Redaktionsgespräch

Schwetzingens Oberbürgermeister Matthias Steffan äußert sich zu Geothermie

Fast 100 Tage nach seiner Amtseinführung ist Schwetzingens Oberbürgermeister Matthias Steffan zum Gespräch mit Chefredakteur Jürgen Gruler, Redaktionsleiter Andreas Lin und Autor Noah Eschwey in der Redaktion.

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Noah Eschwey
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Oberbürgermeister Matthias Steffan (l.) im Gespräch mit Chefredakteur Jürgen Gruler, dem stellvertretenden Redaktionsleiter Andreas Lin und Autor Noah Eschwey (nicht auf dem Bild). © Noah Eschwey

Schwetzingen. Was war das Erste, das Sie umgesetzt haben?

Matthias Steffan: Ich freue mich, dass ich gemeinsam mit dem Gemeinderat einstimmig den Haushalt 2025 verabschieden konnte, jetzt steht nur noch die Genehmigung des Regierungspräsidiums aus. Und wir stehen da im Vergleich zu anderen Großen Kreisstädten in Nordbaden wirklich sehr gut da

Was war für die Haushaltsplanung in 2025 besonders wichtig?

Steffan: Bereits zwei Tage nach der Wahl zum Oberbürgermeister starteten für mich die internen Gespräche mit unseren Ämtern zunächst noch mit anderen Ausgangszahlen. Im Ergebnis ist es uns allen dann aber gelungen, einen genehmigungsfähigen Haushalt mit einem geringeren Defizit von 2,5 Millionen Euro und dabei gleichzeitig Investitionen in Höhe von 14 Millionen Euro bei einem Gesamthaushalt von 76,6 Millionen Euro zu erreichen. Das ist schon außergewöhnlich und ich bin sehr froh, dass wir das so realisieren konnten und dass der Gemeinderat einstimmig dafür war.

Vielleicht müssen wir das Projekt Rothacker‘sches Haus dann nochmals abspecken

Nun stehen aber auch wichtige Projekte auf der Kippe. Wie steht es um das Rothacker‘sche Haus?

Steffan: Zum Rothacker‘schen Haus gibt es noch keine abschließende Entscheidung. Wir wollen darüber bei der Klausurtagung des Gemeinderates im März nochmals ausführlich sprechen. Das Problem ist wie bei allen Bauprojekten derzeit, dass uns die Kosten davonlaufen. Und wir können eben auch nicht mit wachsenden Steuereinnahmen rechnen, aufgrund der schwachen Konjunkturdaten in der Bundesrepublik. Laut aktuellen Planungen steuern wir mittelfristig im städtischen Haushalt ab 2027 nach zwei Jahren ohne Schulden, wieder auf Kreditaufnahmen und damit auf eine Neuverschuldung zu. Mit Blick auf die Ausgangslage und die schlechten Konjunkturdaten mit einem Miniwachstum von 0,3 Prozent, müssen wir für 2025 im dritten Jahr in Folge ohne nennenswertes Wirtschaftswachstum rechnen. Wir als Städte und Gemeinden müssen uns auf sinkende Einnahmen einstellen – auch in Schwetzingen. Hinzu kommen signifikant gestiegene Sach-, Personal-, und Energiekosten oder die steigende Kreisumlage.

Der Gemeinderat und die einzelnen Abteilungen im Rathaus haben zusammen mit den Planern viel Kraft und gute Ideen für ein neues städtisches Museum investiert. Jetzt müssen wir uns entscheiden, ob wir es uns leisten können und wollen. Schon einmal mussten wir das Projekt stoppen, um die Kostenobergrenze von 12,85 Millionen Euro einzuhalten. Wir können uns nicht hinstellen und Baukostensteigerungen von mittlerweile nahezu 30 Prozent ignorieren. Das wäre aus meiner Sicht fahrlässig, weil ein „weiter so“ mittelfristig spürbare Konsequenzen und Auswirkungen auf unseren städtischen Haushalt hätte. Daher habe ich mich mit dem Gemeinderat verabredet, die künftige finanzielle Ausrichtung des städtischen Haushaltes und des Rothacker‘schen Hauses im Rahmen einer Haushaltsklausur in den kommenden Wochen zu beraten. Vielleicht müssen wir das Projekt Rothacker‘sches Haus dann nochmals abspecken oder die schrittweise Verwirklichung beschließen. Die Entscheidung darüber fällt im ersten Halbjahr.

Das Unternehmerfrühstück hat sich als Erfolgsgeschichte herausgestellt

Wie entwickelt sich die Wirtschaft in Schwetzingen und welche Maßnahmen ergreift die Verwaltung, um die Wirtschaft anzukurbeln?

Steffan: Auch wir mussten zum Jahresende einen leichten Anstieg von 2,1 Prozent bei den Arbeitslosen im Bereich des hiesigen Jobcenters verzeichnen. Trotz dieser saisonalen Schwankungen zeigt sich der Arbeitsmarkt in der Region und in unserer Stadt weiterhin stabil, was die hohe Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften in vielen Branchen belegt. Das haben wir auch erst kürzlich bei unserem Unternehmerfrühstück gespiegelt bekommen. Das Netzwerktreffen hat sich übrigens als Erfolgsgeschichte herausstellt. Da sind viele Kontakte entstanden, die gegenseitig genutzt werden und die Verwaltung bekommt ein Gefühl dafür, wie sie der Wirtschaft helfen kann. Ungeachtet dessen setzen wir unsere Bemühungen fort, unsere Unternehmen aktiv zu unterstützen. Damit habe ich im Wahlkampf geworben, das ist mir sehr wichtig!

Aus diesem Grunde sehe ich gerade in der ersten Jahreshälfte die Projekte Tompkins-Kaserne und ehemaliges Eisenbahnausbesserungswerk als Topthemen, wie ich es bereits in meiner Neujahrsrede angekündigt habe. Dort sollen neue Gewerbeflächen für bestehende und auch für neue Unternehmen entwickelt werden. Auf Tompkins wollen wir jetzt einen Kaufpreis vom Bundesamt für Immobilienaufgaben wissen, dann entscheiden wir, ob der Kauf wirtschaftlich erfolgen kann. Dort soll ja im Norden eine große Photovoltaikanlage entstehen. Und im Bereich hinter den historischen Kasernengebäuden wollen wir Platz schaffen für Gewerbebetriebe – kleinere und mittlere. Es gibt dafür auch schon Anfragen aus der Stadt heraus, die an ihre räumlichen Grenzen stoßen und sich vergrößern wollen. Außer Logistik ist da meines Erachtens vieles möglich, auch Co-Working-Areale könnten hier entstehen.

Und im Bahn-Ausbesserungswerk starten wir auch eine neue Initiative. Wir haben jetzt nochmals alle Unternehmen angeschrieben, die jemals dort Interesse gezeigt haben und wir werben offensiv neue Interessenten ein. Nach ersten Kontakten und Gesprächen bin ich optimistisch, dass wir auch hier endlich zum Erfolg kommen könnten. Auch innerstädtische Leerstände im Einzelhandel werden wir in den kommenden Wochen zusammen mit unserem Stadtmarketing aktiv beleuchten und im Dialog mit den jeweiligen Eigentümern erforschen, an was es liegt, dass kein neuer Mieter zu finden ist. Vielleicht gelingt es ja im Zusammenspiel, dann doch Lösungen zu finden. Noch ist unser Handelsmix in der Innenstadt gut, aber wir müssen etwas tun, damit er nicht kippt.

Wie entwickelt sich die Standortentscheidung von Geohardt zur Geothermie seitens der Stadt?

Steffan: Zunächst muss es darum gehen, dass wir in den kommenden Monaten die Ergebnisse der Untersuchungen aus dem Aufsuchungsgebiet zwischen Schwetzingen und Mannheim von Geohardt erhalten. . In einem ersten Schritt sollten die Ergebnisse in die Gemeinderäte eingespielt werden, damit sich die gewählten Vertreter ein Bild machen können, anschließend muss es um einen gemeinsamen Dialog in Kooperation mit dem Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim gehen.

Sie standen der Geothermie ja immer eher kritisch gegenüber?

Steffan: Ich nehme die Befürchtungen und Sorgen der Bürger in Schwetzingen sehr ernst. Niemand möchte einen Schaden an seinem Haus haben.

Welche Herausforderungen kommen 2025/26 auf Schwetzingen zu?

Steffan: Mit Blick auf den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Schulkinder ab 2026 sind wir schon heute an unseren Grundschulen mit einer starken Kern- und Hortzeitbetreuung gut aufgestellt. Dennoch haben wir einen ambitionierten Zeitplan mit dem Neu- und Ausbau der Johann-Michael-Zeyher-Grundschule vor uns. Eine Umsetzung könnte jetzt zügig voranschreiten, da wir uns mit dem Regierungspräsidium abgestimmt haben, um die erforderliche Landesförderung zu erhalten. Mit Blick auf die Gesundheitsversorgung sehe ich mit der geplanten Schließung der Notfall- und Bereitschaftspraxis, aber auch der vom Bund beschlossenen Krankenhausreform die nächsten großen Herausforderungen auf uns zukommen.

Auch müssen wir weiter an der Wärmeplanung zusammen mit unseren Stadtwerken arbeiten, angesichts der geltenden Klimaziele, sprich der CO2-Neutralität bis 2045. Konkret geht es unter anderem darum, den Fernwärmeausbau weiter voranzutreiben und weiter Klarheit zur künftigen Wärmeversorgung zu geben. Gemeinsam mit der Schwetzinger Wohnbaugesellschaft und privaten Investitionen kommt es in den nächsten zwei Jahren weiterhin darauf an, den Wohnungsmix zu erweitern, um sicherzustellen, dass es auch künftig bezahlbaren Wohnraum in Schwetzingen gibt.

Bei aller Effizienz muss die Gesundheitsversorgung im Vordergrund stehen

Welche Rolle spielt die Verwaltung denn bei der Schließung der Bereitschafts- und Notfallpraxis?

Steffan: Es soll zukünftig nach Auffassung der Kassenärztlichen Vereinigung nur zwei Standorte pro Landkreis geben. Dabei ist es sinnvoll, sagen die Experten, wenn diese an ein Krankenhaus angebunden sind, wie in Schwetzingen. Die Entscheidung ist, dass ein Standort in Sinsheim und eine in Weinheim bleiben soll, sodass sich die Bürger in der Region Schwetzingen-Hockenheim an die Standorte in den Städten Heidelberg und Mannheim wenden müssten. Wir kämpfen darum, dass unsere Praxis bleibt, denn eine Schließung würde die anderen Standorte belasten, für zusätzliche Fälle in der Notfallambulanz sorgen. Das treibt aus meiner Sicht die Allgemeinkosten eher nach oben und kann nicht im Sinne der Kassenärztlichen Vereinigung sein. Gerade die Pandemie hat gezeigt, dass solche dezentralen Standorte wichtig sind, wenn die Kliniken in den Ballungsräumen überzulaufen drohen. Bei aller Effizienz muss immer noch die Gesundheitsversorgung der Bürger, also die Daseinsfürsorge im Vordergrund stehen.

Die Entscheidungen sind doch schon getroffen. Da könnte nur noch ein Minister eingreifen, oder?

Steffan: Genau. Ich muss gestehen, ich hätte mir schon vor Weihnachten in Stuttgart gewünscht, dass die Landespolitik und hier speziell Gesundheitsminister Manfred Lucha eingreift. Wir arbeiten weiterhin intensiv daran und haben noch etwas Zeit, da die Schließung erst für den Sommer geplant ist.

Die Messe ist noch nicht gelesen?

Steffan: Ich hoffe, dass aus meiner Sicht die Messe noch nicht gelesen ist.

Sie wollen den Sport stärker in den Fokus rücken – wie tun sie das?

Steffan: In den Wahlkampf habe ich die Idee eines Sportentwicklungskonzeptes eingebracht, welches ich spätestens im kommenden Jahr starten möchte. Zwischenzeitlich ist es mit dem Gemeinderat gelungen, siebenstellige Investitionssummen in unser städtisches Stadion für den Schul- und Breitensport in diesem Jahr in den Haushalt einzustellen. Diese Umsetzung ist ein klares Signal für die Sportinfrastruktur in unserer Stadt. Ich freue mich auch, dass wir den Sport in unsere Städtepartnerschaften weiter integrieren, so auch beim 20-jährigen Jubiläum mit Spoleto, bei der wir das Thema Inklusion und Sport in den Mittelpunkt stellen.

Soll es dann auch eine weitere Sporthalle – beispielsweise hinter den Tennisplätzen – geben?

Steffan: Wie ich bereits im Wahlkampf betont habe, liegen mir die Investitionen in unsere Sporteinrichtungen sehr am Herzen. Gleichzeitig müssen wir jedoch die aktuelle Wirtschaftslage im Blick behalten, die mit erheblichen Kostensteigerungen einhergeht. Bei Kindergärten, Schulen, Sporthallen und dem Lehrschwimmbecken müssen wir substanzielle Mittel in den Erhalt investieren. Aktuell erscheint mir daher eine weitere Sporthalle eher unwahrscheinlich.

Der bürokratische Aufwand bindet zu viele Kräfte

Welche Rolle spielt die ausufernde Bürokratie der Verwaltung bei den gestiegenen Kosten?

Steffan: IIch möchte ein Beispiel anführen: Es handelt sich um die Förderung des Bundes in Höhe von zwei Millionen Euro, die wir für das Rothacker‘sche Haus bekommen. Eine Teilabrechnung im laufenden Prozess, die regelmäßig bereits heute einen enormen Verwaltungsaufwand für uns als Kommune bedeutet, wurde vom Bund überarbeitet, da 6.000 Euro aus ihrer Sicht nicht ausreichend präzisiert waren. Wir müssen in vielen Bereichen feststellen, dass der bürokratische Aufwand alle Bereiche und Ebenen erfasst und zu viele Kräfte bindet.

Vor dem Hintergrund des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg – war der Schwetzinger Weihnachtsmarkt sicher?

Steffan: Als dieser schreckliche Anschlag passierte, haben wir nochmals nachgerüstet. In enger Abstimmung mit der Polizei, der Feuerwehr und den Veranstaltern haben wir alle notwendigen Vorkehrungen bestmöglich getroffen, auch mit dem Wissen nicht jedes Risiko damit ausgeschlossen zu haben. Wir entwickeln das Sicherheitssystem unserer Veranstaltungen und für den kommenden Weihnachtsmarkt immer weiter fort, so dass wir als Ergebnis weitere sinnvolle Absperreinrichtungen in den nächsten Monaten beschaffen wollen.

Nach dem Attentat wurde sofort nachgerüstet, wie sie sagen. Dann waren die Schwächen doch vorher bekannt. Wurden sie also zunächst in Kauf genommen?

Steffan: Wir hatten schon zuvor eine gute Sicherheitsstruktur, die wir nach dem Anschlag in Magdeburg, insbesondere auf den Gehwegen noch einmal verstärkt haben. Letztlich befinden wir uns immer in dem Spannungsverhältnis, dass Besucher einerseits sicher sein wollen, andererseits aber auch nicht das Gefühl einer Festung entsteht, die Menschen an einem schönen Ort wie einem Weihnachtsmarkt ängstigt.

Feuerwehr und Polizei müssen bei vielen Einsätzen den Weg über den vielbefahrenen Schlossplatz nehmen, wo Schrittgeschwindigkeit herrscht und auch mit Blaulicht nur schwer ein Durchkommen ist. Da gehen wertvolle Sekunden verloren. Muss der innerstädtische Verkehr entzerrt, Straßen wieder für Autos geöffnet werden und der Kaufland-Kreisel eine zusätzliche Abfahrt Richtung Mühlenstraße bekommen?

Steffan: Es gibt sowohl Pro- als auch Contra-Argumente, die in den Diskussionen behandelt werden. Mein Wunsch im Rahmen dieser Debatte ist, dass wir uns verantwortungsbewusst mit den Themen auseinandersetzen. Wir sollten uns nicht gegeneinander durch Wohnlagen gelenkt, ausspielen. Ich habe den Eindruck, dass im Gemeinderat diesbezüglich weiterer Gesprächsbedarf besteht.

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Volontariat Noah Eschwey ist Volontär in der Lokalredaktion der Schwetzinger Zeitung/Hockenheimer Tageszeitung.

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