Walldorf. Dieses Weihnachten werden Eugen Rutz und seine Familie nie wieder vergessen. Man sei am frühen Abend des ersten Feiertages gemütlich beisammengesessen, als gegen 17.40 Uhr der Anruf kam: Die Produktionshalle der familieneigenen Bäckerei Rutz in Walldorf steht in Flammen. „Wir sind sofort alle hingerast, aber da brannte es schon lichterloh“, sagt Rutz, Seniorchef des Traditionsunternehmens, zwei Tage danach.
Wie berichtet, zerstörten die Flammen die Produktionshalle, Büroräume und eine integrierte Filiale vollständig, es entstand ein Millionenschaden. „Wir mussten mit ansehen, wie die Arbeit von 115 Jahren niederbrannte. Es war einfach brutal. In der Nacht hatte man das Gefühl, dass einfach alles vorbei und hinüber ist“, gibt Rutz einen Einblick in sein Seelenleben. Doch schon am nächsten Morgen sei der Blick nach vorne gerichtet worden. „Wir als Familie Rutz geben nicht auf“, sagt der Seniorchef.
Die gesamte Geschäftsführung, der neben den beiden Söhnen Alexander und Oliver Rutz noch Tobias Knittel angehört, sei seit zwei Tagen im Krisenmodus. „Das Chaos lichtet sich ganz allmählich, aber das Licht am Ende des Tunnels ist noch lange nicht erreicht“, so Rutz. Bereits in der Nacht nach dem Großbrand seien erste Kontakte angefunkt worden, um an neue Büroräume zu kommen. „Da konnten wir schnell welche ausfindig machen, die wir jetzt beziehen“, berichtet der Seniorchef. Alles müsse aber komplett neu eingerichtet werden. „Es ist nichts mehr da, wir sind völlig ausgebrannt.“
Am Dienstagmorgen seien die weiteren Schritte intern besprochen worden. „Wir sind jetzt kurzfristig auf der Suche nach Räumen, in denen wir produzieren können. Vielleicht von Kollegen, die insolvent sind, oder die gewisse Geräte nicht mehr benötigen“, sagt Eugen Rutz. Drei Besichtigungstermine wollte er in diesem Zusammenhang bereits am Dienstag wahrnehmen. Eine Halle, die als Lager für Papier genutzt werden könnte, sei auch schon gefunden worden.
Alle Filialen geöffnet
Unterdessen hat die Familie Rutz Vereinbarungen mit anderen Bäckern getroffen, die das vom Brand gebeutelte Unternehmen mit Backwaren beliefern können. „Wir holen die Waren nachts ab. Wir haben am Dienstag tatsächlich alle verbliebenen 24 Filialen öffnen können. Das ist schon sensationell“, berichtet der Seniorchef. Sämtliche Verkäuferinnen und Verkäufer sowie Mitarbeiter aus dem Versand könnten also wie gehabt ihrer Arbeit nachgehen. Die Bäcker seien zum Teil bei Kollegen untergebracht worden, um zu unterstützen und die nun zusätzlich erforderlichen Mengen produzieren zu können.
Obwohl alle Filialen am Dienstag regulär öffnen konnten, sitze der Schock bei der Belegschaft tief. „Das ist schon extrem. Viele haben Angst und haben geweint. Aber alle stehen hinter uns. Meine Söhne und Tobias Knittel sind heute in den Filialen unterwegs, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzubauen und zu trösten“, berichtet Eugen Rutz.
Wie es zu dem verheerenden Feuer in der Produktionshalle kommen konnte, ist noch unklar. Die Brandexperten der Polizei seien zwar vor Ort. "Aufgrund des Brandausmaßes und der damit verbundenen Gefahr eines Einsturzes kann das Firmengebäude bis zur abschließenden Begutachtung aber nicht betreten werden", teilen die Beamten mit.
Insgesamt 150 Einsatzkräfte der Feuerwehren und 13 Helfer vom Technischen Hilfswerk waren am ersten Weihnachtsfeiertag bis tief in die Nacht vor Ort und bekämpften die Flammen. Gegen 2 Uhr war der Brand unter Kontrolle. Die Nachlöscharbeiten dauerten bis in die Mittagsstunden des folgenden Tages. Mit Drohnen wurde die Halle von oben aufgenommen, um das Ausmaß des Schadens zu überblicken und mögliche Glutnester ausfindig zu machen.
Neubau an selber Stelle
Für Eugen Rutz geht es nun erst einmal darum, eine Zwischenlösung für die Produktion des Familienunternehmens zu finden. Perspektivisch soll an derselben Stelle in Walldorf eine neue Produktionsstätte errichtet werden. „Derzeit sieht es danach aus, dass wir die Halle vollständig abreißen müssen“, sagt er. Eine Wiedereröffnung kann er sich jedoch selbst bei einem optimalen Verlauf nicht vor Ende 2024 vorstellen.
Zumindest sei es der Feuerwehr gelungen, die Server aus den Flammen zu retten, berichtet Rutz. „Das ist wichtig. Das Monatsende steht vor der Türe und es müssen Löhne überwiesen werden“, sagt er. Fachleute seien derzeit schon dabei, eine neue IT-Infrastruktur aufzubauen. 275 Mitarbeiter beschäftigt das Traditionsunternehmen, das 1907 gegründet wurde. Die Filialen befinden sich überwiegend im Rhein-Neckar-Kreis und in Heidelberg.
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