Kulturbeutel

Kein Einschleimen

Musik-Kabarett pur mit „Pigor & Eichhorn“ begeistert das Publikum

Von 
Matthias Nowack
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Seit Jahrzehnten im Kulturbeutel zu Gast: Benedikt Eichhorn am Klavier und Thomas Pigor. © Nowack

Speyer. „Pigor & Eichhorn“ – gern gesehene Gäste in Speyer. Das Berliner Kabarett- und Chanson-Duo ist in den zurückliegenden Jahrzehnten mehrfach im Kulturbeutel aufgetreten. Auch mit ihrem aktuellen Programm „Volumen X“ haben die beiden beim aktuellen Kulturbeutelfestival schnell und überzeugend den Nerv des Publikums getroffen.

Eröffnet wurde der Abend mit einer hingehauenen Hymne über die Freiheit des Kabaretts. Der Eingangssong „Kabarett über alles“ feierte die Möglichkeiten dieser besonderen Kleinkunstform in immer neuen Wendungen. Die beiden Musikkabarettisten versprachen „kein billiges Einschleimen in den Geschmack der Massen“ und auch kein „aufgesetztes Die-Hosen-Runterlassen.“ Und daran haben sie sich auch gehalten.

Das gesprochene Wort

Den roten Faden ihres aktuellen Programmes finden sie in der Macht des gesprochenen Wortes. Rhetorische Techniken waren schon in der griechischen Antike bekannt, werden als Disziplin der Rhetorik an Universitäten gelehrt und spielen in meinungsbildenden Prozessen heute noch eine herausragende Rolle. Ungewöhnlich für einen Kabarettabend: lateinische Begriffe der Argumentationstheorie, etwa das Argument „ad nauseam“ (eine Behauptung wiederholen bis zum Erbrechen) oder „ad misericordiam“ (Mitleid schinden) werden von Pigor und Eichhorn süffisant aufgegriffen, übersetzt und in aktuelle Beispiele und Diskussionen eingebunden. Hubert Schleicherts Sachbuch „Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren“ oder auch Schopenhauers „Die Kunst recht zu behalten“ dienen als Quellen dazu.

Intelligente Auseinandersetzung

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Hausgemachte Texte und Chansons, die immer auf den aktuellen Stand der Diskussion gebracht werden, sind das Markenzeichen von „Pigor & Eichhorn“. Dabei ist ihnen der direkte Draht zum Publikum sehr wichtig. In den Dialogen zwischen den Songs liefern sie sich auf der Bühne eine gewitzte, intelligente Auseinandersetzung mit Worten, die alleine schon einen unterhaltsamen Abend garantiert.

Dabei hat Thomas Pigor seine Liebe zur Gitarre entdeckt. Dem neuen Programm „Volumen X“ verleiht das viele politische Akzente und einen Wiederhall der Liedermacher-Tradition, der gegen Ende des Abends in einer ausdrucksstarken Konstantin-Wecker-Parodie („Rente geh’n“) gipfelt.

Mit dieser fulminanten, ins Publikum geschmetterten Aufforderung an die Babyboomer Generation, sich bitte nicht aufs Altenteil zurückzuziehen und die Arbeit den inkompetenten Jungen zu überlassen, zeigt sich das Format der beiden Berliner Kabarettisten endgültig.

Während Pigor und Eichhorn sich im Verlauf der Show durch verschiedene Argumentationskniffe der Rhetorik hangeln, präsentieren sie Chansons, die den Rassismus der Polizei anprangern, weil sie als Deutsche von dieser niemals kontrolliert werden („Ich bin von hier!“) und wägen den Anteil von Idioten in unterschiedlichen Ländern und Gesellschaftsgruppen ab („ist stets konstant“).

Die Selbstbeweihräucherung einzelner Gesellschaftsgruppen wird genauso schonungslos attackiert wie das sture Festhalten an lieb gewonnenen Wohlstandsritualen: Ihre uneinsichtigen „Endzeitomas und Endzeitopas“ – so der Songtitel – wissen sehr genau, dass sie längst tot sein werden, wenn die Klimakatastrophe zugeschlagen hat. Es ist ihnen „wurscht, was nach 2070 passiert“.

Treffsicher und unterhaltsam

Kabarettisten-Fazit: Ökonomische Strukturen müssen verändert werden, die Politik muss umdenken, um vorhandene Geschäftsmodelle konsequent auf Nachhaltigkeit auszurichten. Gegen verfehlte Landwirtschaftspolitik etwa kommt der Einzelne nicht an („das radelst du nie wieder rein“).

Warum wird die Lebensdauer von Waschmaschinen bewusst verkürzt, um den Umsatz zu steigern? Das alles und noch viel mehr wird bei „Pigor & Eichhorn“ treffsicher und dazu noch unterhaltsam serviert.

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