Speyer. Was für ein Auflauf! Wohl nie zuvor hat es bei der Eröffnung einer Ausstellung in der Dialogzone der Vereinigten VR Bank Kur- und Rheinpfalz einen Andrang wie am Donnerstagabend gegeben. Eine außergewöhnliche Präsentation, mit der das Geldinstitut in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsverein Speyer ein Stück Stadtgeschichte aus der Versenkung geholt hat. Die Renaissance bezieht sich auf einen besonderen Stammtisch mit dem Namen „Die Pfalzgrafen 1946“.
Eine in tiefer Freundschaft verbundene eloquente Männerrunde prägte ab 1946 maßgeblich das Speyerer Alltagsgeschehen. Die selbst ernannten Pfalzgrafen trafen sich stets in der Schwarzamsel, der zweitältesten Gastwirtschaft in Speyer. Und zwar im Nebenraum, der unter Kennern als die „Burg zur Schwarzen Amsel“ bekannt ist und bis heute genutzt wird. Gründungsmitglieder waren Titus Becherle, Hugo Rölle, Alfred Schäfer, Peter Nahstoll und Magnus Gruber. Pfalzgrafen waren ursprünglich Amtsträger und Vertreter des Königs oder Kaisers. Sie standen dem Hofgericht vor und übten leitende Funktionen allgemeiner Art aus. Ausgestattet mit Wandgemälden, Skulpturen, Wappen, Urkunden, Fotos, Scherenschnitten der Mitglieder und weiteren Erinnerungsstücken dürfte es in der Region nichts Vergleichbares geben. Leider lebt von den einstigen Mitgliedern der besonderen Runde nur noch der ehemalige Bundeswehrkommandeur Rainer Faller, der krankheitsbedingt nicht an der Ausstellungseröffnung teilnehmen konnte. Anwesend war hingegen Hanne Gruber, Witwe des Stammtischmitgründers Magnus Gruber (1926 bis 1988).
Nostalgische Einblicke in die Speyerer Nachkriegsgeschichte
Im Dialogzentrum des Geldinstitutes werden den Besuchern bis zum 28. März nostalgische Einblicke in die Speyerer Nachkriegsgeschichte geboten. Die informative Grundlage dazu bilden 22 sehenswerte Gästebücher des Stammtisches. Reich bebildert und mit intellektuell anspruchsvollen Zitaten sowie vielen lockeren Sprüchen versehen, informieren sie anekdotenreich über vielfältige Aktivitäten der Pfalzgrafen in Speyer und weit darüber hinaus. Zweifellos eine sinnvolle Methode, die eigene Geschichte für die Nachwelt zu erhalten.
Die Organisatoren haben keine Mühe gescheut, die Bücher und einiges mehr optimal zur Geltung zu bringen. Die 22 Bücher liegen aufgeschlagen in fünf gläsernen Flachvitrinen. Zahlreiche Kopien einzelner Blätter sind auf zwei Stellwänden zu sehen. Zudem werden Erinnerungsstücke in zwei großen Standvitrinen gezeigt. Dazu zählen interessante Stücke aus der Burg zur Schwarzen Amsel und aus Privatbesitz. Zudem ist an der Stirnwand der Dialogzone das vergrößerte Wappen des Stammtisches zu sehen, während ein großformatiges Busbanner an Fahrten des Stammtisches nach München erinnert.
Initiator der „Pfalzgrafen-Renaissance“ ist Fritz Hochreither, Ehrenmitglied und Archivar des Verkehrsvereins Speyer. Er ist im Zuge akribisch geführter Recherchen bei der Witwe des Pfalzgrafen-Gründers Magnus Gruber fündig geworden. Das inzwischen an das Stadtarchiv übergebene Konvolut umfasste neben den Gästebüchern auch noch 292 Postkarten. Die ersten tragen ein Datum von 1949, die letzten stammen aus dem Jahr 2007.
Buchveröffentlichung über die Speyerer Pfalzgrafen
Wenn die Ausstellung über ein Stück Speyerer Geschichte zu Ende ist und die Gästebücher wieder zurück ins Stadtarchiv gehen, werden Inhalte davon dennoch öffentlich zugänglich sein. Und zwar in Form eines Buches, das der Verkehrsverein mit Unterstützung von wohlwollenden Spendern Ende März herausbringt. Dann ist das Werk mit 252 reich bebilderten Seiten und dem Titel „Die Pfalzgrafen 1946 – Ein Speyerer Stammtisch mit Tradition“ für 19,80 Euro an der Kasse des Judenhofes erhältlich. Zudem nimmt der Verkehrsverein unter der Mail-Adresse info@verkehrsverein-speyer.de ab sofort Bestellungen entgegen. Auf diesem Weg georderte Bücher werden gegen Portoersatz per Post zugestellt.
Die Ausstellung ist bis 28. März während den Geschäftszeiten der VVR-Bank in der Bahnhofstraße 19 zu sehen.
Stimmen zur Ausstellung:
Till Meßmer, Vorstandssprecher VVR Bank und Ideengeber der Ausstellung: „Die Resonanz auf diesen besonderen Blick auf ein Stück Stadtgeschichte zeigt, dass es richtig war, die Pfalzgrafen wieder aufleben zu lassen. Es ist uns eine Ehre, diese Ausstellung über ehrenwerte Speyerer Bürger und ihr Wirken gemeinsam mit dem Verkehrsverein ausrichten zu können.“
Bürgermeisterin Monika Kabs: „Was wir hier sehen, ist ein Stück Speyerer Identität. Auch eine besondere Art von Geschichtsunterricht. Dieser von Toleranz und Hilfsbereitschaft geprägte Stammtisch, der Kontakte in alle Berufszweige einschließlich der Bundeswehr pflegte, war mehr als „nur“ ein Stammtisch. Mit der Ausstellung und dem in Kürze erscheinenden Buch geht ein Stück Stadtgeschichte nie mehr verloren.“
Uwe Wöhlert, Vorsitzender Verkehrsverein und Laudator: „Die Ausdruckskraft der Gästebücher mit viel Lokalkolorit, Pfälzer Lebensfreude und jede Menge Patriotismus haben Fritz Hochreither und mich fasziniert und uns regelrecht angestachelt, dieses Stück Stadtgeschichte zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Buch und Gästebücher mit bekannten Namen bieten eine großartige Gelegenheit, in die Stadtgeschichte einzutauchen. Die Stammtischmitglieder waren eine verschworene Gemeinschaft und effektive Netzwerker. Das war auch nötig, denn im Gründungsjahr galt es, sich für den Wiederaufbau der Demokratie in unserem Land und insbesondere in Speyer zu engagieren. Wöhlert schloss mit den Worten, das Ausstellung und Buchprojekt nur möglich wurden, weil viele Menschen und Institutionen zielgerichtet unterstützt haben, was einen günstigen Buchpreis ermöglicht. Wöhlerts besonderer Dank galt neben Fritz Hochreither dem Redaktionsteam Susanne und Norbert Kühner, sowie dem Grafiker Roland Brönner und der Druckerei und Werbeagentur Maier-Medien in Lingenfeld.“
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