SWR Festspiele - Klaus-Maria Brandauer kommt zum Mozart-Abend ins Rokokotheater / Heike Hoffmann hofft auf eine ganz normale Festspielsaison / Mannheimer Schule nimmt wichtigen part ein

Klaus-Maria Brandauer kommt zum Mozart-Abend ins Rokokotheater Schwetzingen

Von 
Jürgen Gruler
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Schwetzingen. Das Programm steht jetzt online und das Organisationsteam beim SWR plant so, als sei im April und Mai nächsten Jahres die Corona-Pandemie überwunden und als könne es endlich wieder ganz normale Schwetzinger SWR Festspiele geben. Oder sogar ganz besondere, denn die Festspiele feiern den 70. Geburtstag unter dem Titel „Arkadien“ mit tollen Künstlern und Ensembles. Vorverkaufsstart ist übrigens schon am Montag, 6. Dezember. Wir haben mit der Künstlerischen Leiterin Heike Hoffmann gesprochen.

Werden wir im Frühjahr 2022 Schwetzinger Festspiele ohne Corona-Beschränkungen erleben?

Heike Hoffmann: Das kann wohl im Moment niemand verlässlich voraussehen. Die ungebremste Wucht der vierten Welle hat uns ja doch überrascht und wird hoffentlich dazu führen, dass bei denen, die sich bisher verweigern, die Einsicht wächst, dass der einzige Ausweg aus dieser Misere die Impfung aller ist. Wir hätten die Pandemie weitgehend hinter uns haben können, wenn nicht eine Minderheit von Impfverweigerern die Mehrheit der Gesellschaft in Geiselhaft nähme. Angesichts der vielen Toten und der gravierenden Kollateralschäden, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, macht es mich zunehmend fassungsloser, dass die Politik so unentschlossen handelt und sehenden Auges in eine immer schwierigere Situation steuert. Im Frühjahr werden wir sicher in einer besseren Lage sein, aber um welchen Preis?

70 Jahre SWR Festspiele in Schwetzingen, wie feiern Sie das?

Hoffmann: Wir wollen dieses Jubiläum mit einem großen Fest der Musik feiern, gemeinsam mit unserem Publikum und international renommierten Künstlern, die den Festspielen entweder seit längerer Zeit verbunden sind oder das erste Mal zu uns kommen. Von Ende April bis Ende Mai finden allabendlich hochkarätige Opern- und Musiktheaterproduktionen, Orchester-, Kammerkonzerte und Recitals im Rokokotheater und in den historischen Zirkelsälen statt. Dazu kommen die Streichquartett-Matineen an Sonn- und Feiertagen, die Spätkonzerte in der Reihe „Grenzgänge“ und vieles mehr. Und wie immer ist der Rundfunk dabei, alle Konzerte werden von SWR2 aufgezeichnet und live oder zeitversetzt gesendet. Unser kleines Team arbeitet hochmotiviert an der Vorbereitung. Wir sind optimistisch, dass sich alles wie geplant realisieren lässt und am 29. April der Vorhang aufgeht für die Premiere der Oper „Kapitän Nemos Bibliothek“ von Johannes Kalitzke. Das Werk nach dem gleichnamigen Roman von Per Olov Enquist ist ein Auftragswerk und wird in Zusammenarbeit mit den Bregenzer Festspielen produziert.

Sie haben „Arkadien“ als Thema gewählt – wie erschließen Sie den Sehnsuchtsort im Schlossgarten für die Musik?

Hoffmann: Bei der Wahl des Mottos für das Jubiläumsprogramm habe ich mich vom Genius loci leiten lassen. Der Schwetzinger Garten ist Arkadien, ein utopischer Ort, wo Menschen und Götter sich begegnen und unsere Sehnsucht nach Schönheit und Harmonie, Kunst und Natur gestillt wird. Dieses Momentum findet sich in unterschiedlichen Aspekten in den Programmen des Festspieljahrgangs 2022 wieder. Unsere Künstler haben sich mit Begeisterung auf dieses Motto eingelassen. Den Garten selbst bespielen wir auch. Mit einer Klanginstallation im Moscheegarten spürt Christina Kubisch der „Turquerie“ nach, die im 18. Jahrhundert ja nicht nur wegen der exotischen Wirkung in Mode war, die Schwetzinger Moschee ist ja als Zeichen religiöser Toleranz erbaut worden, wie die Inschriften an den Wänden zeigen. Die „Musik im Garten“ – kostenfrei von jedermann zu erleben – wird in diesem Jahr von jungen Musikerinnen und Musikern der Hochschule für Musik Saar mit Werken vom Mozart und Strawinsky gestaltet. Wir beginnen im Seepferdchengarten und enden im Obstgarten, wo dann auch die große Kaffeetafel aufgestellt wird. Schönes Wetter vorausgesetzt. Und schließlich habe ich den renommierten Gartenhistoriker Hans von Trotha eingeladen, um uns in einem multimedialen Vortrag zu erläutern, wie die Gartenkunst die anderen Künste beeinflusst hat und vice versa („umgekehrt“).

Ein Schwerpunkt soll die Mannheimer Schule sein. Was gibt’s da noch wiederzuentdecken?

Hoffmann: Im Archiv im Palais Hirsch am Schwetzinger Schlossplatz liegen noch etliche ungehobene Schätze und ich bin sehr dankbar, dass die Forschungsstelle Hof/Stadt/Musik, wie die ehemalige Forschungsstelle Südwestdeutsche Hofmusik jetzt heißt, mit ihrem Leiter Rüdiger Thomsen-Fürst mich berät und die ausgewählten Werke auch für die Aufführung ediert. 2022 bringen wir „L’isola d’Alcina“ von Guiseppe Gazzaniga zur Wiederaufführung, eine rasante Opera buffa um den Mythos von der Zauberin Alcina, der ja den Stoff für Opern mehrerer Komponisten geliefert hat. Das Werk von Gazzaniga wurde 1772 in Venedig uraufgeführt und war schon ein Jahr später in Schwetzingen zu erleben. Zwei Orchesterkonzerte sind dezidiert der Mannheimer Schule gewidmet: Das „Neue Mannheimer Orchester“ wurde 2016 in den Niederlanden vom Cembalisten Anders Muskens mit dem Ziel gegründet, die großartigen Werke dieser Ära historisch informiert wieder zum Leben zu erwecken. Während dieses junge Orchester erstmals bei den Festspielen gastiert, ist Concerto Köln hier bestens bekannt. Das Orchester begleitet die wunderbare Sopranistin Julia Lezhneva, die eigens für das Konzert zum Schwetzinger Jubiläum vier Arien aus dem Repertoire der Mannheimer Schule einstudiert. Ebenfalls in die regionale Musikgeschichte gehört das Melodram „Medea“ von Georg Anton Benda, das der Komponist 1784 für eine Aufführung am Mannheimer Hof gründlich überarbeitete. Diese Fassung letzter Hand bringen wir mit La Stagione Frankfurt unter der Leitung von Michael Schneider und Marina Galic in der Rolle der Medea auf die Bühne des Rokokotheaters.

Einige Ankündigungen kommen aus den urspünglichen Programmen der Corona-Jahre. Warum ist es Ihnen ein Anliegen, sie doch noch auf die Schwetzinger Bühne zu bringen?

Hoffmann: Die Pandemie war insbesondere für Künstler eine dramatische Zäsur, von einem Tag auf den anderen durften sie nicht mehr auftreten. Das hat zu Existenzproblemen geführt, aber aus meiner Sicht noch schlimmer war die mentale Belastung. Ein Musiker, der jeden Tag mehrere Stunden übt, um sich geistig und körperlich fit zu halten für die Höchstleistungen, die sein Metier verlangt, darf plötzlich seinen Beruf nicht mehr ausüben. Und das über Monate, ohne klare Perspektive. Man kann sich kaum vorstellen, was das bedeutet und was es für Energie braucht, um mit so einer Situation klarzukommen und sich dennoch zu motivieren. Deshalb stand es für mich außer Frage, dass nach Möglichkeit alle, deren Konzerte bei uns abgesagt werden mussten, einen Nachholtermin bekommen. Einige Konzerte konnten wir in den Herbst legen, anderes wird in den nächsten Jahren folgen. Das war vor allem bei szenischen Produktionen nicht ganz einfach, weil die Planungsvorläufe so lang sind, aber es ist gelungen.

Wer wird denn Residenzkünstler und warum?

Hoffmann: Das sind die deutsche Geigerin Isabelle Faust und der russische Pianist Alexander Melnikov. Beide gehören zu den ganz Großen ihres Fachs und kommen mit je drei Programmen, eines gestalten sie zusammen – einen Sonatenabend mit Werken von Ludwig van Beethoven. Wir holen damit die für das Beethoven-Jahr 2020 geplanten und wegen der Pandemie ausgefallenen Konzerte nach – Beethoven-Jahr ist ja eigentlich immer! Ich bin beiden Künstlern sehr dankbar, dass sie ihre Kalender noch mal für Schwetzingen umgestellt haben und wir diese Residenzen endlich realisieren können. Besonders spannend dürfte der Klavierabend von Alexander Melnikov werden, er spielt auf verschiedenen historischen Instrumenten, jeweils aus der Entstehungszeit der Werke.

Klaus Maria Brandauer kommt ja mal wieder ins Schloss?

Hoffmann: Klaus Maria Brandauer war 2017, in der ersten von mir verantworteten Festspielausgabe, in Schwetzingen zu Gast mit Mendelsohns „Sommernachtstraum“ – es war ein unvergesslicher Abend für alle, die dabei waren! Nach dem Konzert sagte er mir, dass er hier, an diesem magischen Ort, einmal ein Mozart-Programm machen möchte. Immer wieder haben wir nach einem Termin gesucht und dass es nun, im Jubiläumsjahr der Festspiele, endlich klappt, freut mich natürlich ganz besonders. Er liest, musikalisch sekundiert vom GrauSchumacher Piano Duo, aus dem Briefwechsel zwischen Leopold und Wolfgang Amadeus und zeichnet den Weg vom Wunderkind zum genialen Komponisten nach.

Gibt es auch wieder Auftritte in der Nachbarschaft wie in Speyer?

Hoffmann: Ja, wir sind wieder im Dom zu Gast mit einem Programm, das für diesen großartigen Raum und seine spezifische Akustik konzipiert wurde. Das italienische Ensemble La Fonte musica, spezialisiert auf die Musik des 13. und 14. Jahrhunderts, bringt geistliche und weltliche Werke von Johannes Ciconia zur Aufführung. Ciconia war einer der ersten niederländischen Komponisten, die in Italien wirkten und gehörte zu denen, die den Weg in die Renaissance vorzeichneten. Seine großartigen Messsätze und Motetten in diesem Kirchenraum zu hören, wird sicher ein besonderes Erlebnis.

Info: Das ganze Programm und auch die Tickets (ab 6. Dezember) gibt’s beim SWR Classic Service, Telefon 07221/30 01 00 (von 10 bis 16 Uhr) und unter www.swrclassicservice.de

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

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