Schwetzingen. Die Temperaturen steigen am Wochenende wieder erneut über die 30- Grad-Marke. Am Montag sollen es sogar bis zu 35 Grad werden in Schwetzingen. Hohe Temperaturen erschweren den gewohnten Alltag und steigern gesundheitliche Risiken. Die gute Nachricht ist: Es gibt Möglichkeiten, der Hitze entgegenzuwirken. Dr. Andreas Baier (kleines Bild), der Chefarzt für Akutgeriatrie und geriatrische Rehabilitation in der GRN-Klinik Schwetzingen, gibt unseren Lesern hier einige gute Tipps, welche Maßnahmen an heißen Tagen hilfreich sind und worauf besonders ältere Menschen achten sollten.
Dr. Baier, welche gesundheitlichen Risiken sind mit extremer Hitze verbunden und welche typischen Symptome deuten auf eine hitzebedingte Erkrankung hin?
Andreas Bayer: Gesundheitliche Risiken, die mit extremer Hitze verbunden sind, sind zum Beispiel ein hoher Flüssigkeitsverlust, der in Kombination mit der Erweiterung der Blutgefäße zur Wärmeregulation zu niedrigem Blutdruck und letztlich zum Kreislaufkollaps führen kann. Immunsystem und Stoffwechselprozesse arbeiten bei steigender Temperatur immer schlechter. Auch die Sauerstoffbindung der roten Blutkörperchen verringert sich.
Typische Symptome einer hitzebedingten Erkrankung können durch den Flüssigkeitsmangel und durch die veränderten Stoffwechselprozesse, sowie die verschlechterte Sauerstoffversorgung entstehen. Dazu gehören Erschöpfung, Schwindel, Konzentrationsstörungen und Kopfschmerzen oder – in schweren Fällen – auch Verwirrtheit, Fieber, Unruhe, Kurzatmigkeit, Muskelkrämpfe, Übelkeit und Erbrechen. Diese Symptome sind als Zeichen eines möglichen Flüssigkeitsmangel sehr ernst zu nehmen!
Wann würden Sie empfehlen, bei hitzebedingten Beschwerden einen Arzt oder gar das Krankenhaus aufzusuchen?
Bayer: Bei Unwohlsein und eines oder mehrerer der beschriebenen Beschwerden ist es ratsam, ärztlichen Kontakt zu suchen und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sollte die Hausärztin oder der Hausarzt nicht zu erreichen sein, kann der ärztliche Bereitschaftsdienst kontaktiert werden. Am besten sollte aber frühzeitig Kontakt zu Hilfspersonen – das können Angehörige, Freunde, Nachbarn, Nachbarschaftshilfe, Pflegedienst, im Zweifel auch über einen Hausnotruf sein – die unterstützen können, aufgenommen werden.
Welche präventiven Maßnahmen können Menschen ergreifen, um sich vor extremer Hitze zu schützen? Wie wichtig ist die richtige Flüssigkeitszufuhr?
Bayer: Um präventiv Maßnahmen zu treffen, muss man erst einmal wissen, wann die nächste Hitzewelle kommt. Warnungen werden ja im Radio, Fernsehen, in der Zeitung und im Internet oder per App kommuniziert. Vom Deutschen Wetterdienst wird eine aktuelle Hitzewarnkarte herausgegeben. Der Rhein-Neckar-Kreis hat sogar ein Informationsportal zum Hitzeschutz eingerichtet unter www.rhein-neckar-kreis.de/hitzeschutz. Um sich vor extremer Hitze zu schützen, sollte man die direkte Sonnenexposition – vor allem in den Mittagsstunden – meiden. Ist es unumgänglich, in die Sonne zu gehen, sollte eine Kopfbedeckung getragen werden. Stehen Erledigungen an, sollten die kühleren Morgenstunden dafür genutzt werden. Sollte man nach draußen müssen, ist es empfehlenswert zur Abkühlung nach schattigen Plätzen in nahe gelegenen Parks, Gärten, Gebäuden oder Hinterhöfen zu suchen. Bäume und andere Pflanzen befeuchten und kühlen die Luft.
Zu den präventiven Maßnahmen gehört es auch, den Wohnraum auf die neuen, zunehmenden Hitzewellen vorzubereiten. Es sollte dann durchgelüftet werden, wenn es draußen kühler geworden ist als in der Wohnung. Ansonsten sollte man die Fenster tagsüber geschlossen halten und vor Sonneneinstrahlung mithilfe von Fensterläden, Rollos oder Jalousien schützen. Auch Markisen oder Sonnenschirme helfen dabei, sich einen schattigen Platz einzurichten. Elektrische Geräte sollte so wenig wie möglich verwendet werden, damit keine zusätzliche Wärme abgegeben wird. Wohnraum- und Klimaberatung wird von den meisten Städten angeboten.
Und man soll doch viel Wasser trinken, oder?
Bayer: Ja, die richtige Flüssigkeitszufuhr ist insofern wichtig, dass abgesehen von Flüssigkeit auch Mineralsalze über den Schweiß verloren gehen. Diese können zum Beispiel über Mineralwasser, gesalzene Suppen oder Brühen ausgeglichen werden. Koffeinhaltige Getränke sollten nur in Maßen getrunken werden, da sie den Kreislauf beeinträchtigen können. Alkohol sollte besser ganz vermieden werden.
Bekannt ist, dass vor allem ältere Menschen und Schwangere unter Temperaturen über 30 Grad stark leiden. Welche besonderen Maßnahmen sollten diese Personen an solchen warmen Tagen ergreifen?
Bayer: Ältere Menschen leiden besonders unter den hohen sommerlichen Temperaturen, da körpereigene Temperatur-Regulierungsprozesse erst verlangsamt einsetzen: Aufgrund einer geringeren Anzahl von Schweißdrüsen ist die Temperaturregulation erschwert und Überhitzung kann leichter eintreten. Das Durstgefühl ist in der Regel bei älteren Menschen herabgesetzt, der Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen wird oftmals nicht ausreichend ersetzt, es droht Dehydratation. Darum ist die ausreichende Flüssigkeitszufuhr besonders wichtig. Um auf regelmäßiges Trinken zu achten, können Trinkflaschen in der Wohnung als Erinnerung aufgestellt werden. Die Getränke können ja auch geschmacklich variieren. Etwa durch Saftschorlen, ungesüßte Kräuter- oder Früchtetees. Das hilft sicher, um mehr Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Dabei ist es besser, nicht kalte oder eisgekühlte Getränke zu sich zu nehmen, sondern kühle oder lauwarme Getränke. Das bei älteren Menschen ohnehin oft verminderte Durstgefühl stellt sich dann nicht so rasch ein. Grundsätzlich ist es in Hitzeperioden ratsam, zwischen zwei und drei Liter Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Beachtet werden sollten aber im Alter nicht seltene Begleiterkrankungen wie Herz- und Nierenerkrankungen. Hier kann die empfohlene Trinkmenge abweichen, diese sollte mit dem behandelnden Arzt unbedingt besprochen werden.
Wie können wir alle älteren Menschen in diesen Phasen helfen?
Bayer: Wichtig ist, dass wir den älteren Menschen gerade in den Hitzeperioden konkrete Hilfe anbieten, es also nicht beim oftmals auch lästigen „Erinnern ans Trinken“ zu belassen. Tätigkeiten in und um das Haus sowie Einkäufe, die bislang selbstständig erledigt werden konnten, können bei extremer Hitze eine Überforderung darstellen. Die älteren Menschen möchte ich bitten, diese Hilfe dann auch anzunehmen.
Gibt es andere Personengruppen, die besonders gefährdet sind?
Bayer: Auch Schwangere stoßen bei der Temperaturregulation frühzeitig an ihre Grenzen. Es kommt beispielsweise schneller zu geschwollenen Beinen durch Wassereinlagerungen, die teilweise schmerzhaft sind. Dagegen hilft es in einigen Fällen schon, die Beine kalt zu duschen, um die Blutzirkulation anzuregen, gezielt Ruhepausen einzuplanen und zu liegen – die Beine am besten leicht erhöht. Nehmen die Beschwerden zu, werden Kompressionstrümpfe empfohlen, welche aber bei Hitze als lästig empfunden werden können. Starke Schwellungen und Wassereinlagerungen können aber deutlich unangenehmer sein. Ansonsten gelten die generellen erwähnten Maßnahmen. Diese sollten von Schwangeren besonders ernst genommen werden. Bei Unsicherheit oder Unwohlsein scheuen Sie sich bitte nicht, die behandelnden Ärzte zu kontaktieren.
Muss man etwas Besonderes bei der Einnahme von Arzneimitteln im Sommer beachten?
Bayer: Bei steigenden Temperaturen erweitern sich die Blutgefäße und der Körper verliert durch das Schwitzen zusätzlich Flüssigkeit, sodass der Blutdruck sinken kann. Dies sollte vor allem bei der Einnahme von blutdrucksenkenden Medikamenten oder von Tabletten zur Entlastung der Herzarbeit, sogenannten „Wassertabletten“, beachtet werden. Insulin oder Medikamente in Pflasterform werden durch die erweiterten Blutgefäße der Haut schneller aufgenommen und die Wirkung kann sich schneller entfalten. Viele weitere Medikamente können den Kreislauf zusätzlich belasten. Mögliche Medikamentenanpassungen sollten daher frühzeitig mit der jeweiligen Hausärztin oder dem Hausarzt abgesprochen werden.
Welche Kühlmaßnahmen gibt es denn auf der Station in der GRN-Klinik ? Gibt es an heißen Tagen mal Eis für die ganze Belegschaft?
Bayer: Leider gibt es nicht auf jeder Station eine Klimaanlage, weswegen wir auf die gängigen Lüftungsmethoden und Schatten spendenden Maßnahmen zurückgreifen müssen. Wir versuchen uns auch alle gegenseitig ans Trinken und an Pausen zu erinnern. Zwar ist „Eis für die Belegschaft“ keine besonders wirksame rehydrierende Maßnahme, aber eine, die einen positiven Energie- und Stimmungsschub erzeugen kann, weswegen dieses Mittel nicht außer Acht gelassen werden sollte! zg
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