Speyer. Das viertägige Speyerer Festival „Jazz im Rathaushof“ hat ein klares künstlerisches Konzept: Altes behalten, aber neu interpretieren. Bernhard Sperrfechter will die Konzertreihe damit von anderen Festivals abgrenzen, in denen vor allem die Moderne dominiert. Der künstlerische Leiter des musikalischen Reigens im Hof des historischen Rathauses konnte seinen Ansatz auch diesmal bestätigt finden. Mit jeweils 400 Besuchern waren zwei der drei abendlichen Hauptkonzerte ausverkauft.
Furore hatten vor allem die jungen Wilden aus Paris, die „Mama Shakers“ um ihre quirlige Leiterin Angela Strandberg gesorgt. In ihren Arrangements lebt der New-Orleans-Jazz der „Roaring Twenties“ – also der Zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts – und wird zugleich auf eine derart freche und jugendliche Weise adaptiert, dass man durchaus von einem eigenen, neuen Stil sprechen kann, den die „Mama Shakers“ unter dem Jubel ihres restlos begeisterten Publikums praktiziert haben.
Eine Mischung aus Swing und Dixie entführt die Speyerer Zuschauer in frühe Jazz-Jahre
Mit den „Hot Four“ um Banjospieler Bernhard Sperrfechter hatte das Festival begonnen; und schon zum Auftakt verhieß die Mischung aus Swing und Dixie, die eine launige Verbindung mit dem Pop, Funk und Rock der Gegenwart eingehen, interessante Sichtweisen auf die frühen Jahre des Jazz. Vertrat die Grand Central Bigband mit Amateuren und Profis aus der Region um Karlsruhe, Heidelberg und Mannheim mit ihrem von Latin, Soul, Swing und Pop geprägten Sound noch einen Hang zum Mainstream, so sorgte die Barrelhouse Jazzband am letzten Konzertabend für ein Finale, das eingefleischte Jazzfans mehr als zufriedenstellte – von der Tonabmischung abgesehen, die vereinzelt kritische Reaktionen im Publikum hervorrief.
Auch die auf eine 70 Jahre langes Bestehen des Ensembles zurückblickenden Musiker um Bandleader und Klarinettist Reimer pflegen das traditionelle Repertoire. Ihre Spezialität sind Stücke kreolischer Herkunft, jenen von Musikern wie Sidney Bechet aus Louisiana etwa, mit den tänzerischen, aus Afrika stammenden synkopierten Rhythmen. Auf diese Weise bekommt der aus den Clubs in Harlem stammende Swing in den karibisch angehauchten Arrangements der Barrelhouse Jazzband einen neuen Farbton, unter dem die Tradition gleichwohl erkennbar bleibt.
Mit Bandleader von Essen, Trompeter Horst Schwarz und Saxofonist Frank Selten standen Musiker von immerhin jeweils über 80 Lebensjahren auf der Bühne. Doch von den Beschwerden des Alters war, bis auf einen leicht taumeligen Sprung Frank Seltens, den Kontrabassistin Lindy Huppertsberg gerade noch abfangen konnte, nichts zu spüren. Die Jazzband agiert munter und leidenschaftlich wie eh und je. Auch um Zukunftspläne ist man nicht verlegen.
Im siebenköpfigen Ensemble spielen Musiker von besonderer Güte. Das trifft auch für Schlagzeuger Michael Ehret, Banjospieler und Gitarrist Roman Klöcker sowie Christof Sänger am Klavier zu. Solistische Einlagen und Improvisationen schütteln die Barrelhouse-Jazzmusiker spielerisch aus dem Handgelenk. Und was Christof Sänger zu den einzelnen Songs in die Tasten zaubert, lässt jeden Amateur am Jazzklavier erblassen. Ob dichte Akkordteppiche oder perlende Melodien – der Pianist spielte sich in Speyer regelrecht in Ekstase – vor allem bei Duke Ellingtons „Caravan“ –und bürstete den von Bläsern dominierten Sound der Jazzband immer wieder gegen den Strich.
Zu Ellingtons Stück „Out South“ fanden die Barrelhouse-Musiker einen luftigen Groove, während Lindy Huppertsberg am Bass mit cooler Noblesse die Stellung hielt. In Fats Wallers „I’ve got my fingers crossed“ hieß es: Daumen drücken für einen verliebten jungen Mann, während eine Eigenkomposition von Trompeter Schwarz den kreolischen Kornettisten Joe King Oliver hochleben ließ.
Ein Höhepunkt an diesem Abend der Gesangsbeitrag von „Lady Bass“ Huppertsberg, die sich selbst zu einer Hommage für Ella Fitzgerald begleitete. Die Eigenkomposition von Horst Schwarz, „Take us to the Mardi Gras“, hat angeblich selbst in New Orleans Furore gemacht – in Speyer kamen darob keinerlei Zweifel auf. Pianist Sänger konnte in Count Basies „How long Blues“ noch einmal seine Klasse demonstrieren, und mit einem kubanischen Rumba namens „Mama Ines“ ließ die Barrelhouse Jazzband ihren 70. Geburtstag in offenbar nie ermüdender Leidenschaft enden.
Mit den südhessischen „Original Blütenweg-Jazzern“ wurde am Sonntagvormittag ein Sahnehäubchen auf dieses Festival gesetzt. Während der Innenhof des Rathauses unter der Sommersonne erglühte, klangen die Oldies und Evergreens aus den goldenen Jahren des Jazz frisch und unverbraucht. Bert Kaempferts Klassiker „A swingin’ Safari“ setzte der guten Stimmung noch eins drauf, und zu den Rock ‘n’ Roll-Hits von Little Richard und Chuck Berry: „Good Golly, Miss Molly“ sowie „Johnny be good“ wurde vereinzelt getanzt. So glücklich kann Jazz machen.
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