Gedenkfeier in Speyer zur Befreiung von Menschen aus dem Konzentrationslager Auschwitz

Auch 78 Jahre nach Auschwitz ist noch immer kein dauerhafter Frieden in der Welt. Umso wichtiger seien öffentliche Kundgebungen, um Formen der Entmenschlichung, der Entsolidarisierung und Verunglimpfung gegenüber Angehörigen einzelner Gruppen zu begegnen.

Von 
Uwe Rauschelbach
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Eine Speyerer Schülern entzündet in der Synagoge Beith-Schalom bei einer Gedenkfeier Kerzen für die Opfer des Nationalsozialismus. Bild: Venus © Klaus Venus

Speyer. 78 Jahre nach der Befreiung von Menschen aus dem Konzentrationslager Auschwitz am 27. Januar 1945 wird nicht nur die Erinnerung an die Nazigräuel als eine bleibende Verpflichtung wachgehalten. Darüber hinaus fordern aktuelle Anlässe von Hass und Gewalt die Wehrhaftigkeit der Demokratie heraus, wie zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in der Speyerer Synagoge Beith-Shalom der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz betont wurde.

Eine Welt ohne Krieg sei „leider immer noch in weiter Ferne“, wie Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler mit Blick auf den „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ Russlands gegen die Ukraine feststellte. Menschenrechtsverletzungen seien obendrein in autokratisch regierten Ländern wie Iran oder China zu beklagen. Die „hässliche Fratze nationalistischen Gedankenguts“ zeige sich aber auch in diversen digitalen Foren.

Umso wichtiger seien solche öffentliche Kundgebungen, um Formen der Entmenschlichung, der Entsolidarisierung und Verunglimpfung gegenüber Angehörigen einzelner Gruppen zu begegnen.

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Eine Vision von einer Gesellschaft ohne Hass, Ausgrenzung und Übergriffe zeichnete bei der Gedenkfeier auch die Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde, Marina Nikiforova, die ihre Ansprache mit dem hebräischen Friedensgruß „Shalom“ beendete. Schülerinnen und Schüler der Edith-Stein-Realschule, des Edith-Stein-Gymnasiums und des Hans-Purrmann-Gymnasiums sorgten anschließend für die inhaltliche Gestaltung der Feier.

Gedenkfeier in Speyer: Hitlers Terrorherrschaft

Dabei wurden unter anderem an die Machtergreifung Adolf Hitlers erinnert und die Schritte zur Errichtung der nationalsozialistischen Terrorherrschaft skizziert. Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, die Auflösung des Reichstages und der Erlass von Notverordnungen zur Durchsetzung nationalsozialistischer Ziele im Jahr 1933 wurden als wesentliche Etappen Hitlers auf dem Weg zur Macht genannt. Dabei wurde auch auf den Einfluss des Gedankenguts auf die Sprache hingewiesen: Beispielsweise sei der Völkermord an den Juden mit dem Euphemismus „Endlösung“ belegt worden – eine Variante des heute unter dem Framing-Effekt bekannten begrifflichen Umdeutens ein und desselben Inhalts.

Anhand von biografischen Notizen über verfolgte und teilweise getötete Persönlichkeiten wurde das unmenschliche Agieren der Nazis anschaulich gemacht. Unter den Opfern auch der 1893 in Speyer geborene Georg Jossé, der 1914 nach Brasilien auswanderte, nach Speyer zurückkehrte, dort eine Bäckerei eröffnete und sich den Zeugen Jehovas anschloss. Die Religionsgemeinschaft wurde unter den Nazis verboten und aufgelöst. Jossé ist 1943 im Konzentrationslager verstorben. In einem Moment der Stille gedachten die Teilnehmer der Gedenkfeier den aus politischen, rassistischen, religiösen Gründen oder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Verfolgten und Getöteten.

Gedenkfeier in Speyer: Hass, Hetze und Übergriffe prägen 2022

Hass, Hetze und Übergriffe hätten das Jahr 2022 geprägt, blickte der Leiter der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) des Bistums Speyer, Ingo Faus, zurück. Einige Schülerinnen listeten konkrete Beispiele auf: den Mord eines Wilderers an zwei Polizisten, der in den digitalen Netzwerken eine Flut von Häme gegenüber den Beamten nach sich gezogen habe. Ebenso wurde auf antisemitische Darstellungen bei der jüngsten Kasseler Documenta verwiesen. Erwähnung fanden auch Angriffe auf Journalisten aus dem rechtsextremen Spektrum.

Schülerinnen und Schüler des Nikolaus-von-Weis-Gymnasiums gestalteten die Gedenkfeier unter der Leitung der Lehrkräfte Anja Bosl-Ridder und Thomas Denzinger zudem musikalisch. Zu den einladenden Institutionen gehörten neben der Stadt Speyer, der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz und der KEB auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft sowie die Arbeitsstelle Frieden und Umwelt der Evangelischen Kirche der Pfalz.

Freier Autor

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