Speyer. Für Freddy Zinnecker waren die Wochen seit dem 16. November eine kleine Erlösung. Seit dem 6. Januar hatte er keine Einnahmen mehr generiert. Die Corona-Pandemie hat ihn und seinen Betrieb völlig ausgebremst. Nach nur vier Wochen wurde jetzt wieder die Notbremse gezogen. Das Virus verbreitet sich rasend. Die Schausteller sind abgezogen.
Lange haben die Verantwortlichen der Stadt mit Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler (SPD), der Marktmeisterei und dem Speyerer Schaustellerverband nach Lösungen gesucht, den Beschickern zur Weihnachtszeit einen kleinen Umsatz zu ermöglichen und den Menschen in der Stadt ansatzweise adventliche Gefühle zu vermitteln. Weihnachtsmarkt und ein alternatives Weihnachtsdorf mussten aufgrund der Entwicklungen als Ideen eingestampft werden. Die Lösung: dezentral aufgestellte Schaustellerwagen mit Leckereien zum Mitnehmen.
Zinnecker hatte den Paradeplatz in der Mitte der Stadt, auf dem Königsplatz. Süßwaren und Deftiges bot er dort an. „Den Verlust können wir nicht aufholen, aber es gibt immerhin ein bisschen Umsatz“, sagte er zu Beginn der Spielzeit. Dass der Vorhang so schnell wieder fallen musste, war zwar verständlich, aber dennoch schockierend. Eine Lebensversicherung hat Zinnecker bereits gekündigt, um mit dem Geld seinen Alltag im Fluss zu halten.
Erstmals ins Geschehen eingestiegen war Andreas Berger mit seiner Schlemmerhütte. Die stand auf dem Festplatz. „Ich finde es wirklich gut, was die Stadt hier für uns gemacht hat“, betonte er am letzten Verkaufstag. Drei Wochen mischte er mit im Schaustellergeschehen. Seinen Crêpesstand betrieb parallel dazu sein Sohn vor einer Tierfutterkette in der Iggelheimer Straße.
Ein paar Löcher gestopft
„Das Geschäft ist okay gewesen. Wir können ein paar Löcher stopfen“, versicherte Berger. Weniger enttäuscht, denn vielmehr dankbar ist der Beschicker für die Zeit. Entlohnt wurde er für den Mut, seinen Stand zu öffnen. „Die Akzeptanz unter der Bürgerschaft war immens. Ich habe große Solidarität erlebt, was sich in Form von Trinkgeld niedergeschlagen hat“, berichtet Berger.
Eines indessen hat sich nicht ergeben: Profit durch Laufkundschaft. „Das war weniger als erhofft“, gibt der Speyerer Schausteller zu. Seine Einnahmequelle seien in erster Linie Stammkunden gewesen, die ihn in Regelzeiten auf Festen besuchen.
Bei Alexander Lemke, der sich am Rhein, unmittelbar vor dem Flaggenmast, platzieren durfte, machten Spaziergänger den Löwenanteil der Kundschaft aus. „Es waren viele Leute unterwegs, die unsere Crêpes gut angenommen haben“, fasst Lemke am letzten Tag vor der Schließung zusammen. Aufgrund der gut laufenden Geschäfte hatte sich der Beschicker, gleichzeitig Vorsitzender des Speyerer Schaustellerverbands, schnell dazu entschlossen, seine Verkaufstage aufzustocken. War er zunächst nur freitags bis sonntags vor Ort, erhöhte er nach einer Woche und begann bereits mittwochs.
„Dafür, dass es eine Notlösung war, bin ich sehr zufrieden“, versichert Lemke. Nur zu gerne hätte er das Engagement verlängert. Das kann Berger nur bestätigen. Beide verstehen aber die Notwendigkeit der unverhofften Schließung.
Die Hoffnung für 2021? „Schwierig“, meint Berger, atmet durch und fügt an: „Wir sind nicht desillusioniert und hoffen, dass es beizeiten weitergeht.“ Lemke glaubt allerdings nicht an einen Start vor März. Wie er sich fühlt, bringt er so auf den Punkt: „Perspektivlos, ehrlich gesagt.“ Nichts, worauf er hinarbeiten kann. Kein Horizont in Sicht. Berger malt nicht ganz so schwarz. „Wir sind ein stures und kämpfendes Volk“, untermauert er.
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