Speyer. Martin Schäuble hat ein mutiges und ein wichtiges Buch geschrieben. In seinem Jugendroman „Alle Farben grau“ erzählt er die Geschichte von Paul, der schon immer etwas eigen war und mit 16 Jahren Selbstmord begeht. Er lernt in jungen Jahren Japanisch und hat einen für sein Alter sehr ungewöhnlichen Musikgeschmack. Er ist hoch intelligent und könnte viel erreichen, wären da nicht seine Ängste und Depressionen, die sich in der Corona-Pandemie noch verschärfen. Über die spricht er erst, als er in der Jugendpsychiatrie ankommt. Nach dem Klinikaufenthalt schöpft seine Familie Hoffnung: Paul lacht wieder und trifft sich mit Freunden. Doch außer ihm weiß niemand, dass er sich nur verabschiedet, weil er seinen Suizid vorbereitet.
Wenn Schäuble im Historischen Ratssaal Passagen aus seinem Buch vorträgt, merkt man schnell, dass ihm das Thema, das auf einer wahren Geschichte beruht, sehr nahe geht und auch intensiv beschäftigt hat. Ein Jahr hat der Autor von Büchern wie „Cleanland“, „Sein Reich“ und „Godland“ nach eigenen Aussagen an diesem Roman gearbeitet. Einfühlsam verbindet er die Stimmen von Pauls Freunden und Familie aus unterschiedlichen Perspektiven zu einem vielstimmigen Buch, das helfen will, psychische Erkrankungen bei Jugendlichen besser zu erkennen. Es ist aber auch ein bewegendes und erhellendes Buch geworden. Gefragt, warum er diesen Stoff in die Form eines Jugendromans gegossen hat, sagt Schäuble: „Ich wollte, dass dieses Buch gelesen wird. Ich wollte damit viele Menschen erreichen.“ Man sollte seinen Roman zur Schullektüre machen.
Blick in die klinische Betreuung
Begleitet wurde Schäubles Lesung, eine Veranstaltung des Speyerer Kinderschutzbundes, des Bündnisses gegen Depression Vorderpfalz und der Elisabeth Mack-Usselmann und Dr. Michael-Mack-Gedächtnisstiftung, von einem Fachvortrag über „Depression und das Störungsbild bei Kindern und Jugendlichen“ von Dr. Günther Stratmann, dem Leiter der Klinik für Psychosomatik und Psychiatrie des Pfalzklinikums Klingenmünster. Er sprach über seine professionellen Erfahrungen im Umgang mit Affektstörungen bei Kindern und Jugendlichen im Alter von drei bis 18 Jahren. Aufschlussreich und informativ erläuterte er Symptome in verschiedenen Altersgruppen, Ursachen, Diagnostik und Behandlungsmöglichkeiten des Pfalzklinikums, das neben der stationären Einrichtung in Klingenmünster mit Tageskliniken an drei weiteren Standorten in der Vorderpfalz, in Kaiserslautern, Pirmasens und Speyer vertreten ist.
Die wohnortnahe ambulante „Zu-Hause-Behandlung“ hat für ihn immer größere Bedeutung als eine stationäre Aufnahme im Pfalzklinikum. Aufhorchen ließen vor allem einige Zahlen, die Stratmann präsentieren konnte: Es gibt deutlich mehr Suizide in Deutschland als Tote durch Verkehrsunfälle, Drogen oder Mord bzw. Totschlag. Und es gibt gute und effektive Möglichkeiten der psychotherapeutischen und auch medikamentösen Behandlung, so Stratmann, man sollte das Problem nur frühzeitig erkennen und professionell behandeln lassen. Allerdings sprach er auch von einer Unterversorgung des ländlichen Raumes bei diesem Thema. In der Früherkennung und Behandlung von Depressionen gebe es „noch viel Luft nach oben“.
Fachvortag und Lesung haben sich hervorragend ergänzt in dieser von der Mack-Stiftung organisierten und von Uwe Rauschelbach umsichtig moderierten Veranstaltung. Kein Wunder also, dass eine angeregte Publikumsdiskussion folgte. Martin Schäubles Roman ist kein „Antwortbuch“, er endet nicht positiv. Und doch zeigt er auf, dass es Alternativen zum Suizid gibt und dass es wichtig ist, mit den suizidgefährdeten Menschen ins Gespräch zu kommen, genau hinzusehen und hinzuhören, um rechtzeitig Hilfsangebote zu suchen. Der Abend im Historischen Ratssaal hat nachdenklich gemacht. Es wird auch künftig von großer Bedeutung sein, für das Thema „Depression“ mehr Öffentlichkeit zu schaffen.
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