Wein auf ärztliches Rezept? Diese Idee würde sicher viele Freunde finden, allerdings wäre unser ohnehin schon kränkelndes Gesundheitssystem dann ganz am Ende. Doch gegeben hat es den Rebensaft als medizinische Empfehlung für geschwächte Immunsysteme schon: Im Mai 1892 informierte die Ortskrankenkasse Heidelberg den Schwetzinger Apotheker Durand, dass entschieden worden sei, „unseren erkrankten Kassenmitgliedern nach ärztlicher Verordnung Weiß- oder Rotwein verabfolgen zu lassen“.
Dieses Schreiben ist eines von vielen Relikten aus der über 220-jährigen Geschichte der Hof-Apotheke in der Hebelstraße – direkt neben dem Rathaus. Im April 1780 hatte kein Geringerer als Kurfürst Carl Theodor die Genehmigung zur Eröffnung der Apotheke gegeben. Bis zur Schließung Ende September 2002 war sie dort untergebracht. Zwar längst nicht mehr als Hoflieferant, aber dafür viele Jahre als Anlaufstelle für die Schwetzinger.
Das schöne Haus zwischen Rathaus und Stadtbauamt wurde etwa 1745 gebaut, der darunterliegende Gewölbekeller dürfte noch einmal 50 Jahre älter sein. Bevor 1780 die Hof-Apotheke ihren Betrieb aufnahm, waren dort eine Bäckerei und eine Metzgerei untergebracht, erzählten die ehemalige Inhaberin Doris Krüger und ihre Tochter Gabi Würz einmal unserer Zeitung.
Seit 1898 war das Gebäude dann in Familienbesitz. Der Ururgroßvater von Gabi Würz übernahm damals die Apotheke, die zwischenzeitlich mal kurze Zeit verpachtet war, ehe 1953 Hans Krüger die Familientradition fortsetzte. Der Apotheker war immer auch ein Mensch, der neben der Liebe für seinen Beruf einen Blick und eine Vorliebe für antiquarische und erhaltenswerte Dinge hatte. Deshalb wurde in der Apotheke vieles erhalten, was heute von besonderem musealen Interesse ist.
Wertvolle Hinterlassenschaften
Nach seinem Tod hielt auch seine Familie diese Stücke in Ehren und präsentierte sie einige Jahre auch der der Öffentlichkeit. Da es viel zu schade wäre, die vielen großen und kleinen museumsreifen Stücke irgendwo im Verborgenen schlummern zu lassen, entschloss sich die Familie Krüger Ende 2002, in den bisherigen Räumen der Apotheke die „Museumsstube Schwetzingen“ zu eröffnen, in der bis 2016 ein Geschenkeladen untergebracht war. Im letzten Jahr kaufte nun die Stadt das Gebäude, um mehr Platz für die Verwaltung zu schaffen.
Im Haus gab es noch zahlreiche weitere interessante Exponate. So ist zum Beispiel die alte Inneneinrichtung aus dem 19. Jahrhundert noch erhalten, es gibt Pillen- und Zäpfchenmaschinen von anno dazumal, Standgefäße, Medikamentendöschen, Verpackungen, viele Buchhaltungsunterlagen oder alte Schreiben und Rechnungen – zum Beispiel von der „Schwetzinger Zeitung“, von längst nicht mehr existierenden Handwerksbetrieben, Wirtschaften oder dem Finanzamt, das damals „Großherzoglich-Badische Ober-Einnehmerei“ hieß – ein Begriff, der auch heute irgendwie noch passen würde.
Die wichtigsten Dokumente – auch die gut erhaltenen und lückenlos bis 1908 vorhandenen Rezepturbücher – sind inzwischen im Stadtarchiv untergebracht. Sogar die kurfürstliche Urkunde, mit der Carl-Theodor erlaubte, dass der Hofstaat mit Medikamenten versorgt wird, ist noch im Original vorhanden.
Info: Bilder aus der Hof-Apotheke: www.schwetzinger-zeitung.de
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