Schwetzingen lebt ja eigentlich von seinem Image, die schönsten Feste zu feiern und so etwas wie die Kulturhauptstadt der Region zu sein. Das alles ist im Moment besonders schwierig, ja beinahe unmöglich. Wie hat sich nun die Pandemie auf die Stadt ausgewirkt und welche Zukunftsprojekte hat man dennoch angepackt. Darüber haben wir mit Oberbürgermeister Dr. René Pöltl gesprochen, der ja auch Anfang 2022 darauf verzichten muss, seine Bürger zu einem Empfang einzuladen.
Vor einem Jahr gab es den neuen Impfstoff gegen Corona. Hätten Sie gedacht, dass uns die Pandemie jetzt – ein Jahr danach – noch immer so im Griff haben würde?
René Pöltl: Nein. Ich hatte zur Jahreswende 2020/21 die große Hoffnung und Zuversicht, dass wir durch die bevorstehenden Impfungen eine durchgreifende Verbesserung der pandemischen Lage erreichen werden. Das hat sich so leider nicht bewahrheitet. Der Blick auf andere Länder wie Israel, Italien, Spanien oder Portugal zeigt, dass dies vor allem an der noch zu geringen Gesamtimpfquote liegt, die letztlich dazu führt, dass das Gesundheitssystem überwiegend durch ungeimpfte Infizierte und erkrankte Personen stark überlastet wird. Hier müssen wir dringend besser werden, sonst wird uns auch das Jahr 2022 keine Perspektive bieten. Solange es das SARS-CoV-2-Virus gibt, müssen wir damit möglichst sicher leben, was nur mit einem ausreichenden Impfschutz funktionieren wird.
Was vermissen Sie am meisten zu Pandemiezeiten?
Pöltl: Das normale menschliche Miteinander. Durch die Pandemie sind die Kontakte im Beruf und im Privatleben enorm eingeschränkt worden. Dies hat unsere Gesellschaft stark verändert und es tut uns Menschen nicht gut. Wir sind keine Einzelgänger, sondern leben im Miteinander als soziale Wesen, das zeichnet unsere Gesellschaft aus. Das aktuelle, dem Schutz geschuldete Absonderungsverhalten trägt leider dazu bei, dass wir als Gesellschaft auseinanderdriften und zunehmend vereinzeln. Ich hoffe sehr, dass sich dies wieder nach dem Ende der angespannten pandemischen Lage beheben wird.
Wie hat sich die Arbeitsweise im Rathaus durch die Pandemie verändert?
Pöltl: Sie hat sich leider enorm verändert. Zum einen ist es unsere Kernaufgabe, die von Bund und Land verordneten Schutzmaßnahmen vor Ort umzusetzen. Das kommunale Management der Corona-Pandemie macht seit März 2020 in vielen Bereichen der Stadtverwaltung und auch bei meiner eigenen Arbeit einen Großteil der aktuellen Aufgaben aus. Zum anderen haben sich auch unsere Arbeitsabläufe stark verändert. Grundsätzlich kann das Rathaus nur noch mit Termin besucht werden, es gilt die 3G-Regel für Besuche im Rathaus, größere persönliche Meetings werden vermieden und finden oftmals nur noch online statt, es gibt vermehrt Homeoffice und wir entzerren die Kontakte unter den Mitarbeitern. Im Ergebnis wird unser Arbeitsleben von Corona dominiert.
Was nervt Sie besonders an der Landesregierung, wenn Sie an die Corona-Verordnungen denken?
Pöltl: Über längere Zeit hat mir vor allem die klare Linie in den zu treffenden Maßnahmen gefehlt. Mit dem Stufenplan (Basisstufe, Warnstufe, Alarmstufe), der im Sommer 2021 von der Landesregierung auf den Weg gebracht wurde, hat sich das zum Glück geändert. Nach wie vor werden aber Änderungen und neue Maßnahmen zu hektisch erarbeitet. Wir müssen dann alles in kürzester Zeit vor Ort umsetzen und transparent machen. Und zuletzt führt dies auch in Stuttgart zu handwerklichen Fehlern und zu kurz gedachten Entscheidungen, wie zuletzt beim Thema 2Gplus. Der grundlegende Fehler in diesem Jahr war die unterbliebene Vorbereitung auf den Winter und die absehbar notwendigen Drittimpfungen, hier lag die Verantwortung in erster Linie beim Bund und die ist fahrlässig dem Bundestagswahlkampf geopfert worden. Dennoch möchte ich daran erinnern, dass unser Leben aktuell nicht von Entscheidungen der Politik gesteuert wird, sondern von einem Virus, das die Welt fest im Griff hat, und dass das Ende der Pandemie letztlich nicht von uns, sondern vom Virus bestimmt werden wird.
Auf welches fertiggestellte Projekt 2021 sind Sie besonders stolz?
Pöltl: Das ist der Neubau des Gebäudes der Schimper-Gemeinschaftsschule. Auch wenn wir aktuell noch den einen oder anderen Baumangel beseitigen müssen, hat die Schimper-Schule jetzt einen hochmodernen Lernraum, der zeitgemäße pädagogische Arbeit im Sinne der Schüler ermöglicht. Trotz der enorm hohen Investition ist das für die drei Trägergemeinden der Schule – Schwetzingen, Oftersheim und Plankstadt – ein wichtiger Schritt gewesen, auf dessen Umsetzungsergebnis wir alle stolz sind.
Was ärgert Sie, wo sind Sie nicht weiter gekommen?
Pöltl: Mich ärgert im eigentlichen Sinne wenig, was sicherlich auch an meiner positiven Grundeinstellung liegt. Interessanterweise geht es bei diesem Thema für mich nicht um Projekte, sondern viel wichtiger um uns selbst und unseren Umgang miteinander. Ich habe leider größere Sorgen wegen des deutlich ausgeprägten Egoismus, der während der Corona-Pandemie zunehmend in Erscheinung getreten ist. Es geht zu häufig nur noch um die eigene Sichtweise und die eigenen Interessen, der Rest wird ausgeblendet oder absichtsvoll ignoriert. In der aktuellen Krise hätte ich mir das ganz anders vorgestellt. Zu viele Menschen stellen sich gegen die Interessen des Gemeinwohls und sich selbst in den Mittelpunkt. Und deutlich zu viele Menschen überschreiten die Grenzen eines respektvollen Miteinanders. Zum Glück gibt es immer noch sehr viele vorbildliche Menschen, die für andere da sind und in der Krise nicht inhaltslos schwadronieren, sondern mit anpacken.
Um zu konkreten Dingen zu kommen. Welche Fortschritte werden wir auf dem Pfaudler-Areal in einem Jahr sehen?
Pöltl: Die Bauarbeiten im ersten Bauabschnitt werden gut vorangekommen sein, die ersten Gebäude werden deutlich sichtbar sein. Ich bin wirklich sehr gespannt darauf.
Gibt es einen neuen Sachstand zum ehemaligen Ausbesserungswerk?
Pöltl: Im nördlichen Teil wird Decathlon seinen Logistik-Standort nochmals erweitern. Für das Gewerbegebiet im südlichen Ausbesserungswerk werden wir im Jahr 2022 den notwendigen Bebauungsplan auf den Weg bringen, damit wir möglichst bald Raum für Um- und Neuansiedlungen im Gewerbereich bieten können.
Besteht die Gefahr, dass sich die Stadt mit der Sanierung und den Folgekosten fürs Rothacker’sche Haus übernimmt?
Pöltl: Nein, sonst würden wir es nicht angehen. Weder der Schwetzinger Gemeinderat noch ich selbst sind für einen verantwortungslosen Umgang mit den Finanzen bekannt. Wir haben in den letzten Jahrzehnten stets gut und nachhaltig gewirtschaftet, trotz deutlich mehr Aufgaben und wichtiger Projekte. Die Sanierung des Rothacker’schen Hauses ist für uns ein großer finanzieller Brocken, keine Frage. Wir stehen aber auch in der Verantwortung zum Erhalt eines historisch bedeutsamen, denkmalgeschützten Gebäudes im Herzen unserer Stadt. Und dessen Erhalt und eine für die Allgemeinheit sinnvolle Nutzung hat ehrlicherweise einen Preis, der es uns wert sein sollte. Am Ende entspricht es dem Wunsch eines großen Teils der Bevölkerung, dass das Rothacker’sche Haus erhalten bleibt.
Wie werden sich die städtischen Finanzen entwickeln, welche Einsparungen sind möglich, wie weit dreht sich die Steuerschraube weiter?
Pöltl: Wir haben nach über einem Jahrzehnt die Einnahmeseite durch Anpassungen von Steuern und Gebühren verbessern müssen, um unsere laufenden Kosten (nicht die Investitionen) stemmen zu können. Das letzte Mal war dies in der Finanzkrise 2008/09 nötig gewesen. Ich gehe davon aus, dass diese Konsolidierung die Finanzierung der laufenden kommunalen Ausgaben für viele Jahre absichern wird. Weitere Erhöhungen sind in dieser Form nicht mehr geplant. Auf der Ausgabenseite können wir nur bei den sogenannten „Freiwilligen Ausgaben“ sparen, die vom Staat übertragenen Pflichtaufgaben müssen wir erfüllen. Zu den freiwilligen Aufgaben gehören vor allem unser Freizeitbad Bellamar, die Stadtbibliothek, die Vereinsförderung, die Kulturförderung, soziale Projektausgaben und der Klimaschutz. Man muss da aber ehrlich sein: Würden wir hier sparen, würde dies die Lebensqualität und die Zukunftsfähigkeit (Stichwort Klimaschutz!) unserer Stadt erheblich reduzieren, zugleich aber – gemessen an den Gesamtausgaben in diesem Bereich – nur gering zur Konsolidierung des Gesamthaushalts beitragen. Wir haben uns das in diesem Jahr sehr genau angeschaut und uns dann anstelle von Kürzungen für ein Einfrieren der Ausgabenhöhe bis zum Ende der laufenden Wahlperiode des Gemeinderats entschieden.
Was wünschen Sie sich für 2022 im Umgang miteinander?
Pöltl: Mehr Respekt voreinander, mehr zuhören und andere verstehen, mehr sich selbst und die eigene Wahrnehmung hinterfragen, mehr für andere Menschen da sein und uns alle als Gemeinschaft begreifen. Sehr viel mehr „Wir“ und deutlich weniger „Ich“.
Welche Hoffnungen haben Sie in Bezug auf das kulturelle Leben und eine zurückkehrende Fest- und Feierlaune in 2022?
Pöltl: Im Augenblick sind es leider nur Hoffnungen, da wir alle nicht wissen, was das SARS-CoV-2-Virus und die Corona-Pandemie im kommenden Jahr für uns noch bedeuten werden. Und diese Hoffnungen bestehen bei mir dahingehend, dass wir in unserer Stadt über die Kultur, die Vereine und das Leben im Allgemeinen wieder zusammenkommen und unsere Lebensfreude wiederfinden können. Das brauchen unsere Seelen, das braucht jeder und jede Einzelne von uns. Das wünsche ich uns von ganzem Herzen!
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