Heidelberg. Fast 2000 Jahre lang schlummerten die Funde in der Erde, die letzten 60 Jahre zugedeckt von einem Parkplatz. Der geplante Neubau des Nationalen Präventionszentrums des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) brachte sie jetzt ans Licht: Im Neuenheimer Feld in Heidelberg wurden 17 römische Gräber entdeckt. Mit ihnen wurden so wertvolle Funde wie ein Pferdeskelett, Teller, Schalen, Krüge, Öllämpchen aus Keramik, Glasperlen, auf dem Scheiterhaufen verschmolzene Glasgefäße und die Körper von Verstorbenen gesichert.
Dass der Boden der Baustelle an der Berliner Straße möglicherweise archäologisch interessant sein könnte, war klar: In den 1950er- und 1960er-Jahren ist im Neuenheimer Feld der mit 1400 Gräbern größte Bestattungsplatz in Südwestdeutschland entdeckt und weitgehend gesichert worden. Die Mehrzahl der rund 100 000 Einzelfunde aus dem ersten bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts lagern heute im Depot des Kurpfälzischen Museums.
Berndmark Heukemes gilt als Entdecker des Gräberfeldes
Doch wie kam es überhaupt zu der wohl einzigartigen Dichte an Funden an dieser Stelle? Auf einer Länge von 450 Metern beiderseits der einst römischen Straße nach Ladenburg (Lopodunum) haben die Römer ihre Verstorbenen beigesetzt - damit sie die Gräber stets leicht erreichen konnten, um sie an speziellen Feiertagen besuchen und Opfer bringen zu können, erklärt Andreas Hensen. Heute Leiter des Lobdengau-Museums in Ladenburg, hat er früher am Kurpfälzischen Museum Heidelberg intensiv die Ausgrabungsfunde wissenschaftlich aufgearbeitet - und sich dabei immer wieder mit Berndmark Heukemes ausgetauscht.
Iinfo
- Wer sich über die Zeit der Ausgrabungen im Neuenheimer Feld in Heidelberg und über die Persönlichkeit von Berndmark Heukemes, dem ersten Erforscher des Gräberfeldes, informieren möchte, ist in einer aktuellen Ausstellung in Ladenburg richtig.
- Das Lobdengau-Museum widmet Heukemes aus Anlass seines 100. Geburtstages bis 31. März eine Sonderausstellung.
- Infos zu den Öffnungszeiten und Lage des Museums gibt es im Internet auf der Webseite unter www.lobdengau-museum.de.
Der gilt als Entdecker dieses im Südwesten einzigartig großen Gräberfeldes. Als die Universität Heidelberg in den 1950er und 1960er Jahren entlang der Neckarschleife einen neuen Campus plante, wurde der römische Friedhof erschlossen. Die Ausgrabungen begannen im Jahr 1951 und dauerten bis 1969. Von 1999 bis 2007 widmete sich ein interdisziplinäres Team in einem Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) um die Erforschung und Dokumentation.
Im Herbst untersuchte nun die archäologische Firma AAB unter fachlicher Begleitung des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart die DKFZ-Baustelle. Zu den aktuellen Funden gehört ein Ziegelplattengrab: „Der menschliche Leichenbrand war in eine aus Ziegeln zusammengestellte Kiste mit Deckel gegeben worden. Um diese herum hatte man drei Henkelkrüge gestellt, die bei der Bestattung für Trankbeigaben gedient haben“, erklärt Sarah Roth, zuständige Archäologin am Landesdenkmalamt.
Alle drei Tonkrüge hatten sich vollständig und unbeschadet in der Erde erhalten. Und auch eine Rippe eines Tieres lag bei den menschlichen Überresten: eine letzte Speise für den Weg ins Jenseits.
Auch eine bemerkenswerte Doppelbestattung sicherten die Archäologen: zwei erwachsene Männer, Rücken an Rücken und übereinander gelagert; einer der beiden Körper hat die Beine angewinkelt. Möglicherweise war dies jedoch nicht die ursprüngliche Bestattungslage - eine später an dieser Stelle eingetiefte Grube für eine Brandbestattung scheint das Körpergrab laut Roth tangiert zu haben.
Vermutlich habe man die noch im Sehnenverband befindlichen Beine des Leichnams für die neue Bestattung zur Seite geschoben, findet Roth eine Erklärung. „Der eindrucksvolle Umfang dieses Gräberfeldes bietet die Möglichkeit, das große Spektrum an Bestattungsriten und Beigabenausstattungen zu erfassen“, ordnet Roth die Bedeutung des Fundes ein.
Komplettes Pferdeskelett wirft noch Fragen auf
Die nun freigelegten Grabstätten seien bei den Grabungen in den 1950er und 1960er Jahren tangiert und vernachlässigt worden. Das lag wohl vor allem am Zeitdruck, unter dem die vor allem in der Frühzeit meist ehrenamtlichen Archäologen um Heukemes standen, ordnet Hensen in der Festschrift zum 100. Geburtstag des 2009 verstorbenen Ehrenbürgers Ladenburgs ein: „Derartige Notbergungen, oft unter improvisierten Umständen, konnten nur auf Kosten einer gründlichen Dokumentation durchgeführt werden. Heukemes‘ Aufzeichnungen lassen allerdings erkennen, dass er unter diesem Dilemma litt. Die einzige Alternative zum eilig geborgenen Fund ist der undokumentiert zerstörte Fund, von dem die Nachwelt nie erfahren hätte.“
Auch für Hensen werfen Funde wie etwa die eines kompletten Pferdeskeletts noch Fragen auf, die wissenschaftlich zu klären reizvoll wären. Insgesamt seien in diesem Bereich bereits elf bestattete Pferde und zwei Hunde gefunden worden - ein Hinweis darauf, dass am einstigen Kastell Neuenheim nicht nur Fuß- sondern auch Reitertruppen stationiert gewesen sein könnten.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/orte/schwetzingen_artikel,-schwetzingen-von-pferdeskelett-bis-oellampe-was-roemer-in-heidelberg-ins-grab-bekamen-_arid,2277155.html