Schwetzingen. Tier- und Naturschützerin Christine Frei schlägt schon seit einiger Zeit Alarm (wir berichteten exklusiv): Die Erdkrötenbabys aus dem Schlossgarten Schwetzingen sind in großer Not - und in Gefahr! Bei den Erdkröten handelt es sich um eine besonders geschützte Art, welche um diese Zeit des Jahres erstmals ihr Laichgewässer verlässt und hierbei unzähligen Gefahren ausgesetzt ist. Jetzt suchen sich die Winzlinge neue Lebensräume und queren so Wege und Straßen. Das führte nun am Dienstagabend zu einem Großeinsatz von Rettungskräften, wie die Polizei am Mittwoch mitteilt.
Die jungen Erdkröten sind nämlich zu ihrer Wanderung aufgebrochen und haben nunmehr den Schlossgarten Schwetzingen in Richtung Ketscher Landstraße verlassen. Da dies den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten des Schwetzinger Reviers bekannt ist, wie es in der Mitteilung heißt, erfolgte am Dienstagabend eine routinemäßige Überprüfung des Gebiets. Dabei stellten die Beamten gegen 20.45 Uhr fest, dass sich die winzigen Amphibien nicht nur auf den Schotterweg hinter dem Schlossgarten gewagt hatten, sondern auch versuchten, die Ketscher Landstraße in Richtung Hockenheim zu überqueren. Dabei scheiterten die Jungtiere jedoch an einem zu hohen Bordstein. Den Kröten blieb daher nichts anderes übrig, als längere Zeit auf der Fahrbahn zu verweilen beziehungsweise diese erneut zu überqueren, da in die von ihnen gewünschte Richtung kein Weiterkommen war, schildern die Einsatzkräfte vor Ort das Geschehen.
Straße kurzzeitig gesperrt
Sie stellten Zigtausende der kleinen Tiere auf der Fahrbahn fest, unzählige waren bereits dem Fahrzeugverkehr zum Opfer gefallen. Auch waren bereits viele Kröten in die Kanalisationsschächte am Fahrbahnrand gestürzt und konnten sich selbstständig nicht mehr befreien.
Die Ketscher Landstraße wurde daraufhin kurzzeitig für den Fahrzeugverkehr gesperrt. Gemeinsam mit der Freiwilligen Feuerwehr Schwetzingen, dem Ordnungsamt Schwetzingen und einigen hilfsbereiten Passanten konnten die Babykröten von der Straße gesammelt und aus den Schächten befreit werden. Die in Eimern gesammelten Kröten wurden gegen 0.15 Uhr durch die Streife in den angrenzenden Wald verbracht, da dies vermutlich das Ziel ihrer waghalsigen Wanderung war.
In der kommenden Zeit ist mit weiteren Krötenwanderungen zu rechnen, es kann daher zu erneuten Fahrbahnsperrungen in diesem Bereich kommen, so die Polizei, die das Gespräch mit der Stadt gesucht hat, um hier eine andere Lösung zu finden.
„Das Ordnungsamt war heute Morgen vor Ort und hat dabei keine Kröten auf der Straße gesehen. Das liegt möglicherweise an der Tageszeit. Man wird die Situation weiterhin beobachten und notfalls auch kurzzeitig den entsprechenden Straßenbereich sperren“, hieß es dazu am Mittwoch aus der Pressestelle des Rathauses.
Gleichzeitig bittet diese Verkehrsteilnehmer, mehr Rücksicht auf die Tiere zu nehmen. Insbesondere im Bereich der Ketscher Landstraße (K4250), zwischen Einfahrt Gewerbegebiet Hockenheimer Landstraße und der Hockenheimer Landstraße sollten Autofahrer besondere Vorsicht walten lassen. Die Empfehlung lautet sogar, die Straßen derzeit zu meiden: „Wer die Strecke nicht unbedingt nutzen muss, wird daher gebeten, diese möglichst zu umfahren. Dies ist über die L599 (Verbindung zwischen B291 und Ketsch/Schwetzingen) möglich.“
Die Stadt kündigt zudem zeitweise Vollsperrungen der Ketscher Landstraße in diesem Bereich an, um die Amphibien entsprechend bei ihrer Wanderung zu schützen beziehungsweise zu unterstützen.
Wanderungen ungewöhnlich früh
Laut Unterer Naturschutzbehörde ist die Wanderung der Babykröten in diesem Jahr ungewöhnlich früh. Der Landgang findet normalerweise erst später im Juni beziehungsweise in den Juli hinein statt. Der „Froschregen“, wie diese Massenwanderung genannt wird, dauert noch einige Tage an. Doch die Geduld sollte jeder mitbringen: Immerhin zählen Erdkröten nach dem Bundesnaturschutzgesetz und der Bundesartenschutzverordnung zu den besonders geschützten Arten. Und dass sich diese in der kurfürstlichen Sommerresidenz wohlfühlen, freut auch Dr. Andre Baumann. Der bekennende Naturschützer und Landtagsabgeordnete der Grünen wurde ebenfalls auf die Rettungsaktion am Dienstagabend aufmerksam, die Nicole Blem von der Stadt über die sozialen Medien verbreitet hatte. Daher waren neben Frank Nürnberg vom Naturschutzbund (Nabu) Schwetzingen und Umgebung auch Patrick Alberti aus dem Büro Andre Baumanns vor Ort im Einsatz.
Biologe Baumann erklärt in einer Pressemitteilung die Krux bei den kleinen Amphibien: „Während für erwachsene Kröten Krötenzäune aufgestellt werden können, geht das bei kleinsten Kröten leider nicht.“ Er betreut seit 1995 den Erdkrötenbestand im Schwetzinger Schlossgarten, damals noch als Gründungsvorsitzender des Nabu Schwetzingen. „Früher laichten Hunderte Erdkröten in der Hafenbrückenbucht im Schwetzinger Schlossgarten“, berichtet Baumann. „Auf der Hinwanderung vom Ketscher Wald wurden unzählige Kröten überfahren, bis wir vom Nabu jährlich einen Krötenzaun aufgestellt und die Tiere über die Straße getragen haben. Ich hatte mich erfolgreich bei der Stadt Schwetzingen eingesetzt, damit auf dem Schlossgartenweg ein Poller aufgestellt wird. Dieser hat den Schleichverkehr hinter dem Schlosspark von den Wanderwegen der Kröten weggeführt.“
Dr. Andre Baumann will Leiteinrichtung prüfen lassen
Trotz der Wegesperrung ist in den vergangen 20 Jahren der Krötenbestand massiv eingebrochen. „Es gab ein großes Krötensterben im Schlossgarten. In einem Jahr lagen unzählige erwachsene Kröten mit aufgeplatzten Körpern auf den Wegen vor und im Schlossgarten. In einem anderen Jahr verendeten die Babykröten im Schlossgarten“, sagt Baumann. Die genauen Ursachen für diese Phänomene konnten nicht ermittelt werden. Er hat den so genannten Chytridpilz im Verdacht. Dieser Pilz ernährt sich von Keratin, der Hornsubstanz der Haut. In Baden-Württemberg hat dieser Pilz unzählige Amphibienbestände dezimiert oder zerstört.
Daher ist Baumann umso glücklicher, dass der Erdkrötenbestand im Schlossgarten anscheinend überlebt hat und sich wieder aufbaut. „Es wäre gut, wenn rund um die Hafenbrückenbucht mehr Wasserpflanzen im Uferbereich stünden. Kröten legen ihre Laichschnüre um die Pflanzen.“ Baumann appelliert an die Bürger, bei Spaziergängen auf Kröten zu achten. „Sollte sich der Krötenbestand tatsächlich erholt haben, ist vielleicht eine Amphibienleiteinrichtung auf der Ketscher Landstraße sinnvoll.“ Er wird dies mit den zuständigen Behörden abstimmen, wie der Krötenbestand gefördert werden kann. „Straßensperrungen sind im Notfall angezeigt, aber keine Dauerlösung, wie dies bei einer Leiteinrichtung der Fall wäre“, räumt der Landespolitiker ein.
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