„Loss dich mol rolle!“ Der Ruf von Feuerwehrmann Guido Burkard hallt laut auf gut Pfälzisch zwischen den Baumstämmen im Kletterwald Speyer. Sein Blick ist gen Himmel gerichtet. Nicht ganz so weit oben, aber doch einige Meter über dem Boden schwebt ein Kamerad in luftiger Höhe. Was er vor allem braucht, ist blindes Vertrauen.
Der Gefahrstoffzug der Speyerer Feuerwehr ist bekannt für seine extravaganten Übungseinheiten. Beim Lasertag sind die Zugehörigen bereits gewesen, auf der Kerwe, im Supermarkt – und das immer in voller Montur. Ideengeber des Ganzen ist der Chef der Kompanie, Marc Vidmayer. „Die Übungen dienen vor allem der Motivation der Leute“, betont er im Gespräch mit dieser Zeitung.
Der Spaßfaktor ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Nachhaltig wirken soll der außergewöhnliche Trainingsort ebenso. „Sowas ist was anderes als Hofballett“, wirft Vidmayer ein, während er auf Wanderschaft durch den Waldabschnitt geht, in dem der Kletterwald sein Revier hat. Auf den Anspruch, der mit der Übung verbunden ist, weist er damit hin.
Gelbe Männchen am Seil
Der ist nicht zu übersehen. Unter tiefgrünen Baumwipfeln baumeln gelbe Männchen an Seilen. Klingt simpel, ist es aber bei weitem nicht. „Wir machen das, um die Feinmotorik zu schulen“, betont Vidmayer. Wer die Kameraden an ihren hängenden Tauen beobachtet, kann nur annähernd vermuten, wie diffizil die Aufgabe ist.
In Chemikalienanzüge der mittleren Form sind die Feuerwehrleute gesteckt. Die höchste Form, Nummer drei, ist nicht möglich. „Das sind aufblasbare Anzüge, in denen die Leute nicht angegurtet werden könnten“, so Vidmayer. Ohne Sicherung ist die Übung im Kletterwald jedoch nicht möglich. Schon die zweitstärkste Ausrüstung kostet Schweiß und Nerven.
Abgesehen von der spezialbeschichteten Hülle, in die die Feuerwehrleute gesteckt wurden, sind Handschuhe beim Hantieren mit den Haken und Ösen an den Seilen durchaus hinderlich. Ganz zu schweigen von den Anforderungen, die die Atemschutzmaske samt Filter mit sich bringt. „Sie haben ein eingeschränktes Sichtfeld und erschwerte Atmungsbedingungen“, bringt es Vidmayer auf den Punkt.
Die Laune bei den Mitgliedern des Gefahrstoffzugs ist trotzdem ungebrochen gut. „Wessen Ei platzt, wird erblinden“, ruft Jan Krick, der gerade den Juniorpfad hinter sich gebracht hat und lacht hörbar unter dem Atemschutz. Die Verwirrung wird direkt aufgelöst, als er seine Hand öffnet. Darin wird eine Mini-Wasserbombe in Ei-Form sichtbar.
Die mussten Krick und seine beiden Kollegen sicher von A nach B über den Parcours bringen. „Das ist relativ herausfordernd“, kommentiert Stefan Sonnenfeld die Aktion. Roy Tobis kommt sich derweilen vor wie in einem Müllsack. „Aber“, wendet er ein, „der ist gut gegen Mücken.“ Recht hat er. Die Schnakeninvasion geht an den Übenden vorbei.
Rund 25 Personen des Gefahrstoffzugs sind im Kletterwald unterwegs. Und das, nachdem sie zuvor gleich dreimal zu einem Realeinsatz ausgerückt waren. „Es geht um die Kommunikation“, nennt Vidmayer ein weiteres Ziel der Übung. Reden ist der Weg zum Erfolg. Marc André Burkard und Pascal Preschke beherrschen es. Sie haben den „blinden“ Kollegen der Sondereinsatzgruppe in die Mitte genommen und geleiten ihn durch gezielte Anweisungen sicher über schaukelnde Bretter und schwingende Netze. Mit chemischen, biologischen, nuklearen und radioaktiven Stoffen hat der 30-köpfige Gefahrstoffzug in der Regel zu tun, sagt Vidmayer.
Die Anzüge schützen dann die Haut vor Flüssigkeiten, Dämpfen und Spritzern. Im Kletterwald werden sie zum lästigen Ballast. Unterm Strich jedoch soll die Übung helfen – vom schnelleren Anziehen der Kleidung bis hin zur besseren Beweglichkeit im Einsatz. Und sicher ist: Die nächste kreative Übungsidee kommt bestimmt.
Es gibt aber auch eine schlechte Nachricht: Leider fällt der Tag der Feuerwehr aufgrund der Corona-Situation nun zum zweiten Mal in Folge aus. Es wird auch 2021 kein gemütliches Beisammensein mit netten Gesprächen, Schauvorführungen und leckerem Essen geben. „Dennoch möchten wir als Förderverein Sankt Florian Speyer versuchen, ein wenig Tag der Feuerwehr-Atmosphäre mit einer Tasche zu den Menschen bringen. Dazu haben wir eine Feuerwehrtasche, mit einem Feuerwehr-Schoppenglas, einem Überraschungswein von der aus dem durch die Katastrophe im Ahrtal betroffenen Gemeinde Mayschoß, den legendären Winzer-Eintopf und eine Überraschung für die kleinen Fans gepackt“, so die Mitteilung des Vereins. Der Erlös aus der Aktion geht zu gleichen Teilen an die Feuerwehrleute in Mayschoß, die Jugendfeuerwehr und die Feuerwehr. Verkauft werden die Taschen zu einem Preis von 28 Euro am Samstag, 4. September, von 11 bis 16 Uhr im Baubetriebshof der Stadt, Heinkelstraße 2.
Info: Vorbestellungen können unter foerderverein@feuerwehr-speyer.org getätigt werden. Mehr Bilder von der Übung im Kletterwald gibt’s unter www.schwetzinger-zeitung.de
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