Schwetzingen. In Schwetzingen war es der erste richtig warme Sommertag im Jahr. Vielleicht weckte dies bei manchen die Lust auf eine Reise in den Süden. Denn in Spanien werden gerade die Orangen reif. Aus Spanien kommen die Mitglieder eines Azahar Ensembles. Der Name Azahar hat einen arabischen Ursprung und steht für die in Südspanien so verbreitete weiße, aromatisch duftende Orangenblüte. - Die Mitglieder es Bläserquintetts sind André Cebrián Garea (Flöte), Maria Alba Carmona Tobella (Oboe), Miquel Ramos Salvadó (Klarinette), Antonio Lagares Abeal (Horn) und María José García Zamora (Fagott).
In der Konzertankündigung war zu lesen: „Die Mitglieder des Azahar Ensembles kommen allesamt aus Spanien – aber was heißt das schon?“ Klischees spanischer Musik wie Kastagnetten, Fandango und Flamenco wurden nicht bedient. Stattdessen war man herzlich eingeladen, das Land und seine unterschiedlichen Landschaften aus sehr eigener, erzählerischer Sicht kennenzulernen.
Das 2010 von Mitgliedern des Nationalen Jugendorchesters von Spanien gegründete Azahar Ensemble absolvierten ein Kammermusikstudium beim Fagottisten Sergio Azzolini an der Hochschule für Musik Basel. Neben mehreren internationalen Erfolgen war das Quintett 2014 Preisträger bei dem renommierten internationalen ARD-Musikwettbewerb in der Kammermusikkategorie „Bläserquintett“. Seither hat das Quintett eine rege Konzerttätigkeit auf internationalen Bühnen entwickelt.
Ensemble präsentiert ganz neue Kompositionen
Das Azahar Ensemble präsentierte am Freitagabend in der sehr gut besuchten Orangerie ganz neue Kompositionen – darunter drei Uraufführungen – und ältere Musik. Das Konzert begann mit einem geistlichen Stück des spanischen Priesters und Renaissance-Komponisten Tomás Luis de Victoria (1548 – 1611). In der katholischen Liturgie ist das „Tantum Ergo“ ein Hymnus, ein feierlicher Lobgesang, zur Verehrung des Leibs Christi und wird während der Segnung und Anbetung des Allerheiligsten Abendmahls gesungen. Das fünfstimmige geistliche Lied wurde vom Azahar Ensemble für fünf Bläser bearbeitet.
Danach folgte ein großer musikalischer Sprung in die Gegenwart. „Die Werke tragen Spuren der Vergangenheit und werfen Licht auf die Zukunft“, erklärte María José García Zamora. Und so folgte die erste Uraufführung, das „Quinteto de Agua“ (Wasserquintett), das die Bewegung des Wassers in der Stille versinnbildlicht. Homophone Sequenzen mündeten in schnellere, polyphone Läufe, und beruhigten sich wieder. Effekte wie kurzes Anblasen der Instrumente, ganz tiefe und ganz hohe Zwischentöne sowie tonlose Geräusche ergaben ein impressionistisches Bild des Wassers.
Komponist des Stücks war der 1952 in Madrid geborene Komponist José Luis Turina; die ursprünglich vorgesehene Besetzung waren vier Bassettklarinetten, die durch ihren besonderen Aufbau mit einem wie ein S gebogenes Mundstück, und einem ebenfalls gebogenen Trichter am unteren Teil einen Tonumfang über vier Oktaven spielen kann. Im Laufe des Konzerts in Schwetzingen nutzte Klarinettist Miquel Ramos Salvadó ein solch eher seltenes Instrument.
Drei Uraufführungen in der Orangerie Schwetzingen
Es folgte eine zweite Uraufführung: „Très Sospirs i una Festa“ (drei Seufzer und ein Fest) des 1989 in Barcelona geborenen Jordi Cornudell, der übrigens in Karlsruhe studiert hat. Nach einem ruhigen Anfang erfolgte urplötzlich ein sehr lautes, anhaltendes Schluchzen der Instrumente– schließlich kehrte wieder Harmonie ein. Tiefe Trauermusik leitete einen weiterer „Sospir“ ein. Sie wurde jäh unterbrochen durch laute wehmütige Schreie der Instrumente, (kontrolliert!) schräge Töne, Pfeifen und Geräusche, die wieder in ein leises, fast liebliches Spiel der Klarinette und Flöte übergingen.
Mit den Worten von Zamora: „Wir spielen das, was wir am besten können“, beendete die Gruppe die Komposition mit fröhlich-ausgelassener Festmusik, die – wie es sich bei einem lustigen Fest gehört – manchmal ganz schöne wild und schräg klang, aber mitunter mischten sich melancholische Töne ein.
Die dritte Uraufführung war eine „Fantasia Scarlattiana“ des ebenfalls 1989 in Barcelona geborenen Miquel Ramos. Es war eine musikalische Collage von Traumbildern mit losen Zusammenhängen, von archaisch klingenden tiefen Tönen, gefolgt von verwobenen Melodien, Rhythmen, die zum Zusammenspiel ermunterten, Schnipsel von Tänzen und immer schneller werdender Marschmusik, die sich in mitreißende Rhythmen entwickelte und in einem finalen gerufenen „Hey“ endete. Die Komposition endete in einem begeisterten Applaus.
Tanzstile wie Tango und Bolero fließen ein
Das Programm endete mit der Suite „Sevilla“ von Joaquín Turina (1882 – 1949), dem Großvater von José Luis Turina, der Komponist des „Quinteto de Agua“, das zuvor als zweites Stück gespielt worden war. Dieser hat die Komposition „Suite pittoresque op. 2“ bearbeitet. Die „Bilder“ der Suite sind „Sous les Orangers“ (Unter den Orangenbäumen), „Le Jeudi Saint à Minuit“ (Gründonnerstag um Mitternacht) und „La Feria“ (Das Fest). Es war ein bunter Abschluss, bei dem sich Traurigkeit mit Freude mischten und Tanzstile wie Tango und Bolero einflossen.
Nach einer Ballade, die teilweise gesungen wurde, endete das recht ungewöhnliche Konzert mit viel Applaus. Bei aller Durchmischung von Klängen, Motiven, Stilen, Geräuschen fiel die ungeheure Präzision der Darbietung auf. Meisterhaft!
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-spanisches-azahar-ensemble-bringt-musikalische-poesie-nach-schwetzingen-_arid,2307850.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen.html