Schwetzingen. Diskriminierung kann die unterschiedlichsten Formen annehmen und stellt ein anhaltendes gesellschaftliches Problem dar. Es lässt sich nicht bestreiten, dass viel gegen sie unternommen wird, doch stellt sich auch die Frage, welche Mittel engagierten Personen zu Verfügung stehen und wie wirkungsvoll sich diese einsetzen lassen.
Im Mai gab die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bekannt, dass sie im Jahr 2020 deutlich mehr Anfragen von Betroffenen zum Thema Diskriminierung erhalten habe als im Vorjahr. Doch wie ist das hier in der Region? Die gute Nachricht zuerst: Dieser Trend scheint sich hier nicht abzuzeichnen. „Wenn überhaupt ist die Zahl der Anfragen bei uns nur leicht gestiegen, eigentlich ist es eher gleichbleibend“, verkündet Thulashaa Thirukailasapathy vom Diakonischen Werk Rhein-Neckar-Kreis, die in Schwetzingen im Integrationsmanagement arbeitet, im Gespräch mit unserer Zeitung.
Ähnlich scheint es auch auf Kreisebene auszusehen. Das Landratsamt verfügt über die Stabsstelle Integration, die sich aktiv für Chancengleichheit einsetzt. Auch wenn diese nicht als Beratungsstelle fungiert und deshalb nicht direkt mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vergleichbar ist, gibt es Netzwerktreffen mit kommunalen Mitarbeitern, die in engerem Kontakt mit Menschen mit Zuwanderungsgeschichte stehen. Dabei werden auch konkrete Fälle von Diskriminierung angesprochen, die Betroffene erlebt haben und hier habe sich keine Häufung der Fallbeispiele im letzten Jahr abgezeichnet.
Als negativen Wendepunkt in Sachen Diskriminierung sieht Kpatcha Sogoyou, über den Caritas-Verband Rhein-Neckar-Kreis ebenfalls im Integrationsmanagement in Schwetzingen tätig, eher die Flüchtlingswelle der letzten Jahre. „Das hat definitiv einen großen Unterschied gemacht“, erklärt er. Sogoyou stammt selbst aus Togo und kam 2002 zum Studium nach Deutschland. „Damals habe ich definitiv seltener negative Erfahrungen gemacht als heutzutage.“ Konkret meint er damit verächtliche und abschätzige Blicke, wenn er einen Raum oder ein öffentliches Verkehrsmittel betritt – etwas, womit auch die Klienten des Integrationszentrums häufig zu kämpfen haben.
Eigenständigkeit als Ziel
Allerdings bleibt es dabei leider nicht: „Unsere Klienten wünschen sich natürlich Eigenständigkeit – eine Wohnung, eine Arbeitsstelle. Und für diese Dinge müssen sie definitiv mehr tun als ein Deutscher“, erklärt Sogoyus Kollegin Thirukailasapathy.
Gerade die Wohnungssuche ist ein zentrales Problem: „Seit 2017 haben wir für drei unserer Klienten auf normalem Wege Wohnungen gefunden. Ansonsten klappt es manchmal über ehrenamtliche Helfer. Aber meistens hören wir nur, dass die Wohnungen doch schon vergeben sind, sobald jemand mit Akzent dort anruft oder wir werden von Vermietern trotz Versprechen gar nicht mehr zurückgerufen.“
Bei den meisten Menschen, die das Integrationsmanagement in Schwetzingen betreut, handelt es sich um Männer aus Gambia, Eritrea oder Afghanistan. Für diese gibt es oft auch Probleme am Arbeitsplatz, wenn sie denn einen finden: „Unsere Klienten bekommen oft schwerere Arbeit zugeteilt als andere Mitarbeiter und werden am Arbeitsplatz vernachlässigt oder nicht ernstgenommen. Ein großes Problem sind auch dubiose Verträge oder verspätetes Auszahlen von Gehalt, das ihnen zusteht“, zählt Thulashaa Thirukailasapathy einige Vorfälle auf.
Teilweise komme es in diesem Zusammenhang auch zu rechtswidrigen Kündigungen. „Unsere Beratung ist dafür da, die Klienten auf ihre Rechte hinzuweisen“, fassen die Integrationsmanager zusammen. „Manchmal führen wir aber auch nur Gespräche mit ihnen und zeigen ihnen, dass jemand Verständnis für sie hat.“ Denn das größte Problem ist es oftmals, Ansprechpartner zu finden, wenn es Fälle von Diskriminierung, beispielsweise am Arbeitsplatz, gegeben hat. „Vieles macht man dann auch eher für das eigene Gewissen, denn am Ende passiert oft nichts“, geben sie zu.
Auch in der Öffentlichkeit
Doch es geht nicht nur um Arbeit oder Wohnungssuche, sondern oft auch um Vorfälle in der Öffentlichkeit. „Viele unserer Klienten wurden schon im Bus von Fahrern oder Fahrgästen abschätzig behandelt. Ein junger Mann wurde in einem Supermarkt beleidigt und bekam gesagt, er solle nach Hause zurückgehen. Ein anderer wurde auf offener Straße angespuckt“, berichtet Thirukailasapathy.
Diese Beispiele stehen stellvertretend für eine Vielzahl von Vorfällen: „Wir hören immer wieder solche Dinge, die Muster bleiben gleich“, bestätigt ihr Kpatcha Sogoyou.
„Leider mangelt es bei solchen Vorkommnissen an Zivilcourage“, bedauert Thulashaa Thirukailasapathy. Doch gab es in den letzten Jahren auch Fortschritte im Kampf gegen Diskriminierung? „Es gibt mehr Veranstaltungen, es wird viel versucht. Auch die Kirchen unternehmen einiges. In Unternehmen sind interkulturelles Training oder das Schulen von Personal heute immerhin möglich. Es ist nur fraglich, ob so etwas bei denen, die es bräuchten, auch ankommt.“
Die Stabsstelle Integration des Landratsamtes weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich in der Region viele Menschen ehren- und hauptamtlich für Chancengleichheit einsetzen. Wie Doris Grossmann, Bürgeramtsleiterin in Plankstadt, mitteilt, sei die Netzwerkpflege mit den Ehrenamtlichen ein ganz entscheidender Punkt. Die Ämter stünden mit den Ehrenamtlichen im Austausch, um im Bedarfsfall bei Problemen zu helfen, die Geflüchtete an sie herantragen.
Ein zentraler Punkt ist hier die Begegnung: „Gegenseitige Vorbehalte können durch Begegnungsmöglichkeiten und Transparenz abgebaut werden. Daher unterstützen wir Angebote zur Begegnung, die beispielsweise von kommunalen Mitarbeitenden oder ehrenamtlichen Initiativen im Rhein-Neckar-Kreis umgesetzt werden“, heißt es von der Stabsstelle Integration. Doch es lässt sich nicht von der Hand weisen: Eine schnelle und vor allem einfache Lösung für das Problem Diskriminierung gibt es nicht.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-rassismus-und-diskriminierung-integrationsmanager-beklagt-mangel-an-zivilcourage-_arid,1814560.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen.html