Schwetzingen. Da wird von Politikern in Sonntagsreden gern mehr Zivilcourage gefordert, aber wenn sich dann eine Bürgerin einmischt, erhält sie selbst noch eine Anzeige. So erging es jetzt einer Schwetzingerin nach einem Vorfall auf dem Lidl-Parkplatz am Moll-Gelände.
Eine Geschichte, die wir gerne als Beispiel dafür aufgreifen möchten, wie Ursache und Wirkung völlig verkehrt werden können. Und wir schildern sie mangels Kenntnis, wer die andere Seite ist, aus Sicht der Betroffenen. Sie erzählt uns die Geschichte so: „Ich sah auf dem Weg zu meinem Auto, dass zwei Frauen auf einem Mutter-Kind-Parkplatz parkten und in den Laden wollten. Da habe ich gesagt: Sie hätten wohl ihr Kind im Auto vergessen. Sofort ging es gegen mich. Das geht dich gar nix an! Die Frauen, offenbar Mutter und Tochter, gingen Richtung Geschäft. Da ich als Mutter von zwei kleinen Kindern sehr gut weiß, wie das ist, wenn die extra breiten Parkplätze belegt sind und man auf einem engeren Platz dann die Babyschale nicht reinkriegt, habe ich die Frauen bewusst angesprochen. Ich habe dann den Wagen fotografiert. Das sahen die beiden, brüllten über den Parkplatz: „Du Bitch, hör auf, mein Auto zu fotografieren“ und rannten auf mich zu. Ich konnte mich in meinen Wagen retten. Die Ältere klopfte auf meine Heckscheibe, die Jüngere forderte mich auf, die Scheibe zu öffnen und baute sich vor mir auf. Sie filmte mich mit dem Handy und ich fuhr weg, weil ich es mit der Angst bekommen habe und das Ganze nicht eskalieren lassen wollte.“
So weit, so gut. Für die Schwetzingerin war die Sache damit erledigt. Bis zu jenem Tag, an dem ihr Chef sie zu sich gebeten hat und darüber informierte, dass die Polizei sich bei ihm gemeldet habe, damit er den Namen des Nutzers des Dienstwagens bekannt gibt, der an diesem Tag auf dem Schwetzinger Lidl-Parkplatz gewesen ist. Es liege eine Anzeige wegen Beleidigung vor.
Eigentlich völlig überflüssig
Also meldete sich die Schwetzingerin bei der Polizei, schließlich hatte sie nichts Unrechtes getan, eher das Gegenteil. „Beleidigt habe ich garantiert niemand. Im Gegenteil, ich wurde beleidigt“, sagt sie uns. Sie gab ihre Version der Begegnung bei der Polizei zu Protokoll und bekam dort den Rat, selbst Anzeige wegen Verleumdung zu erstatten. Das wird sie jetzt auch machen. Wobei sie es eigentlich überflüssig findet, dass sich staatliche Stellen mit so etwas befassen müssen. Als sie dann erzählte, dass der Wagen der Gegenseite auf dem Mutter-Kind-Parkplatz stand, war die Beamtin erstaunt, denn das hatte die Anzeigenerstatterin natürlich nicht angegeben. Und auch nicht erzählt, dass sie selbst ja den Beweis auf ihrem Handy hat, dass diese niemanden beleidigt habe, weil sie ja dabei von der aufgebrachten Dame gefilmt worden war. „Besonders schlimm finde ich nicht nur, dass ich hier zu Unrecht beschuldigt werde, nur weil ich Zivilcourage gezeigt habe, sondern, dass ich so auch noch bei meinem Arbeitgeber in ein schlechtes Licht gerückt wurde“, sagt die Frau: „Da überlegt man sich dann schon, ob man nicht künftig auch lieber schweigt wie die vielen anderen Menschen.“
Wie die Angelegenheit ausgeht, werden wir weiter verfolgen.
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