Oberbürgermeisterwahlen in der Stadt Schwetzingen sind ja immer für eine Überraschung gut. Da wurde einer schon mit 50 Stimmen Vorsprung gewählt und acht Jahre später von einem Außenseiter geschlagen. Da gab es schon Spaßkandidaten und Parteineugründungen. Aber diesmal hat die OB-Wahl im Herbst vor allem den Begriff „skurril“ verdient.
Kaum hatte OB René Pöltl beim Neujahrsempfang verkündet, nicht mehr antreten zu wollen, kursierte ein Facebook-Post, in dem sich Rebecca Ziegler als „neue Oberbürgermeisterin für Schwetzingen“ vorstellte. Tagelange Versuche, sie ans Telefon zu bekommen und Bitten auf Rückmeldung per E-Mail blieben erfolglos. Im angeblich nichts und niemand vergessenden Internet gab es nur besagten Facebook-Post, eine Wahlliste aus dem Kreis Ulm, auf der sie als nicht gewählte Kandidatin des FDP-Vorschlags genannt wurde und in der ARD-Mediathek ein Interview zu einem Prozess am Bundesgerichtshof zur Doppelbesteuerung von Renten.
Wochen später dann doch eine Reaktion. Ziegler schickte eine Art Lebenslauf und ein paar Zeilen dazu, warum sie in Schwetzingen kandidiert. Später kommt sie dann auf Einladung zu einem Gespräch in die Redaktion. Kollege Andreas Lin interviewt sie, stellt Fragen zur Stadtpolitik. Sie liest vom Manuskript Antworten ab, auch wenn sie nicht zu den Fragen passen.
Wie bei Wortinterviews üblich senden wir ihr das Interview nochmals zur Autorisierung per E-Mail zu. „Sie habe ganz andere Sachen gesagt“, behauptet sie, bittet um mehrere Tage Aufschub zur Korrektur. Dann schickt sie es nach Tagen zurück, mit drei kleinen Änderungen. Später behauptet sie dann, man habe sie komplett falsch zitiert. Ähnliches nach einem Wahlstammtisch im Brauhaus zum Ritter.
In Posts auf Facebook macht sie dann gegen die Zeitung und gegen das Rathaus mobil – die Wortwahl gleicht arg der, die man aus rechtsgerichteter Richtung des öfteren hört. Als Thema macht sie die Sicherheit in Schwetzingen und Klüngelei im Rathaus aus, sieht gar „eine Krake die Bürger umschlingen und ihnen die Luft abdrehen“. In Schwetzingen könne nachts eine Frau nicht alleine auf die Straße gehen, behauptet sie. Zur Kandidatenvorstellung der Zeitung fordert sie Störer dazu auf, das Format zu sprengen, Fragen von Lesern an sie lässt sie unbeantwortet.
Matthias Steffan holt sich den Rückhalt fast aller Parteien im direkten Vergleich – nur die SPD gibt keine Empfehlung ab. Aber auch den Sozialdemokraten wirft Ziegler vor, Fragen vorher mit Steffan abgesprochen zu haben, was beide vehement bestreiten.
Am Ende verliert sie gegen einen souverän durch den Wahlkampf gehenden bisherigen Bürgermeister Matthias Steffan. Er macht das Rennen, aber Rebecca Ziegler holt trotzdem mehr als 43 Prozent der Stimmen. Eine Woche später ist im Internet wieder alles gelöscht. Was bleibt sind aber die Zeitungsartikel, denn bei uns hat sie kein Recht auf Löschung.
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