Justiz

Prozess um Mannheimer Messerattentat: „Egal, wo ihr sie erwischt, macht ihnen diesen Ort zur Hölle“

Der vierte Verhandlungstag im Prozess um das Mannheimer Messerattentat kreist um Chats des Angeklagten mit islamistischen „Gelehrten“.

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Agnes Polewka
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Der Angeklagte Sulaiman A. zu Beginn des Prozesses am Oberlandesgericht in Stuttgart. © picture alliance/dpa

Mannheim. Michael Stürzenberger gehört zu den bekanntesten Islamkritikern Deutschlands, seit Jahren spricht er über den Terror, den der Koran angeblich predige – im Netz und auf Kundgebungen. Doch in den vergangenen Monaten ist es still um ihn geworden. Eine seiner letzten Ansprachen ist auf den 1. Juni 2024 datiert, den Tag nach dem Mannheimer Messerattentat. Da meldete er sich auf Social Media mit einem Foto aus dem Krankenhaus und sagte: „Es war richtig knapp gestern.“

Am Dienstagvormittag hält Herbert Anderer, der Vorsitzende Richter des Staatsschutzsenats am Oberlandesgericht (OLG) in Stuttgart kurz inne und unterbricht die Befragung eines LKA-Beamten. Es ist der vierte Prozesstag um das Mannheimer Messerattentat. „Offenbar steht ein Nebenkläger draußen und wartet“, sagt Anderer. Und dann betritt Michael Stürzenberger den Sitzungsaal. Zum ersten Mal in diesem Prozess.

Stürzenberger setzt sich neben seinen Anwalt, sein Blick wandert zu Sulaiman A., zu dem Mann, der am 31. Mai 2024 mit einem Jagdmesser auf ihn losgegangen sein soll. Sekundenlang schaut Stürzenberger A. an, der hinter einer Glasscheibe sitzt. Die Bundesanwaltschaft wirft dem 26-jährigen Afghanen Mord, versuchten Mord in fünf Fällen und gefährliche Körperverletzung vor. Auf einer Kundgebung des rechtspopulistischen Vereins „Bürgerbewegung Pax Europa“ soll er auf Stürzenberger losgegangen sein, um ihn zu töten. Dieser und weitere Menschen wurden teilweise schwer verletzt. Der Polizist Rouven Laur trug bei dem Messerangriff tödliche Verletzungen davon.

Er habe heute kommen wollen, weil ihn die islamwissenschaftlichen Ausführungen interessieren, sagt Stürzenberger später am Rande der Verhandlung.

Mannheimer Messerattentat: Märtyrertod in Chat angekündigt?

Am Nachmittag des vierten Verhandlungstages spricht Islamwissenschaftler Andreas Rieck vom Bundeskriminalamt (BKA) über ausgewählte Telegram-Chats des Angeklagten, die er untersucht hat. Rieck ist seit 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter beim BKA, davor lebte und forschte er unter anderem im Libanon, in Pakistan und in Afghanistan. Rieck untersuchte insgesamt vier Chats aus dem Frühjahr 2024, darunter eine Unterhaltung, die der Angeklagte mit einem „Gelehrten“ namens „OR“ geführt haben soll. Bis heute konnten Ermittler dessen Identität nicht feststellen.

Mit diesem Gesprächspartner habe der Angeklagte jemanden gefunden, der ihn ermutigt habe, Gewalttaten zu begehen, sagt der Experte. Rieck übersetzt: „Egal wo ihr sie erwischt – in ihrer eigenen Wohnung, in ihren Schulen – macht ihnen diesen Ort zur Hölle“. Dies sei eine der relevantesten Aussagen. Dann schlägt er dem Senat vor, den Chat chronologisch durchzuarbeiten.

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Da sei eine Frage des Angeklagten, ob jeder Ungläubige töten dürfe. Und eine Passage, in der der Angeklagte kundtue, dass er ein schlechtes Gewissen habe, weil er in einem Land der Ungläubigen lebe.

Eine der Nachrichten könne auch als Abschiedspost des Angeklagten verstanden werden: „Lieber Bruder, bete in diesem heiligen Monat für mich. Vielleicht sehen wir uns in dieser Welt nicht, aber vielleicht im Paradies, so Allah will.“

Riecks These lautet: Der Angeklagte Sulaiman A. sei bereits entschlossen gewesen, eine Gewalttat zu begehen, wollte offenbar aber von „OR“, dem er vertraute, noch einmal bestätigt werden.

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