Digitalisierung

Wenn der Chatbot zu texten beginnt - und was das für Mannheimer Schulen bedeutet

Der Hype um das in den USA entwickelte KI-System ChatGPT ist groß. Schulen fordern eine kritische Auseinandersetzung und Anpassung der Lernmethoden

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Stefanie Ball
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Wer das (noch) kostenlose Dialogsystem ChatGPT ausprobieren möchte, braucht Geduld. Der Zugang ist begrenzt – „ChatGPT ist derzeit voll ausgelastet“, heißt es auf der Homepage. © Karl-Josef Hildenbrand/dpA

ChatGPT ist ein fortschrittliches künstliches Intelligenz (KI)-Modell, das für die Erstellung von natürlicher Sprache verwendet wird. Es hat die Fähigkeit, menschenähnliche Antworten auf Fragen zu generieren und kann für viele Anwendungen eingesetzt werden, wie zum Beispiel Chatbots, automatische Schreibassistenten und sogar für die Erstellung von Kunstwerken.

Einer der großen Vorteile von ChatGPT ist seine Fähigkeit, Schülern und Lehrern Zeit und Ressourcen zu sparen. Indem es automatisch Antworten auf häufig gestellte Fragen generiert, kann es Schülern helfen, ihre Hausaufgaben schneller zu erledigen, und Lehrern helfen, ihre Unterrichtsmaterialien schneller zu erstellen.

Allerdings gibt es auch einige Risiken. Eines der größten Risiken ist die Möglichkeit, dass Schüler und Lehrer dazu neigen könnten, sich auf automatisch generierte Antworten zu verlassen, anstatt ihre eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu nutzen. Ein weiteres Risiko besteht darin, dass ChatGPT möglicherweise nicht in der Lage ist, komplexe oder spezifische Fragen präzise zu beantworten, was zu Verwirrung und Fehlinformation führen kann.

Liebe Leserinnen, lieber Leser, haben Sie es gemerkt? Den obenstehenden Text hat ChatGPT geschrieben, eine Künstliche Intelligenz, die, seit sie Ende November ihre Arbeit aufgenommen hat und – zumindest momentan – für jeden frei zugänglich ist, für viel Wirbel sorgt. Entwickelt wurde das Programm von OpenAI, einer 2015 gegründeten US-amerikanischen Organisation, die teils gemeinnützig arbeitet und hauptsächlich von Microsoft finanziert wird. Für die Erstellung ihrer Texte benötigt ChatGPT nur ein paar Stichworte „Unterricht, Schulen, Gefahr, Nutzen“ und den Befehl: „Schreibe eine kritische Analyse über den Einsatz von ChatGPT an Schulen“. Wenige Minuten später ist der Text da. Perfekt.

Und weil das so perfekt ist, wird landauf, landab und weltweit darüber diskutiert, welche Folgen das KI-Projekt hat. Unter anderem für die Schulen, denn wie ChatGPT oben selbst vorschlägt: Die Hausaufgaben erledigt die Software im Handumdrehen. Referate, Präsentationen, Seminararbeiten – für die KI kein Problem.

Wir müssen die Medienkompetenz der Schüler stärken
Klaus Zeimer Leiter der Carl-Benz-Schule

„Ja, was machen wir denn jetzt?“, habe eine Lehrerin aufgeregt kurz vor Weihnachten gefragt, erzählt der stellvertretende Schulleiter des Johann-Sebastian-Bach-Gymnasiums, Peter Jacob. „Nichts, wir machen erst einmal auf die Schnelle nichts, sondern wir müssen lernen, damit umzugehen“, sagt Jacob.

Denn herauszufinden, ob der Text auf der Gedankenleistung des Schülers beruht oder einer künstlichen Intelligenz entspringt, ist nicht immer einfach. Zumal alle Texte Unikate sind, ChatGPT würde sich niemals wiederholen.

Umgang mit neuer Technologie als Herausforderung

Eine Problematik, die für Schulen jedoch nicht neu ist. „Woher Schüler ihre Daten beziehen, ob sie aus einem Buch abschreiben, Textbausteine aus dem Internet kopieren oder sich den kompletten Text von einer KI schreiben lassen, das ist nur ein gradueller Unterschied“, erklärt Endrik Ebel, stellvertretender Leiter des Mannheimer Schulamts.

Die Herausforderung sieht Ebel denn auch woanders: nämlich beim Umgang mit den neuen Technologien. „Hauptaufgabe von Schule ist es, die Chancen und Risiken zu thematisieren, damit die Kinder und Jugendlichen einen eigenständigen und sinnvollen Umgang mit dem Internet, den sozialen Medien und eben auch Künstlichen Intelligenzen lernen.“

Den Zugang, etwa durch eine Sperre von Schulnetzwerken, zu unterbinden, davon hält er deshalb nichts: „Es ist viel geschickter, sich mit Problemen konstruktiv auseinanderzusetzen, als diese zu verdrängen und einen pädagogischen Schonraum zu kreieren.“

Thorsten Kindermann ist Lehrer für Deutsch und Englisch an der Carl-Benz-Schule, eine von acht beruflichen Schulen in Mannheim. Er hat bereits an mehreren Schulungen zu ChatGPT teilgenommen und ist überzeugt: „Wir müssen die KI in den Unterricht integrieren.“ Zum Beispiel, und das hat ChatGPT im Eingangstext ja auch selbst vorgeschlagen, als Schreibassistent. „Die KI könnte beispielsweise zu einem Thema einen ersten Textentwurf erstellen, den die Schülerinnen und Schüler dann weiterentwickeln oder auch nutzen, um die Schwächen eines solchen Systems zu entlarven.“

Denn wie jede Künstliche Intelligenz ist der jetzt gehypte Bot nur so gut wie die Daten, mit denen er gefüttert wird. Die können falsch sein, rassistisch, frauenfeindlich, antidemokratisch. Eine Schwachstelle.

Die Faszination ist da und das Interesse der Lehrerschaft groß
Lars Hoffmann, Leiter der Konrad-Duden-Realschule

Für den Schulleiter der Carl-Benz-Schule gibt es deshalb auch nur eine Lösung. „Wir müssen die Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler stärken“, sagt Klaus Zeimer. Doch dies sei ohnehin Bestandteil des Bildungsplans, der so breit formuliert sei, dass alle Themen Platz finden. Auch ChatGPT.

Als Lehrkraft nicht Anschluss verlieren

Dass dies die Schulen gleichwohl vor große Herausforderungen stellt, will Zeimer nicht verhehlen. „Wir müssen als Lehrkräfte schauen, dass wir nicht den Anschluss verlieren.“

Da sieht Florian Nuxoll aber in erster Linie die Kultusministerien gefordert. Nuxoll ist selbst Lehrer, er unterrichtet Englisch und Gemeinschaftskunde an der Geschwister-Scholl-Schule in Tübingen und ist als Autor und Fortbildner tätig. Sein neuestes Themengebiet: ChatGPT. Er hat eine der Online-Schulungen gehalten, die Thorsten Kindermann besucht hat. „Wir brauchen an jeder Schule IT-Techniker, die die Systeme und Endgeräte pflegen und die dann auch bei der Anwendung von KI-Systemen im Unterricht unterstützen.“

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Peter Jacob vom Bach-Gymnasium betont derweil, dass gegengesteuert werden kann – und muss –, damit Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen nicht verloren gehen. Reichte früher die reine Präsentation für eine Benotung aus, müsse dies künftig womöglich um ein mündliches Kolloquium ergänzt werden: „So findet man dann schnell heraus, ob sich der Schüler das Wissen selbst erarbeitet hat.“ Und zu viel Perfektion schadet auch. „Klingt ein Text zu geschliffen, dürfte die Lehrkraft schnell skeptisch werden.“

Davon ist auch Lars Hoffmann überzeugt. Er ist Schulleiter der Konrad-Duden-Realschule und macht zurzeit die Erfahrung, dass sich ohnehin weniger die Schüler als seine Lehrkräfte für ChatGPT interessieren. „Die Faszination ist da und das Interesse groß, sich das einmal genauer anzusehen“, sagt Hoffmann. Überhaupt ist für ihn klar, dass sich die Digitalisierung der Schulen nicht in dem Besitz von Endgeräten erschöpft. „Die Frage ist ja vielmehr, wie wir diese im Unterricht nutzen, und zwar so, dass es Lehrer und Schüler weiterbringt.“

Die Überschrift des pädagogischen Tages, den die Konrad-Duden-Realschule in der kommenden Woche mit der Seckenheim-Schule gestaltet, lautet denn auch „Schule in der Digitalität“. Eines der Themen wird der neue Chatbot sein.

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