Nach Naturkatastrophe

Wunderbare Begegnung nach 7 Jahren: Bernd Kappenstein besucht Schwetzinger Waisenhaus in Sri Lanka

Nach der furchtbaren Tsunami-Katastrophe Ende 2004 startete in Schwetzingen eine beeindruckende Hilfsaktion, die in den Bau und Betrieb eines Waisenhauses auf Sri Lanka mündete. Sieben Jahre nach der Schließung hat Mentor Bernd Kappenstein viele der Bewohner wiedergetroffen.  

Von 
Andreas Lin
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Bernd Kappenstein besucht mit Anusha Pereira und 14 der früheren Bewohner das ehemalige Waisenhaus-Gebäude. © Kappenstein

Schwetzingen/Matara. Es war eine Reise in eine wirklich emotionale Vergangenheit: Im September 2006 hatte Bernd Kappenstein das Schwetzinger Waisenhaus in Matara/Sri Lanka eingeweiht – das Ergebnis einer beispiellosen Hilfsaktion in Schwetzingen nach der furchtbaren Flutwelle Ende Dezember 2004. Es war ein Herzensprojekt des damaligen Oberbürgermeisters, das ihn bis heute begleitet. Jetzt – sieben Jahre nach Ende des Projekts und Schließung des Waisenhauses 2016 – ist er noch einmal nach Matara gereist, um „seine“ Jungs zu treffen, die inzwischen alles junge Männer sind, die mitten im Leben stehen – dank der Unterstützung aus Deutschland.

Der Kontakt ist nie abgerissen. „Ich habe immer Wert darauf gelernt, dass die Jungs Englisch lernen und am Computer fit sind“, erzählt Kappenstein. Er sorgte auch damals für die entsprechende IT-Ausstattung im Haus, sodass er immer mit ihnen kommunizieren konnte – bis heute. „Sie schreiben mir immer noch regelmäßig.“ Auch die gute Seele des Hauses, Leiterin Anusha Pereira.

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Schwetzingen: Besuch im ehemaligen Waisenhaus

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Und jetzt kam es nach sieben Jahren zum emotionalen Wiedersehen. „Aus den Buben sind gestandene Männer geworden – die meisten mit Bart“, erzählt Bernd Kappenstein stolz: „Alle machten einen glücklichen und zufriedenen Eindruck. Auch die ehemalige Hausleiterin Anusha („Ein Glücksgriff“, sagte Kappenstein einst) war mit dabei und war hingerissen: „Es war mir ein Vergnügen, die Freude in den Augen unserer Jungs zu sehen, ihn wiederzutreffen“, sagte sie.

Bei diesem Wiedersehen waren 14 Jungs anwesend, die anderen waren beruflich nicht abkömmlich. „Einer ist leider an Leukämie verstorben“, bedauert Kappenstein. Die Jungs sind inzwischen zwischen 23 und 28 Jahre alt. „Alle fühlen sich als große Familie“, hat der seit Jahren in Oftersheim lebende Ex-OB sofort gespürt. Kein Wunder, denn die Waisen und Halbwaisen sind ja zusammen aufgewachsen. Inzwischen stehen alle mitten im Leben.

Kanishka aus Sri Lanka hat sogar Medizin studiert

Kanishka und sein jüngerer Bruder Dilanka sind so etwas wie der Musterschüler der Truppe. Beide haben den A-Level bestanden, der höchste Bildungsabschluss analog unserem Abitur. Kanishka hat gerade sein Medizinstudium beendet. Der drei Jahre jüngere Dilanka hat Architektur studiert.

Mahesh Hewakandamby (2. v. l.) begleitet Bernd Kappenstein bei der Reise. © Kappenstein

„Er möchte heiraten, sobald er es sich leisten kann“, erzählt Bernd Kappenstein. Und das ist so eine Sache. Er verdient umgerechnet gerade einmal 80 Euro im Monat. Die Preise sind aber vergleichsweise sehr hoch. Ein Bier kostet beispielsweise 2 Euro. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt: „Schließlich hat seine Freundin ein Fotogeschäft, vielleicht reicht das gemeinsame Einkommen zur Familiengründung.“

Auch viele der anderen Jungs, die zum Wiedersehen gekommen sind, haben einen Job: Vajira leitet einen Supermarkt, Pasindu arbeitet in einem Hotel in Galle und Madura ist Manager in seiner eigenen „Juice Bar“ in Ranna. Chanushka ist Mitarbeiter in einem Verkaufsgeschäft und Isuru in einem Lebensmittelladen. Kasun (28) ist als einziger verheiratet und Koordinator in einem Industriebetrieb. Sameera arbeitet in einem Sport-Wettbüro und hat sich auf IT spezialisiert. Sajith ist Verkaufsrepräsentant und Ishara ist Maschinen-Operator in einer Manufaktur.

Die Fakten

  • Matara, eine Stadt mit 70 000 Einwohnern, liegt im Süden Sri Lankas. Sie war heftig von der Flutwelle am 26. Dezember 2004 betroffen. Es waren etwa 3000 Opfer zu beklagen, darunter viele Kinder.
  • Unter der Schirmherrschaft des damaligen Oberbürgermeisters Bernd Kappenstein wurde im Januar 2005 die Aktion Fluthilfe ins Leben gerufen, die den Bau eines Waisenhauses ermöglichte. Vom 5. bis 13. März 2005 fand als Aktionsschwerpunkt eine „Woche der Solidarität“ statt. Zahlreiche Vereine und Gruppierungen, aber auch viele Einzelpersonen und Unternehmen hatten sich in die Aktion eingebracht.
  • Das Schwetzinger Waisenhaus in Matara wurde aus den Erlösen der „Aktion Fluthilfe“ gebaut und im September 2006 eingeweiht. Anfang März 2007 konnten die Kinder dann endgültig in das Haus einziehen. Auch der Betrieb wurde komplett durch Spenden finanziert. Insgesamt wurden über 360 000 Euro zusammengetragen.
  • Ende 2016 hatten alle Waisenhaus-Bewohner ihren Schulabschluss erreicht. Deshalb übergaben Vorsitzender Bernd Kappenstein und die mitgereiste Delegation damals das Haus an den Grundstückseigentümer, den buddhistischen Trägerverein. ali

Stellvertretend für seine „Brüder“ hielt Kanishka eine Begrüßungsrede auf Englisch und brachte im Namen aller die ehrliche und besondere Dankbarkeit zum Ausdruck: „Durch das Hilfsprojekt haben wir die Chance für ein ordentliches Leben in der Zukunft bekommen, was von unschätzbarem Wert ist.“ Der besondere Dank galt der Einwohnerschaft von Schwetzingen und allen Paten sowie dem aus Matara stammenden und in Deutschland lebenden Verbindungsmann Mahesh Hewakandamby sowie dessen verstorbenen Vater Piyasena, der als verlässlicher Verantwortlicher vor Ort fungiert hatte.

Das ließ Bernd Kappenstein in Erinnerungen schwelgen – an diese großartige Hilfsaktion, die nach der furchtbaren Tsunami-Katastrophe Ende 2014 in Schwetzingen ins Rollen kam: „Das war eine einzigartige Sache. So einen Zusammenhalt in der Stadt zu erleben, war fantastisch. Da bin ich immer noch stolz drauf.“

Bernd Kappenstein (3. v. l.) hat die ehemaligen Waisenhaus-Bewohner zum Essen in ein Restaurant am Meer eingeladen. Die Wiedersehensfreude ist bei allen riesengroß. © Kappenstein

Genauso wie auf die lange Freundschaft mit Mahesh Hewakandamby. Ihn hatte Bernd Kappenstein damals im Flugzeug auf der ersten Reise nach Sri Lanka kennengelernt und saß auf der Rückreise zufällig wieder neben ihm. „Sicher ein Wink des Schicksals“, sagt Kappenstein. Denn daraus entstand das konkrete Hilfsprojekt „Haus Schwetzingen“ in Matara an der Südspitze der Insel.

Über 330 000 Euro für Waisenhaus in Sri Lanka gesammelt

Unter Kappensteins Führung wurde der Verein Aktion Fluthilfe gegründet, es gab bald eine Woche der Solidarität im März 2005, die allein 134 000 Euro einbrachte. Über 30 Paten fanden sich, die es mit ihren Spenden nicht nur ermöglichten, dass das Waisenhaus im September 2006 eingeweiht, sondern auch zehn Jahre betrieben werden konnte. Rund 330 000 Euro kamen zusammen, mit denen der Bau, die Unterhaltung, Ausstattung, Verpflegung und das Personal finanziert wurden.

So verabschiedeten die Jungs ihre Gäste aus Schwetzingen nach der Einweihung 2006. Heute sind sie alle gestandene junge Männer. © Lin

„Jeder Cent kam im Projekt an“, sagt Bernd Kappenstein noch heute stolz. Es gab keine Verwaltungskosten oder Aufwandsentschädigungen, sämtliche Reisen nach Sri Lanka bezahlten die Teilnehmer selbst. Und immer wieder schauten Menschen aus Schwetzingen dort nach dem Rechten, verbanden private Urlaube mit einem Besuch in Matara – wie zum Beispiel Stadtrat und Gärtnermeister Herbert Nerz, der die Außenanlage geplant hat. Oder damalige Bürgermeister und jetzige Landrat Stefan Dallinger, der bis heute ebenfalls eine sehr emotionale Verbindung zu dem Projekt hat.

Am 21. Dezember 2016 fand schließlich nach zehn Jahren die Schlussfeier statt – verbunden mit der Rückgabe des Gebäudes an das buddhistische Kloster, dem damals schon der Grund und Boden gehörte, auf dem das Waisenhaus entstanden ist. Meistens dabei war Mahesh Hewakandamby – auch jetzt. Der Geschäftsmann aus Halver in Westfalen begleitete Bernd Kappenstein und war genauso begeistert, was aus den Jungs geworden ist: „Es war sehr schön, sie wiederzusehen.“ Der Kontakt zu ihnen wird sicher nicht abreißen, betont Bernd Kappenstein, der jetzt auf allen Handys der ehemaligen Waisenkinder verewigt ist: „Jeder wollte ein Foto mit mir machen.“ Auch er hat viele Impressionen von dieser neuerlichen emotionalen Reise mitgebracht. Die Jungs trägt er aber vor allem weiterhin im Herzen.

Redaktion Stv. Redaktionsleiter + Lokalsportchef Schwetzinger Zeitung

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