Speyer. Die sechste Verlegung von Stolpersteinen zum Gedenken an ermordete, deportierte, vertriebene oder geflohene jüdische Bürger aus Speyer findet am Donnerstag, 21. September, statt. Gedacht wird ferner an ums Leben gebrachte Widerstandskämpfer, politisch Verfolgte, Angehörige verschiedener religiöser Vereinigungen und wegen ihrer Hautfarbe ins Visier der NS-Schergen geratene Menschen.
Mit der nun vorgesehenen Verlegung erinnert die ehrenamtlich tätigte „Initiative Stolpersteine für Speyer“ an vier jüdische Familien mit insgesamt 16 Angehörigen. Das Stolperstein-Projekt wurde 1992 vom Kölner Künstler Gunter Demnig entwickelt. Inzwischen hat er Steine in mehr als 20 europäischen Ländern verlegt. Die Namen und weitere wichtige Lebensdaten der Holocaustopfer werden in einer Messingplatte an der Oberseite der aus Beton in Handarbeit gefertigten Steine eingraviert. Mit dem Ziel, den Opfern ihre Identität in den Städten und Straßen wiederzugeben, wo sie ihren letzten selbstgewählten Wohnsitz hatten. Demnig wird die Verlegung am 21. September in Speyer persönlich vornehmen.
Der auf Spendengelder angewiesenen Initiative ist zu wünschen, dass die im Juli 2021 erfolgte Anerkennung der SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz als Welterbe der Unesco dazu beträgt, die Stolperstein-Aktionen noch mehr als bisher in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. Jeder in Deutschland verlegte Stein kostet 120 Euro. Engagierte Mitglieder der Initiative beim Generieren von Geldern für diesen besonderen Zweck sind Cornelia Benz, Sandra Böhm, Katrin Hopstock, Jutta Hornung, Ingrid Kolbinger und Kerstin Scholl.
Die Verlegung beginnt um 10.30 Uhr mit einem Empfang im Historischen Ratssaal, bei dem Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler Nachkommen der betreffenden Familien, Spender, den Künstler Gunter Demnig und Angehörige der Initiative Stolpersteine begrüßen wird. Ferner Schülerinnen und Schüler der Burgfeld-Realschule plus, des Edith-Stein-Gymnasiums und des Gymnasium am Kaiserdom, die an den jeweiligen Verlegeplätzen die Biografien der Opfer verlesen werden.
Eine traurige Aktualität erhält das Speyerer Verlege-Vorhaben durch den Tod der international hoch angesehenen ungarischen Zeitzeugin Eva Pusztai-Fahidi, deren Familie 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet wurde, während sie selbst den Aufenthalt mit Zwangsarbeit in einem Außenlager des KZ-Buchenwald überlebte. Am 11. September ist sie im gesegneten Alter von 97 Jahren in Budapest gestorben. In Deutschland wurde sie unter anderem durch Vorträge und Zeugenaussagen in NS-Prozessen bekannt.
Beginn in der Maximilianstraße
Die eigentliche Verlegung folgt gegen 11.30 Uhr auf der Maximilianstraße 15. Hier werden Stolpersteine für Karl Hirsch und seine Frau Franziska Hirsch (geborene Blumenthal) sowie ihre Kinder Ernst und Ilse verlegt. Sie unterhielten dort seit 1907 das „Erste Spezialhaus für Damen- und Kinderkonfektion“. 1919 konnten sie das Anwesen für 112000 Mark erwerben.
Danach nahm das Schicksal seinen Lauf. Franziska Hirsch stirbt am 12. Juni 1944 in Theresienstadt. Ehemann Karl wird am 9. Oktober des gleichen Jahres nach Auschwitz deportiert und ermordet. Die Kinder Ernst und Ilse fliehen 1937 und 1938 nacheinander in die USA und überleben.
Ähnliche Schicksale, bei denen sie immer Hab und Gut oder gar ihr Leben verloren, wiederfuhren weiteren Familien, für die ebenfalls Stolpersteine in der nachgenannten Reihenfolge verlegt werden.
Maximilianstraße 21: für Paul Moritz, seine Ehefrau Käthe (geborene Neu) und seine Schwester Hedwig. Nach einer gescheiterten Ausreise begeht das verzweifelte Ehepaar Selbstmord. Pauls Schwester Hedwig wird in einem der NS-Vernichtungslager ermordet.
Maximilianstraße 22: für Maximilian Cramer, seine Ehefrau Johanna Cramer, (geborene Hirsch) und Tochter Grete Frank (geborene Cramer). Maximilian Cramer stirbt nach einer Operation im Mai 1938 im jüdischen Krankenhaus in Mannheim. Witwe Johanna flieht zu Tochter Grete in die USA, der die Flucht dorthin bereits 1936 gelungen war.
Landauer Straße 41: für Fritz Cramer und seine Frau Liselotte Cramer (geborene Löb). Fritz Cramer überlebt 1938 einen Aufenthalt im Konzentrationslager Dachau. Im gleichen Jahr gelingt ihm mit seiner Frau Liselotte die Flucht nach Argentinien. Nach Kriegsende kehren sie nach Deutschland zurück.
Kämmererstraße 32a: für Theodor Heymann, seine Ehefrau Lina Heymann, (geborene Adler) sowie ihre Kinder Flora und Ruth Heymann. Theodor stirbt im September 1935 in Mannheim und wird in Speyer beerdigt. Seine Witwe Lina und Tochter Ruth erreichen am 30. Oktober 1936 mit dem Schiff „SS Manhattan“ New York. Tochter Flora war schon 1934 in Chicago eingetroffen, wo sie zwei Jahre später Mutter und Schwester wieder in die Arme schließen konnte.
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