Die Dame nebenan ist vom kurpfälzischen Wortakrobaten Chako Habekost begeistert. Sie lacht bei dessen Ausflügen in die Opernwelt herzlich. Und auf die Eingangsfrage des mundartschwangeren Moderators bei „Schloss in Flammen“, ob denn alle „do“ seien, entgegnet sie wie viele lauthals mit einem schmetternden „Ajo!“ Doch als ein wunderbarer Sommerabend am Samstag mit einer Open-Air-Operngala und hochkarätigen Künstlern um 23.04 Uhr im Schlossgarten Schwetzingen beendet ist, tätschelt sie die nächste Schulter und sagt: „Das war eine Meisterleistung!“
Gemeint damit ist das Finale furioso – das Synchronfeuerwerk des Pyrokünstlers Renzo Cargnelutti und dessen Team „Art & Fire“, die zur Musik von Franz von Suppé den fast wolkenlosen Himmel über Schwetzingen facettenreich erleuchten. Es ist hohe Kunst, diese aufwendig vorbereitete Illumination zu inszenieren. Cargnelutti und Co. können es. Sie haben es national wie international bewiesen. Was indes die Komposition aus Musik, Feuerwerk, Gartenparadies sowie Publikum zu einem Gesamtkunstwerk und wahren Fest für die Sinne werden lässt, ist perfektes Timing. Ein harmonisches Zusammenspiel von Orchester und Feuerwerker. Dies ist nur mit Professionalität, Kreativität, Sensibilität und Erfahrung umzusetzen. „Die Dirigiergeschwindigkeit ist ein enormer Punkt“, verdeutlicht dazu Veranstaltungschef Erwin Clausen von Yellow Concerts dieser Zeitung. Kenner wissen, dass berühmte Opernarien unterschiedlich lang ausfallen können. Ist also alles computergesteuert? Mitnichten.
„Wie machen die das?“, fragt Marion (25) aus Hambach ihren Partner an der Cocktailbar zurecht. Wir versuchen, das Erfolgsgeheimnis von „Schloss in Flammen“ zu erklären und zu entmystifizieren.
So wird das Feuerwerk gesteuert
Was und wen benötigt man für die Verwirklichung einer halbstündigen Illuminiation? Logistik und Planung – jeder Handgriff, jede Berechnung von Zündwegen, jede Zündung der diversen Feuerwerkskörper muss sitzen. Es gibt keinen zweiten Versuch. Neben der Bühne sitzen eine Frau und ein Mann. Sie lesen akribisch die Partituren, sie denken und handeln vorausschauend. „Sie sind immer eineinhalb bis zwei Noten früher dran“, verrät Clausen, „wenn man auf den Knopf drückt, setzt der Effekt ja erst später ein.“ Selbst im digitalen Zeitalter spielt zuweilen das Analoge und Händische die entscheidende Rolle.
Hundertprozentige Harmonie ist gefragt. Nach einer dreistündigen Operngala von und mit dem Orchester und glänzenden Solisten des Nationaltheaters Mannheim steht fest: brillante Leuchteffekte, treffende Töne und „Punktlandungen“ – alles ist stimmig! „Seit vielen Jahren herrscht eine gute Zusammenarbeit mit dem Nationaltheater“, konstatiert Clausen, „sie haben ein wahnsinnig gutes Orchester und wunderbare Künstler – eine Ansammlung von angenehmen Leuten.“ Dass es bei einer Open-Air-Veranstaltung auch mal „knallt“ und „Mundartartischd“ Habekost mit locker-flockigem Humor moderiert, ist von den Pointen her köstlich und für die Künstler der renommierten Opernschmiede Mannheim willkommene Abwechslung. Ein bisschen „Tschingderassabum“ darf mal sein, die Musik von Franz von Suppé eignet sich dafür.
Soddy muss man erlebt haben
Es sind beim populären Potpourri (Bizet, Offenbach, Thomas, Massenet, Verdi, Mascagni, Puccini, Sir Pomp) unzählige Höhepunkte dabei. Musik, die die Zuschauer träumen und schwelgen lässt. Herausragend der Brite Alexander Soddy. Der Generalmusikdirektor verlässt Mannheim nach sechsjähriger Ära. Soddy hat bereits „La Bohème“ und „Madama Butterfly“ an der Metropolitan Opera in New York dirigiert. Ihm steht die weite Opernwelt offen – der 39-Jährige gilt zurecht als Überflieger in der Szene. In Schwetzingen werden die Fans glücklich sein, Soddy, dessen Kunst und Empathie am Taktstock nochmals erlebt zu haben. „Ein netter Typ. Wir müssen Einspruch erheben, dass er geht“, sagt Erwin Clausen augenzwinkernd.
Die Menschen im Schlosspark sind hin und weg. „Toll, toll, toll“ heißt es überall. Die musikalischen i-Tüpfelchen: Offenbachs „Barcarole“ mit Fréderique Fries und Jelena Kordic, Bizets Männerduett mit Irakli Kakhidze und Nikola Diskic („Les pêcheurs de perles“) und das Duett von Mimi und Rodolfo aus „La Bohème“, gesungen von Astrid Kessler und dem georgischen Tenor Kakhidze sind zum Dahinschmelzen. Paare kuscheln auf der Picknickwiese oder in den Stuhlreihen.
Einziger Wermutstropfen: Die LED-Leinwandtechnik streikt, jemand hat versehentlich ein Kabel kaputtgemacht. Bei so vielen Dienstleistern gebe es nun mal „eine Schnittstelle, die nicht richtig funktioniert“, ärgert sich Erwin Clausen massiv. Ein Schönheitsfehler – die heitere Stimmung bleibt. Mehr als 3000 Menschen genießen.
„Wir sind Premierengast“, sagt Jan Schowalter, „eine überragende Atmosphäre. Wir kommen wieder.“ Schowalter hat mit seiner Pfälzer Combo Grund zum Strahlen. Sie sind mit drei Autos, einem Bus, zwei Bollerwagen und zehn Personen angerückt. Und sie gewinnen den ersten Preis bei den Picknick-Arrangements. „Anfängerglück“ nennt er das. Sohn Simon muss lange aufs Feuerwerk warten. Zum Schluss ist auch der kleine Frechdachs beseelt und auf seine Weise „entflammt“. „Schloss in Flammen“ besitzt längst Kultcharakter. Ajo!
Hintergrund und Picknick-Gewinner
„Schloss in Flammen“ hat am Samstag, 25. Juni, zum achten Mal stattgefunden. Der musikalische Großevent ist Bestandteil und Höhepunkt zugleich des „Mannheimer Sommer“ (früher „Mannheimer Mozartsommer“).
Diesmal kommen laut Veranstalterangaben mehr als 3000 Besucher – bei der letzten Auflage 2018 waren es noch 5000 bei der Operngala mit Feuerwerk. 2023 wird der festliche Abend im Mannheimer Schloss ausgerichtet.
Gewinner des Picknick-Arrangements: 1. Marislena Pardo-Ziegler (St. Martin), Frank Lickert (Freiburg), Emese Roth (Landau), Agnieszka Duchmann, Christian Scherer (beide Kandel), Jan Schowalter, Kasia Schowalter, Simon Schowalter (alle Impflingen), Anna Stefanou und Dr. Karsten Woll (beide Meckenheim); 2. Gabriele Jablonski (Frankfurt) und Wolfgang Wippert (Hockenheim); 3. Heide, Brigitte, Irina und Caroline aus Mutterstadt, Böhl-Iggelheim und Römerberg.
Jury: Erwin Clausen (Veranstaltungsleiter Yellow Concerts), Albrecht Puhlmann (Intendant der Oper am Nationaltheater Mannheim), Sandra Moritz (Schlossverwalterin Schwetzingen), Marion Hardt (Mitarbeiterin von Yellow Concerts), Joachim Klaehn (Redakteur der Schwetzinger Zeitung). jog
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