Stadtverwaltung

Mehrbelastungen für Kitas in Schwetzingen sind wohl unvermeidbar

Die Tarifeinigung im Sozial- und Erziehungsdienst führt zu Herausforderungen bei der Umsetzung in den Kindertageseinrichtungen. Die Landtagsabgeordneten begrüßen die Einigung aber grundsätzlich.

Von 
Andreas Lin
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Auch die Kita Spatzennest steht vor personellen Herausforderungen. © Widdrat

„Die Beschäftigten des Sozial- und Erziehungsdienstes sind seit geraumer Zeit einer enormen Mehrbelastung ausgesetzt. Sei es durch die Corona-Pandemie oder die Zunahme an Kindern mit herausforderndem Verhalten. Daher ist es wichtig und richtig, dass die Tarifeinigung im Sozial- und Erziehungsdienst positive Signale für die pädagogischen Fachkräfte gesetzt hat“, so heißt es zu Beginn einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung vom Mittwoch. Der erzielte Tarifabschluss habe jedoch direkte Auswirkungen auf den Dienstbetrieb in den Schwetzinger Kindertageseinrichtungen.

Neben einer rückwirkend ab Juli 2022 zu zahlenden monatlichen Zulage beinhaltet der Tarifabschluss die Möglichkeit, diese Zulage ab 2023 in maximal zwei weitere arbeitsfreie Tage pro Jahr umzuwandeln (Umwandlungstag). Zusätzlich haben alle Beschäftigten rückwirkend ab 2022 einen Anspruch auf maximal zwei Regenerationstage pro Jahr. Und das ist es, was Sorgen bereitet: „Bei der praktischen Umsetzung der bis zu vier Regenerations- und Umwandlungstage zusätzlich zum Jahresurlaub kommt jede Einrichtungsleitung jedoch an ihre Grenzen. Bei einer Einrichtung mit 20 Beschäftigten bedeuten dies 80 zusätzliche Tage der Freistellung, umgerechnet also 16 Arbeitswochen für die gesamte Einrichtung“, heißt es in der Pressemitteilung weiter.

Eine Möglichkeit, um dies umzusetzen, sei eine Erhöhung der Schließtage je Einrichtung. Da die Eltern durch die bereits bestehenden Schließ- sowie Fortbildungstage belastet seien, führe die Erweiterung der Schließtage nur noch zu einer Verschärfung dieser Thematik. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf würde die Ausweitung der Schließtage nicht fördern. Zudem würde in einem solchen Fall der Arbeitgeber vorgeben, wann die Regenerationstage zu nehmen sind, was eine freie Wahl der Erholungstage für jede pädagogische Fachkraft ausschließt.

Das stelle die Träger der Einrichtungen vor große Probleme, schreibt die Stadtverwaltung: „Die zusätzlichen dienstfreien Tage im Rahmen der regulären Urlaubsplanung umzusetzen, ist aufgrund des Fachkräftemangels ebenfalls schwer realisierbar. Eine Stellenmehrung durch die Neueinstellung von pädagogischen Fachkräften ist aufgrund des leer gefegten Arbeitsmarktes nicht möglich. Aufgrund der angespannten Situation ist es bereits jetzt schwierig, offene Stelle nachzubesetzen.“

Somit werde es bei einigen Einrichtungen wohl dazu kommen, dass das bestehende Personal die zusätzlichen Regenerations- und Umwandlungstage vertreten muss, was im Umkehrschluss wieder zu einer Mehrbelastung jeder einzelnen pädagogischen Fachkraft führen werde.

In der Sitzung des Kindergartenkuratoriums Ende November sei diese Herausforderung bereits mit allen Schwetzinger Kindergartenleitungen aufgegriffen und intensiv erörtert worden. Es habe sich herausgestellt, dass es keine einheitliche Lösung für alle Kindertageseinrichtungen geben wird. Jede Einrichtungsleitung und jeder Träger müsse sich demnach Gedanken über die individuellen Umsetzungsmöglichkeiten machen und diese mit ihren Beschäftigten abstimmen. „Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Umsetzung der Regenerations- und Umwandlungstage nicht ohne größeren Aufwand realisiert werden kann“, heißt es abschließend.

Situation der Kitas in Schwetzingen: Abgeordnete begrüßen Abschluss

Für den SPD-Landtagsabgeordneten Daniel Born ist klar, dass die Regenerationstage mehr Personal notwendig machen, um die beiden festen sowie die zwei optionalen Tage bei Umwandlung der Zulage umzusetzen. „Das stellt Planungsverantwortliche in Anbetracht des bestehenden Fachkräftemangels vor große Herausforderungen“, sagte er auf Anfrage unserer Zeitung. Die Ziele, die mit den Regenerationstagen verbunden sind, seien richtig: „Die Regenerationstage sollen die Arbeitsbelastung der pädagogischen Fachkräfte in den Kitas senken und den Gesundheitsschutz für die Beschäftigten verbessern.“ Bessere Arbeitsbedingungen würden die Attraktivität des Berufsfeldes erhöhen und helfen, Menschen für die Arbeit mit jungen Kindern zu begeistern.

Er betont aber auch: „In der akuten, angespannten Situation jetzt müssen wir für rasche Entlastung sorgen.“ Die SPD-Landtagsfraktion habe bereits im September vorgeschlagen, Zusatzkräfte im Bereich Hauswirtschaft und Verwaltung zu finanzieren: „ Sie könnten die Aufgaben übernehmen, die keine originär pädagogischen sind: Wenn pädagogische Fachkräfte nicht mehr dafür zuständig wären, Windeleimer zu leeren und Kühlschränke auszuwaschen, wäre viel gewonnen. Bislang lehnt die grün-schwarze Landesregierung diesen Vorschlag aber ab.“

Grünen-Landtagsabgeordneter Dr. Andre Baumann begrüßt die Tarifeinigung: „Die Situation in Kindertageseinrichtungen ist – wie in vielen Bereichen aktuell – vom Fachkräftemangel betroffen und äußerst angespannt. Darum ist es gut, dass der Beruf der Erzieherinnen und Erzieher durch den Tarifabschluss attraktiver wird“, sagte der Staatssekretär. Natürlich sei der Tarifabschluss für Kommunen eine Herausforderung – auch für das Land, weil das Land die Kommunen bei den Betriebs- und Personalkosten im Kindergartenbereich anteilig fördert: „Über eine Milliarde Euro gehen jährlich für die frühkindliche Bildung vom Land an die Kommunen.“

CDU-Kollege Andreas Sturm teilt die Meinung, dass die zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände und den Gewerkschaften abgeschlossene Tarifeinigung wichtig und richtig ist, denn die Kinderbetreuung stehe vor großen Herausforderungen. Er belegt dies mit Zahlen: Im Vergleich zu 2010 hätten in Baden-Württemberg fast 17 Prozent mehr Kinder Betreuungseinrichtungen besucht, beim pädagogischen Personal sei es sogar eine Steigerung von über 80 Prozent gewesen. Und bei den Ausbildungsstellen zur pädagogischen Kraft in Kitas sei im Vergleich zu 2012/2013 sogar ein Anstieg um 94 Prozent zu verzeichnen. „Obwohl sich das Personal also fast verdoppelt hat, reicht es noch immer nicht aus, die Anforderungen zu erfüllen“, betont Sturm.

Als Schnellmaßnahme gebe es die vorübergehende Fortführung der Regelung aus Corona-Zeiten, die größere Gruppen ermöglicht, da es in einigen Kommunen sonst zu unüberbrückbaren Engpässen komme. Weitere Maßnahmen aus dem Kultusministerium seien neue Regelungen zum Direkteinstieg in den Beruf. Bei der personellen Situation helfe nicht nur der Ruf nach mehr Geld, dass sich das Land aber finanziell stärker engagiert, das zeigt der neue Investitionszuschuss für Kindergärten von von 105 Millionen Euro. „Klar ist: Wir brauchen mehr Personal! Das Land schafft entsprechende Anreize und versucht auch, den Berufseinstieg zu erleichtern“, sagt Sturm und ergänzt: Die Tatsache, dass wir verschiedene Einrichtungsträger haben, ist eine Bereicherung für die Vielfalt in der Stadt und ermöglicht individuelle Angebote. Dies bedeutet aber auch, dass die Träger eigene Regelungen finden können.“

Redaktion Stv. Redaktionsleiter + Lokalsportchef Schwetzinger Zeitung

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