Schwetzingen. Auf eine solch langjährige Tradition können viele nur neidisch sein: Die 161. Schwetzinger Herrenbierprobe lockte knapp 500 Biertester in die Nordstadthalle. Es war einiges anders, vieles aber auch vertraut bei dieser ältesten Männerveranstaltung der Kurpfalz, die coronabedingt letztmals 2020 stattgefunden hatte. Die Rechte für das Bierfest, das einst als gesellige Zusammenkunft der Gesangsvereine entstand, liegen heute bei der Welde-Brauerei als langjährigem Partner des Männergesangvereins Liederkranz 1860.
Am Eingang bekamen die Gäste gleich eine Flasche „Welde Slow Beer Pils“ der badischen Braumanufaktur in die Hand. An der Sponsorenwand mit den Logos der Unterstützer wurden Erinnerungsfotos geschossen. Saxofonistin Kathi Monta empfing die Bierfreunde derweil mit gefühlvollem Sound.
Badner Lied gehört auch dazu
Welde-Chef Max Spielmann begrüßte um kurz nach 18 Uhr die erwartungsfrohen Freunde des goldenen Gerstensaftes. Der Musikverein 1929 Ketsch unter der Leitung von Günter Karl marschierte mit dem „Trompetenecho“ in die Halle. Auch das gemeinsame Singen bleibt der Herrenbierprobe erhalten. So waren wie gewohnt die Lieder „Freiheit, die ich meine“ und „Ein Heller und ein Batzen“ zu hören. Vielstimmig wurde auch das „Badner Lied“ geschmettert. Wenn die Kehlen mit Bier angefeuchtet sind, klappt das mit dem „Frischauf, frischauf“ und der Hymne vom „schönsten Land in Deutschlands Gauen“ immer ganz besonders hervorragend.
Ein hervorgehobener Willkommensgruß galt Oberbürgermeister Matthias Steffan. Der durfte auf den Stuhl steigen und den Musikverein bei einem „Prosit der Gemütlichkeit“ dirigieren. Und auch der langjährige frühere Brauerei-Chef Dr. Hans Spielmann fühlte sich als „Nur-Gast“ an diesem Abend offensichtlich pudelwohl.
Man wolle an alte Erfolge anknüpfen, versicherte Max Spielmann und holte den Liederkranz-Vorsitzenden Gerhard Rieger auf die Bühne. Schließlich habe der Männergesangverein die Herrenbierprobe so lange am Leben erhalten und die Traditionsfete Jahr für Jahr mit viel Mühe auf die Beine gestellt. Dafür überreichte er einen 500-Euro-Gutschein an Rieger, damit „die Liederkränzler im Welde-Brauhaus ordentlich Bier trinken können“. Die nächsten gut gefüllten Krüge kamen auf die Tische. Neben den Welde-Flaggen war auch die badische Fahne in den Farben Rot und Gelb zu sehen.
Eine halbe Stunde lang wurde dann kurpälzisch gebabbelt. Comedian Christian „Chako“ Habekost erklärte dem bierseligen Publikum, warum Rap und Hip-Hop nicht in den USA, sondern in der gesegneten Region am nördlichen Oberrhein erfunden wurden. Die „Kurpälzer Sprooch“ sei eben wie „Sprengstoff uff der Zung“.
Für das „Beschd of Chako“-Programm war der Geräuschpegel in der Halle aber leider zu hoch. Dass die „Tragetasche“ bei uns eine „Dudd“ ist, bekamen die meisten aber mit. Habekost dozierte über Männergespräche an der Pinkelrinne, über die „coolsten Leute“, die es in Deutschland gibt und darüber, „dass der Genitiv bei uns nie gelebt hat“. „Weesch, wie’sch män?!“ Die Menge antwortete mit einem lauten „Ah jo!“. „Pflegt den Dialekt weiter“, wünschte sich der Babbler für die Männerrunde.
Oben im Foyer der Nordstadthalle wurde derweil der „Babbedeggel-Orden“ für den nächsten Kurpfälzer Fasnachtsumzug verkauft. Unten auf der Bühne heizte DJane Kathi Monta den Männern mit Hits wie „Superjeile Zick“, „Highway to Hell“ und „Wahnsinn“ ordentlich ein. Die meisten ließen sich beim Getränk bedienen, andere holten sich den Gerstensaft direkt an den Zapfstellen ab. Schließlich wollten immerhin 30 Hektoliter an diesem Abend getrunken sein.
„Wir wollen an Altbewährtem festhalten“, meinte Max Spielmann. Deshalb gab es nach über 20 Jahren auch wieder eine Wild-Tombola. Kathi Monta gab die Glücksfee für die Tisch- und Platznummern. Plüschtiere symbolisierten die Preise, die vom Täubchen über Pute, Rehbock und Wildsau bis zum Hirsch aus dem Odenwald reichten und bei der Metzgerei Gieße abgeholt werden können. Das Team sorgte an dem Abend auch für die feste kulinarische Verpflegung mit Bockwurst, Currywurst, Kässpätzle und Wurstsalat.
Kapitaler Hirsch als Volltreffer
Der kapitale Hirsch mit 250 Kilogramm Fleisch ging an Kevin Roderig. Der 32-jährige IT-Berater freute sich riesig über den Volltreffer aus der Tombola. Familie und Freunde sollen bei einer Grillparty in den Genuss kommen. Inzwischen hatte auch die Schnapsbar für die Besucher geöffnet.
Die Herrenrunde begrüßte die Partyband „Midnight Ladies“, die eine unbändige Frauenpower auf die Bühne zauberte. Mit „Sweet Caroline“ und „I’m Gonna Be“ geriet die Männerschar außer Rand und Band. Die Krüge gingen in die Höhe. Die meisten hielt es nicht mehr auf den Stühlen.
Benny (43) aus Ketsch war, wie er sagte, schon oft dabei. Für seinen Kumpel Jan (27) aus Heidelberg war es eine Premiere als Biertester vor Ort: „Unsere Gruppe wechselt immer wieder durch. Das Programm ist immer sehr abwechslungsreich.“ Für Thilo (32) war es ebenfalls ein erstes Mal. Der Trainer der Ringkampfgemeinschaft Reilingen/Hockenheim war allerdings „mit Sicherheit nicht das letzte Mal hier“, wie er versicherte. „Wenn keine Frauen dabei sind, gibt es auch keinen Stress“, meint Benny und lacht.
Die Halle tobte, die ersten entledigten sich ihrer Krawatten. „Männer kommt nach vorne“, riefen die „Midnight Ladies“ die Bierfans zum „Skandal im Sperrbezirk“ zu.
Rama Aithal (62) freute sich über die „hervorragende Veranstaltung. Der Ressortleiter Integration beim Sportkreis Heidelberg war zum ersten Mal da und hatte gleich die Mannschaft des Rugby-Sportclubs Neuenheim 1902 mitgebracht. Der Verein aus dem Heidelberger Stadtteil hat seit dem vergangenen Jahr eine Vereinbarung mit der Brauerei in Plankstadt für die Belieferung des Clubhauses. „Dieses Mal haben wir noch drei Fahrer rausgedeutet, den Fehler begehen wir nächstes Jahr nicht mehr“, meint der langjährige Vorsitzende lachend, der mit seinem Bruder Rafa (52) bei den Partykracher „Cordula Grün“ und „Rockin’ all over the World“ mitging.
Stephan (38) hatte vor über zwölf Jahren von Freunden von der Herrenbierprobe erfahren. Seitdem ist der gebürtige Heidelberger immer wieder dabei. Heiß begehrt waren Bilder mit den „Midnight Ladies“. Dann wurde die beleuchtete Stange für den Pole-Dance-Auftritt von Lea Roth auf Hochglanz gebracht. „Jetzt wird’s richtig heiß“, kündigte Max Spielmann die vielfache Gewinnerin von Poledance-Wettbewerben an. Das war akrobatisches Können gepaart mit Eleganz und Ästhetik. Anfassen war aber verboten, die Security hatte ein wachsames Auge darauf. Bei der ausdrucksstarken Showeinlage an der Stange klickten unzählige Fotohandys. Immer mehr Herren drängten zur Bühne. Ein gemeinsames Foto mit Lea Roth wollte sich kaum einer entgehen lassen.
Neue Ideen ausprobieren
Günther Martin aus Ketsch erinnerte sich an seine ersten Herrenbierproben vor vielen Jahren, damals noch in den „guten alten Zeiten“ im Schlosszirkel. Dr. Hans-Joachim Förster von der Schwetzinger Carneval-Gesellschaft habe ihn als Edler vom Hofe „quasi gezwungen“, meinte der heutige Grünen-Gemeinderat aus Ketsch und lacht. Inzwischen findet er die Veranstaltung fantastisch. Martin freute sich über die Unterstützung seiner Parteifreunde Robert Brusnik und Nikolaus Eberhardt bei der Herrenbierprobe.
DJane Kathi Monta trieb derweil die Stimmung weiter nach oben. In der Nordstadthalle ging immer mehr die Post ab. Fazit: Die Bierfest-Neuauflage nach Corona war schon mal gut. Die Veranstaltung ist aber noch ausbaufähig.
Traditionelles sollte – so hieß es – bewahrt werden, neue Ideen kommen aber auch fast immer an. Nach und nach machten sich die Fans des goldgelben Gerstensaftes auf den Heimweg. Manche drängten auch noch in die Gastronomie auf dem Schlossplatz. Am Ausgang gab es für jeden Biertester noch eine Anstecknadel zur Erinnerung an die 161. Herrenbierprobe.
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