Schwetzingen. Katzenbilder hängen an der Wand, der Geruch von Nassfutter dominiert, Kratzbäume sind aufgebaut und natürlich wuseln mehrere Katzen durcheinander: Zwar sieht das Gebäude im Dianaweg 2 in Schwetzingen von außen wie ein normales Haus in einem ruhigen Wohngebiet aus. Schon am Eingang stehen aber mehrere Katzenfiguren und auf dem Briefkasten klebt lediglich ein Sticker mit der Aufschrift „Arche Noah Ketsch“. Chris öffnet freundlich, einladend die Tür – und mit dem Eintreten sticht eine Sache sofort ins Auge: Hier liegt der Fokus auf den Katzen. Ein weiterer Mann, Marc, läuft mit einem kleinen orangenen Kater die Treppe runter. Sein Name ist Pumuckl. Er wurde zu jung ausgesetzt und ist an das Draußen gewöhnt. Jetzt versucht er immer wieder auszubrechen, wie Katzen das eben machen. Seine Beschwerden sind allgegenwärtig.
Marc und Chris sind Tierpflegehelfer und unterstützen schon seit sechs Jahren die 83-jährige Ursula. Sie ist die Gründerin der Arche Noah, welche nächsten April ihr 30-jähriges Jubiläum feiert und lebt allein. Zum Team gehört noch Anya dazu; sie ist die Schriftstellerin des Teams, sie war aber nicht vor Ort.
Gründungsgeschichte von Arche Noah
Die Geschichte der Arche Noah begann Ende 1995 auf dem Friedhof. Ursula war mit ihrem Mann zu Besuch und es lief eine verwahrloste zehn Wochen alte Babykatze umher. Die anderen Beteiligten konnten oder wollten nicht die Katze aufnehmen. Ursula, die bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Katzenliebhaberin war, beschloss ihre Aufnahme. Die Katze hat bis heute keinen Namen bekommen, aber ihr Wert ist für sie unbezahlbar. Nach ihrer Aufnahme sind in den nächsten drei Monaten sechs Straßenkatzen bei ihr gelandet. Fast so, als wüssten die Katzen, dass sie hier Hilfe bekommen. Im April 1996 gründete Ursula, ihr Mann und weitere Freiwillige die Arche Noah in Ketsch. Anfangs wurden auch noch Hunde mit aufgenommen, mit dem Umzug nach Schwetzingen lag der Fokus nur noch auf den Katzen.
Die Geschichte der Katzen
Die Katzen kommen unter den verschiedensten Umständen in die Arche Noah, wobei die meisten mit Abstand vom Veterinäramt gebracht werden. Dabei macht das Team eine klare Unterscheidung zwischen Züchter und Vermehrer. Denn die aller meisten stammen aus Haushalten von Vermehrern – Menschen, die Katzen unkontrolliert zeugen lassen und die Babys verkaufen. Die Katzen würden als Geburtsmaschine missbraucht und es herrschen keine Regeln. Dementsprechend kommen sie in einem schlimmen Zustand an. Chris zeigt Bilder, seine Galerie ist überschwemmt mit von solchen. Alle haben eine tragische Geschichte hinter sich. „Es ist krank“, findet Chris.
Beispiele gibt es unzählige: Vor anderthalb Jahren kam der Anruf, dass eine Katze am Waldrand ausgesetzt wurde. Sie war in einer Transportbox gesperrt, die nochmal mit Klebeband verschlossen war. Oft sind die Katzen aber auch im Keller von Vermehrern eingesperrt und haben bis zur Befreiung noch nie Tageslicht gesehen. Ursulas schlimmste Geschichte sei die eines Vermehrers mit elf sibirischen Katzen, die im schlimmsten Zustand gerettet wurden. Deren Fell sei voller Fäkalien und Filz gewesen. Es gab kaum eine Stelle, die gesund war. Sie waren so dehydriert, dass die Haut einer Katze bei jeder Bewegung aufriss. Die Haut fühlte sich wie Pergamentpapier an. Ursulas Tierarzt des Vertrauens arbeite schon über 40 Jahren und habe so etwas noch nie gesehen.
Die Katzen kommen von den verschiedensten Orten. Teilweise rufen Menschen aus Darmstadt an. Warum? Sie sind die einzigen, die antworten. Alle anderen sind nicht erreichbar oder besetzt.
Die Philosophie der Arche Noah
Egal, was für Veränderungen passieren oder was für Menschen und Tiere zusammenkommen. Die Katzen sind der zentrale Fokus. Sie sind im Vordergrund und es wird klar betont: Es werden keine Haustiere vermittelt, sondern Familienmitglieder. Deswegen werden keine Katzen während der Ostern- und Weihnachtszeit vermittelt. Sie sind keine Geschenke. Die Katzen kommen in den schlimmsten sich vorstellbaren Zustand an und werden vom Team gepflegt und stabilisiert.
Die Stammkatzen helfen bei der Resozialisierung. Sie zeigen den anderen, dass nicht alle Menschen schlecht sind und was Vertrauen bedeutet. Kein Tier wird aufgegeben. Es folgen unzählige Arztbesuche und Eingriffe, um die Katzen zu retten; teilweise bis zum bitteren Ende. Dabei ist die Herkunft und das Alter irrelevant. Um jedes Leben wird gekämpft. Wenn die Tiere zusammen als Paar kommen, werden sie keineswegs getrennt. Im Schnitt kommen jährlich um die 100 Katzen an, von welchen ungefähr 90 erfolgreich vermittelt werden. Es vergehen Tage bis zu wenige Monaten bis zur Abgabe. Bei der Vermittlung ist es wichtig, dass der neue Besitzer ein Herzensmensch ist. Oft werden die Katzen durch mündliche Empfehlungen oder der Website gefunden. Der Interessent wird eingeladen und die Person wird geprüft. Hat sie die Liebe und Geduld für die Katzen? Wenn es passt, wird dieser von Anya besucht. Sie überprüft, ob die Wohnung alles hat, um der Katze ein gutes Leben zu bieten. Darauf folgt die Vermittlung. Chris erklärt: „Wenn bei der Abgabe zwei Tränen fallen, die eine glücklich und die andere traurig, weiß ich, ich habe alles richtig gemacht“. Oft besteht nach der Vermittlung noch Kontakt zu dem neuen Besitzer, um die Reise der Fellnasen weiterzuverfolgen.
Gefährdung der Arche Noah – Schließung in November
Die Arche Noah hat ein zentrales Problem. Im Vergleich zu anderen Pflegestellen werden sie nicht vom Staat unterstützt, sondern sie sind rein von Spenden abhängig. Allerdings ist nach Corona die Spendenbereitschaft gesunken, die Kosten steigen weiter an. Es fehlen ihnen die finanzielle Mittel, um den Verein aufrechtzuhalten. Nach dem aktuellen Stand müssen sie Ende des Jahres schließen. Die Tierarztkosten betragen über 50.000 Euro im Jahr, das monatliche Futter kostet mehrere hunderte Euro und es kommen weitere Kosten hinzu. Jede neue Katze bekommt eine Neueinrichtung im Käfig. Spielzeuge, Kratzbäume und Häuser werden weggeschmissen und neugekauft, damit die neuen Katzen ihr eigenes Revier haben. Der Rest wird grundlegend gereinigt und desinfiziert.
Jede mögliche Unterstützung ist willkommen. Es können Geldspenden per Überweisung oder Paypal gegeben werden, materielles kann gespendet werden, ehrenamtliche Hilfe wird dankend angenommen.
Infos:
IBAN: DE85 6725 0020 0009 1781 71 Paypal: info@arche-noah-ketsch.de
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