Schwetzingen. Diese Zahl ist erschreckend: Im vergangenen Jahr sind in Deutschland mindestens 378 Menschen ertrunken. In Binnengewässern verloren dabei 335 Personen ihr Leben. „Flüsse und Seen sind nach wie vor die größten Gefahrenquellen. Nur vergleichsweise wenige solche Gewässerstellen werden von Rettungsschwimmern bewacht. Das Risiko, dort zu ertrinken, ist deshalb um ein Vielfaches höher als an Küsten oder in Schwimmbädern“, sagt Dr. Marc Hemberger, der Vorsitzende der DLRG Schwetzingen/Oftersheim/Plankstadt und zitiert damit aus dem jährlichen Bericht zur Ertrinkungsstatistik der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG).
„Besonders das heiße Sommerwetter im August 2020 lud die Menschen zu spontanen Ausflügen an die Binnengewässer und die Strände an Nord- und Ostsee ein, zumal die Schwimmbäder ja fast flächendeckend geschlossen oder nur eingeschränkt nutzbar waren“, berichtet Hemberger weiter. Wie sich schönes Wetter auf Ertrinkungsunfälle auswirken kann, zeigten die Monate Juni, Juli und August: 234 Personen ertranken in diesen von Hitzewellen und Trockenheit geprägten Monaten. Das sind über 60 Prozent der tödlichen Wasserunfälle des Jahres.
Besonders vom Ertrinken betroffen sind Kinder und junge Menschen. 18 junge Menschen im Vorschul- und fünf im Grundschulalter kamen im Wasser ums Leben, was sicher auf die bereits seit langem zurückgehende Schwimmfertigkeit bei den Kindern zurückgeführt werden kann. „Das Corona-Jahr hat durch längerfristig geschlossene Bäder die Situation leider noch verschlimmert“, sagt Marc Hemberger und ergänzt: „Seit Oktober gibt es keine Schwimmstunden und keinen Schwimmunterricht mehr in den Schulen. Die DLRG macht sich Sorgen um die langfristigen Auswirkungen der Corona-bedingten Trockenphase. Kinderschwimmkurse, die oft ohnehin lange Wartelisten haben, mussten komplett gestrichen werden. Ein Rückstand in der Schwimmausbildung ist die Folge. Fast ein Jahr Ausfall der Ausbildung ist kaum wieder aufzuholen.“
Das muss sich schnell ändern
So sorgten die sich verschlechternden Rahmenbedingungen dafür, dass weniger junge Menschen überhaupt noch schwimmen lernen. Bundesweit können fast 25 Prozent aller Grundschulen keinen Schwimmunterricht mehr anbieten, weil ihnen schlicht und einfach gar kein Bad zur Verfügung steht. Ausbildende Verbände wie die DLRG haben lange Wartelisten von ein bis zwei Jahren für einen Schwimmkurs. „Mehr als jeder zweite Grundschulabsolvent ist kein sicherer Schwimmer mehr“, sagte der Vorsitzende der Lebensretter. Und er fordert mit Nachdruck: „Die Anstrengungen müssen deutlich intensiviert werden, um marode Bäder zu sanieren und Schwimmunterricht in Schule und Verein zu ermöglichen. Sobald die Bäder wieder öffnen können, gilt es, ausreichend Wasserzeiten für die Ausbildung zur Verfügung zu stellen.“
Außerdem stehen die Vereine vor großen Herausforderungen. „Vereinsleben ist nicht für virtuelle Kontakte geeignet“, so der langjährige Vorsitzende Dr. Marc Hemberger. „Der eine oder andere Ehrenamtler hat schon mit Rückzugsgedanken gespielt, da es derzeit ja praktisch kein Vereinsleben mehr gibt.“ Wenn ein Verein seinem Zweck nicht mehr nachkommen könne, stelle sich irgendwann die Frage nach seiner Existenzberechtigung.
Nach einer aktuellen Studie der Sporthochschule Köln haben mehr als 40 Prozent der Vereine mit Mitgliederverlusten zu kämpfen. Hinzu kommt das Problem, das Ehrenamtler ihre Funktionen aufgeben. Innerhalb der DLRG rechnet man bundesweit mit bis zu 20 Prozent weniger Mitgliedern nach Ende der Corona-Pandemie. „Unsere aktiven Mitglieder sind uns weiterhin treu, auch wenn wir durch fehlende Neuaufnahmen natürlich stetig sinkende Mitgliederzahlen verzeichnen. Wir haben dabei vielleicht noch Glück, da durch die einmalige Kombination aus Hilfsorganisation im Wasserrettungsdienst, Ausbildungsorganisation im Schwimmen und Rettungsschwimmen, Erste-Hilfe- und Sanitätsdienst, Rettungssport und traditionellem Verein unser Aufgabengebiet sehr breit gefächert ist“, schließt der DLRG-Vorsitzende seine Mitteilung. „Sollten die Bäder noch lange geschlossen bleiben, geht das aber auch bei uns an die Substanz.“ Und Dr. Marc Hemberger kritisiert: „Leider sind Schwimmbäder bisher ausdrücklich ausgeschlossen von jeglicher Öffnung, obwohl aktuelle Studien der TU Berlin belegen, dass es dort geringere Infektionsrisiken gibt als in Sporthallen.“
Hilfsangebote unterstützt
Wenn die DLRG-Mitglieder schon nicht ins Wasser können und darüber wachen dürfen, dass Badegäste gesund wieder herauskommen, dann suchen sie dennoch nach Betätigungsfeldern, bei denen sie hilfreich wirken können. So auch im Schwetzinger Lutherhaus, wo kürzlich ja betagte Mitbürger von einem mobilen Impfteam ihre Corona-Vakzine erhalten haben. Hemberger hofft, dass der hiesige Ortsverband mit einem blauen Auge durch die Krise kommt und die Mitglieder der DLRG die Treue halten, aber bis Ende des Jahres, je nachdem wie die Maßnahmen weiterlaufen, „werden auch wir etwa zehn Prozent weniger Mitglieder haben“, sagt er. kaba/zg
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