SWR Festspiele

Stars in Schwetzingen: Dieser Auftritt bleibt in Erinnerung

Bei den Schwetzinger SWR Festspielen tritt die Crème de la Crème der Klassikszene auf. Das trifft auf das Konzert des Belcea Quartetts zusammen mit der Bratschistin Tabea Zimmermann und dem Cellisten Jean-Guihen Queyras zu.

Von 
Jakob Roth
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Spielfreude pur: das Belcea Quartett mit Cellist Jean-Guihen Queyras sowie Tabea Zimmermann (M.). © Franziska Schildgen/SWR Festspiele

Schwetzingen. Ein frischer Sommerwind streichelt die Büsche. Allmählich verschwindet die Sonne hinterm Horizont und taucht den Schlossgarten Schwetzingen in warmes Licht. Der Himmel ist wolkenlos. Beinahe wirkt es romantisch, dieses Bild. Und irgendwie passt dieser malerische Anblick zur Musik, die das Belcea Quartett zusammen mit der Bratschistin Tabea Zimmermann und dem Cellisten Jean-Guihen Queyras im Mozartsaal anlässlich der SWR Festspiele spielt. Ihr Programm: die beiden Streichsextette von Johannes Brahms. Das sind zwei Werke, die so gar nicht in das „Streber-Professoren-Image“ passen, das dem vollbärtigen Brahms so oft nachgesagt wird. Denn er war ein Romantiker, der den klassischen Sonatensatz und Kontrapunkt genauso beherrschte, wie tiefe, sinnliche Musik direkt aus dem Herzen. Und dass Johannes Brahms in seinen Stilen und Einflüssen durchaus flexibel ist, machten Zimmermann, Queyras und das Belcea Quartett mit ihrer unbändigen Spielfreude mehr als deutlich.

Der Mozartsaal am Freitag um 19.30 Uhr: Das Publikum sitzt. Durch die wandhohe Eingangstür kommen die Musiker durch den Saal und auf die Bühne. Vorab gibt es keine Rede, keine Ablenkung. Das Konzert beginnt. Gleich im ersten Satz von Brahms Streichsextett Nr. 1 in B-Dur ist ein zarter, volkstümlicher Klang zu erleben. Leicht erinnert es an die Machart der Lieder von Franz Schubert, besonders weil sich hier erhabener Klang und leichter „Volkston“ nicht widersprechen. Gespielt vom Belcea Quartett entsteht hier ein beeindruckendes Klangbild. Das homogene Zusammenspiel, der detaillierte Dialog zwischen Einzelstimmen und Musikern und der fast organisch funktionierende Einsatz von Dynamik und Tempo - all das ist im Einklang. Es fällt schwer, zu glauben, dass zwei der Musiker gar nicht zur ursprünglichen Besetzung der „Belceas“ gehören.

SWR Festspiele in Schwetzingen: Ein leicht ungarisch wirkendes Thema breitet sich aus

Im zweiten Satz breitet sich Tabea Zimmermann mit einem leicht ungarisch wirkenden Thema aus. Der sehr kurze Scherzo-Satz lässt dann bewusst viel musikalisches Material aus - nur, damit es Brahms im Finale einbauen kann. Hier entsteht ein angeregter Dialog zwischen der hohen und der tiefen Sextettgruppe, den die Musiker voll auskosten. Neben aller technischen Qualität begleitet ein zutiefst leidenschaftlicher Klang die Szenerie - genau an den richtigen Stellen kosten Zimmermann, Queyras und die Belceas jede Note aus. Nach der Schlussformel steht der letzte Ton kurz im Raum, dann bricht Applaus los. Pause. In der zweiten Konzerthälfte kommt das zweite Streichsextett von Brahms. Stücke verschiedener Gattungen komponierte Brahms in Paaren: seine ersten beiden Symphonien, die Klavier- und Streichquartette und auch seine beiden Streichsextette. Deshalb gibt es auch Gemeinsamkeiten zwischen seinem ersten und zweiten Sextett - beide fallen in einen Zeitraum privater Umbrüche.

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Bekannt ist Brahms Verlobung mit Agathe von Siebold, der Tochter eines Professors aus Göttingen. Diese löste er 1859 auf. Ebenso prominent übersetzt er im ersten Satz seines Streichsextetts Nr. 2 in G-Dur ihren Namen in Notenschrift. Das Motiv A-G-A-H-E erklingt nach der Vorstellung der beiden Hauptthemen.

Das A-G-A-H-E-Motiv klingt auch in Schwetzingen markant

Markant klingt dieses Motiv auch in Schwetzingen - stark arbeitet es vor allem Suyeon Kang an der Geige heraus. Zu Beginn ist nur ein zerbrechlicher Klangteppich zu hören, aus dem sich dann die Themen entwickeln - meisterlich umgesetzt von den Musikern.

Im zweiten Satz, dem Scherzo, klaut Brahms bei sich selbst. Ein Klavierstück, das er 1855 als Teil einer Suite geschrieben hatte, wird hier zur Grundlage einer musikalischen Idee. Das ist nur ein weiterer Verweis auf Brahms Privatleben. Und damit geht es weiter. Das erweiterte Belcea Quartett führt durch den langsamen Adagio-Satz. Dieser erinnert an den deutschen Komponisten Robert Schumann, zu dem Brahms auch engen Kontakt pflegte. Dann folgt eine große Gefühlsexplosion: Die Belceas spielen den Finalsatz des zweiten Streichsextetts. Über Variationen vorangegangener Themen wird auf eine energetische Schlusskadenz hingearbeitet. Zum Schluss klingen drei markante Akkorde. G-Dur verhallt kurz im Raum.

Die Musiker kommen noch vier Mal auf die Bühne, um sich zu verbeugen. So lange ebbt der Applaus nicht ab. Tabea Zimmermann, Jean-Guihen Queyras und das Belcea Quartett haben Brahms Streichsextette beeindruckend gespielt - ein Festspiel-Auftritt, der im Gedächtnis bleiben wird.

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