Schwetzingen. Mit einem pinkfarbenen Federohrring hatte sich niemand aufgehübscht, allerdings waren ein paar Cowboystiefel und Gürteltaschen im Publikum auszumachen, zudem Andeutungen von Puffärmeln und Schulterpolstern. In neonfarbenen Oberteilen samt pinkfarbenen Smiley-Hosenträgern, die an die Acid-House-Welle Ende der 1980er Jahre erinnerten, lief nur die Autorin dieser Zeilen herum.
Dafür aber stimmte die Musik: „The News“ ließen mit Oli Roth die 1980er Jahre auf Einladung von Andreas Bante und der Schlossgastronomie „Theodors“ im Foyer des Südzirkels aufleben. „Eine unfassbare Zeit“, wie Sänger Dominik Steegmüller in Bezug auf die Musikvielfalt sagte und nachschob, dass sich „all ihre Schätze gar nicht heben lassen“. Schon gar nicht an einem Abend.
Und doch packten Marcel Millot (Schlagzeug), Ralph Goedecke (Keyboard), Angela Frontera (Percussions), Sascha Neuhardt (Bass), Joerg Dudys (Gitarre) sowie die Sänger Dominik Steegmüller und Oli Roth gemeinsam mit Kolinda Hits aus, die jeder bei diesem ausverkauften Konzert im Schloss Schwetzingen irgendwann schon mal gehört hatte. Lichteffekte schufen eine stimmungsvolle Atmosphäre, dazu eine perfekte Akustik und Instrumentalisten sowie Stimmen, die einfach Weltformat haben: Mit „In The Air Tonight“ (Phil Collins) holte Steegmüller die Zuhörer ab und sorgte mit Oli Roth und dem Freddie-Mercury-David-Bowie-Duett „Under Pressure“ für einen ordentlichen Hammer.
Atemberaubende Bühnenpräsenz in Schwetzingen
So lässt sich auch die atemberaubende Bühnenpräsenz von Kolinda in ein Wort packen: Gleich zweimal beamte sie die unvergessene Whitney Houston („I Wanna Dance With Somebody“ und „One Moment In Time“) aus dem Jenseits zurück ins Jetzt und das mit einer stimmlichen Authentizität, die 80er-Jahre-Seelen einfach guttut.
Zwischendurch ging’s mal schnell in das davorliegende Jahrzehnt, etwa mit „Rocket Man“ (Elton John) – umwerfend interpretiert von Oli Roth. Dazu erzählte er eine Anekdote: „Ich bin zu dem Lied wie die Jungfrau zum Kinde gekommen. Als 2019 der Film ,Rocketman‘ in die Kinos kam, rief mich ein Christian aus dem Kino in Frankenthal an und fragte, ob ich nicht vor der Preview den Song live im Kino performen möchte. Ich merkte an, dass ich im Gegensatz zu Elton John, der den Titel ja am Klavier begleitet, ,nur‘ Gitarre spiele. Der Christian meinte: ,Das merkt doch kenner‘. Und es hat kenner was gemerkt.“
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Oli Roth durfte später auch noch mal so richtig den Rocker raushängen lassen („Walk This Way“ von Aerosmith aus 1975 und 1986 noch mal von Run DMC feat. Aerosmith aufgegriffen).
Reinkarnation von Prince in Schwetzingen
Übrigens: Bei unserem Artikel im Vorfeld des Konzerts fragten wir, wer wohl der Musiker mit dem Bon-Jovi-Haar sei, dessen Foto aus den 1980er-Jahren wir abgedruckt hatten. Viele Leser meinten, Oli Roth darauf zu erkennen. Doch es ist Marcel Millot.
Und der war am Donnerstagabend bei „Kiss“ mit seinen Schlegeln fast nicht zu bremsen – genauso wie Dominik Steegmüller, der stimmlich und bewegungstechnisch als Reinkarnation des unvergesslichen Prince die Bühne in der Mitte des Saals beben ließ und dem Song dabei seine eigene Note verlieh – einfach großartig! „Marcel hat jetzt alle Noten gespielt, die in einem Konzert vorkommen“, kommentierte nach der Nummer Oli Roth bewundernd.
Die Setliste des 80er-Jahre-Abends im Schwetzinger „Theodors“
- 1. Set: In The Air Tonight (Phil Collins), First Time (Robin Beck), Under Pressure (Queen/ David Bowie), Shout (Tears for Fears), Could It Be Magic (Barry Manilow/ auch Leona Lewis), (I’ve Had) The Time Of My Life (Bill Medley und Jennifer Warnes), The Way It Is (Bruce Hornsby), You Can Call Me Al (Paul Simon), Separate Lives (Marilyn Martin/Phil Collins).
- 2. Set: Footloose (Kenny Loggins), I Wanna Dance With Somebody (Whitney Houston), Kiss (Prince), Rocket Man (Elton John), Don’t Stop Believin’ (Journey), All Night Long (Lionel Richie), Kyrie Eleison (Mr. Mister), Walk This Way (Run DMC feat. Aerosmith), One Moment in Time (Whitney Houston).
- Zugaben: Jump (Van Halen), Missing you (John Waite).
Das Publikum bescheinigte allen Protagonisten immer wieder die hervorragende Spiel- und Gesangsqualität durch Applaus, lebte jedoch – leider – zum Großteil die in den 80er Jahren aufgekommene Coolness an den Stehtischen aus. Bei „(I’ve Had) The Time Of My Life“ – ein durch den Film „Dirty Dancing“ bekannt gewordener Hit – wagten nur wenige trotz Einladung von Dominik Steegmüller („Jetzt könnt ihr euch frei entfalten“) ein Tänzchen. Auch sonst hielt sich das Publikum mit größeren „Zappelorgien“ eher zurück. Tja, seit den 80ern sind halt schon bald vier Jahrzehnte vergangen...
Wie auch immer: Diese „Welturaufführung“, wie Steegmüller den ersten Auftritt von „The News“ im „Theodors“ nannte (sonst spielte die Band dort open air), war eine Megamusikzeitreise mit vielen Facetten. Auch wenn keine Titel von Michael Jackson, Duran Duran oder a-ha erklangen, so war es ein tolles Konzert, das gern eine Wiederauflage erfahren darf. Dann hoffentlich mit pinkfarbenen Federohrringen.
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