Schwetzingen/Mannheim/Aleppo. Es ist ein Tag im Leben, den niemand erleben möchte. Dann, wenn Angst, Verzweiflung und Unwissenheit aufeinandertreffen. Wenn sich das Leben innerhalb eines Wimpernschlags verändert. Tausende Tote sind nach den Erdbeben in der Türkei und Syrien zu verzeichnen, zahlreiche Menschen werden vermisst. Die Städte sind übersät von Trümmern zusammengestürzter Häuser. In Deutschland ein anderes Bild, so auch bei Khaled Daoud, der in Mannheim lebt und in Schwetzingen arbeitet.
Am Montagmorgen klingelt wie gewöhnlich sein Wecker, er steht auf, denn er muss zur Arbeit. Davor checkt der 27-Jährige, der in Aleppo (Syrien) geboren und aufgewachsen ist, die Sozialen Medien. Da tauchen die Bilder aus seiner Heimat auf - zerstörte Gebäude, Schutt auf den Straßen, hilflose und verzweifelte Menschen.
Daoud, der seit 2015 in Deutschland lebt, hier eine Ausbildung zum Mediengestalter gemacht hat und bei dieser Zeitung für die Grafik und Redaktionstechnik verantwortlich ist, berichtet, wie es seinem Vater und seiner Schwester geht, die in Syrien leben. Täglich steht er mit ihnen in Kontakt, um zu erfahren, ob es ihnen gut geht.
Nach Erdbeben in Syrien und Türkei: Sprachnachricht bringt Gewissheit
Nachdem Khaled Daoud Informationen über die schweren Beben eingeholt hat, merkt er, dass er eine Sprachnachricht seines Vaters bekommen hat. Er wohnt im Norden von Aleppo, einem Gebiet, in dem nur wenige Hochhäuser stehen. Sein Vater fragt ihn, ob es ihm gut gehe, es in Deutschland auch Erdbeben gegeben habe. Da weiß der 27-Jährige: Seinem Vater geht es gut. „Er hätte mich das sonst nicht gefragt“, sagt er und muss lachen, denn er verrät weitere Teile der Nachricht.
Im Hintergrund hört er - vermutlich einen Nachbarn seines Vaters - fragen: „Wo ist dein Sohn denn?“ Daouds Vater antwortet: „In Deutschland.“ „Da gab es doch keine Erdbeben“, ist die andere Stimme wieder zu hören. Es sind diese kleinen Momente, die einen beruhigen - auch den 27-Jährigen. Denn er weiß, dass es seinem Vater gut geht und er sich erst mal keine Sorgen um ihn machen muss. Doch da gibt es noch seine Schwester. Von ihr hat er noch keine Nachricht. Er versucht sie zu erreichen. Denn seine Sorgen sind sehr groß. „Meine Schwester und ihr Mann wohnen im Zentrum von Aleppo, in einem Hochhaus, im fünften Stock“, berichtet Daoud und schiebt direkt die wichtige Information hinterher: „Ihr und meinem Schwager geht es gut“, sagt er beruhigt und erzählt, wie seine Schwester die Nacht des Bebens erlebt hat.
Nach Erdbeben in Syrien und Türkei: Raus aus dem fünften Stock
In der Nacht auf Montag wurde seine Schwester wach, weil sich alles bewegt hat. Sie versuchte, durch das Treppenhaus auf die Straße zu gelangen, doch es war zu gefährlich. Alles bewegte sich, das Vorankommen war schwierig. Dann war es wieder still. Doch einige Zeit später folgte ein weiteres Beben, es wirkte leichter. „Meine Schwester und ihr Mann sind dann raus auf die Straße. Im Haus zu bleiben war zu gefährlich. Sie haben sich mit Nachbarn im Hof versammelt“, berichtet Khaled Daoud, was seine Schwester ihm erzählt hat.
Doch zwischendrin reißt die Verbindung ab. Daoud weiß nicht, wie es weitergeht für seine Schwester. Doch am Dienstagmorgen hört er wieder von ihr. Sie und ihr Mann sind nun außerhalb von Aleppo untergekommen. Bei Verwandten von Daouds Schwager, in einer Region, in der nur Einfamilienhäuser stehen und in der somit die Gefahr von einstürzenden Häusern geringer ist.
Bis mindestens Freitag werden sie dortbleiben. Denn es ist noch zu gefährlich, nach Hause zurückzukehren - außerdem dürfen sie derzeit auch gar nicht zurück. Nachbeben sind möglich, die Gefahr eines Einsturzes von Häusern noch immer nicht gebannt. Am Freitag werde die Situation quasi neu bewertet, eine Entscheidung darüber getroffen, ob die Menschen zurück in ihre Häuser dürfen.Daouds Vater wiederum verbrachte seit den Beben die Nacht auch schon im Auto. Er ist viel näher am Erdbebenzentrum, doch eben nicht von Hochhäusern umgeben.
Nach Erdbeben in Syrien und Türkei: Wenig Unterstützung
„Es gibt wenig Unterstützung für die Menschen in Syrien wegen des Krieges“, sagt Khaled Daoud und hofft darauf, dass den Betroffenen schnell geholfen werden kann - und vor allem, dass die Nachbeben aufhören und das Land zur Ruhe kommen kann. Denn das Land ist bereits durch den seit Jahren andauernden Bürgerkrieg stark gebeutelt.
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