SWR Festspiele - Ensemble „The Present“ überzeugt

Schwetzinger Marienvesper der besonderen Art

Von 
Eckhard Britsch
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Das Ensemble „The Present“ beim Auftritt im Schloss. © SWR/Anna Jenetzky

Schade, dass sich manche Kulturbürger allzu sehr auf prominente Namen und gängige „Standards“ verlassen, anstatt ganz einfach ihrer Neugierde zu frönen. Denn alles bei den Schwetzinger SWR Festspielen ist eigenwertig. Im Schloss erlebten denn auch die Besucher des locker bestuhlten Mozartsaals eine hinreißende Überraschung, als das Ensemble „The Present“ eine Marienvesper der besonderen Art anbot: Sinnlich, freudvoll, fern liturgischer Strenge oder Dogmatik, als Psalmvertonungen aus dem 17. Jahrhundert an assoziativer Musik der zeitgenössischen Komponistinnen Hildegard Westerkamp, Michèle Bokanoswki und Catherine Lamb gemessen wurden.

Weitere Überraschung: die Vitalität und phantasievolle Satzkunst, mit denen Chiara Margarita Cozzolani (1602 bis 1678) ihre Vertonungen ausstattete und in Kauf nahm, gegen erzbischöfliche Strenge und konziliare Vorgaben zu verstoßen. Ein rein weibliches Programm, abgesehen von Claudio Monteverdis Referenzstück „Laudate Dominum“ in einer Instrumentalfassung mit Juliane Laake (Gambe) und der Continuo-Gruppe Lee Santana (Laute) und Mira Lange (Truhenorgel/Cembalo), wo die Gambenspielerin brillierte.

Perfekten Raumklang erzeugten die vier Sängerinnen und vier Sänger, präsent und doch durchhörbar, mit feinen Abstufungen und sensibler Emotionalität ausgeführt. Anspruchsvoll sind die Stücke, denn den frühbarocken Vertonungen in ihrer edlen Verehrung des Seins standen originelle Sätze vor allem der Deutsch-Kanadierin Hildegard Westerkamp gegenüber. Die erzeugt über elektroniische Zuspielungen von Naturgeräuschen und Babylauten oder Geplapper eigenwillige Mischungen, in die dann Stimmen eingefügt werden und durch Überlagerungen, Interferenzen und überlegte Klangsteuerung eigenständigen Charakter gewinnen.

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Die menschliche Stimme kann mehr als Choräle anstimmen oder der Verfeinerung des deutschen Kunstlieds dienen. Michèle Bokanowski etwa treibt das irisierende Farbenspiel auf die Spitze, während Catherine Lamb vokale Virtuosität für ein tetralogisches Gegenüber der Frauenstimmen hervorzaubert. Die Reise ins Frühbarock mit Schwerpunkt Cozzolani komplettierten Sätze von Srorace und Leonarda. Allesamt erzeugten sie Begeisterung.

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