zu zeigen.

Es gibt einen neuen Mann in Ihrem Leben. Wollen Sie darüber sprechen?

Pacini: Natürlich. Ich hatte nicht erwartet, mich zu verlieben, und war auch gar nicht offen dafür, als ich ihm begegnete. Mein Freund ist Hals-Nasen-Ohren-Arzt in der Schweiz, in der Schwindel-Forschung tätig und spielt gerne und gut Klavier – manchmal sogar mit mir im Duo. Enthusiastisch schrieb er mich einfach an. Zweimal sagte ich ihm ab, doch er blieb hartnäckig und reiste nach München, als er in Mannheim einen Vortrag hielt. Er hat in seinem Leben auch viel Kraft und Mut aufbringen müssen – und er hat mich sofort so gesehen, wie ich bin. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet, aber es hat gefunkt. Leider sehen wir uns nicht oft, was mir aber derzeit noch entgegenkommt, da ich mich erst wieder in den Beziehungsmodus einfinden muss. Er hat viel Geduld – und das ist wichtig.

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