Speyer. Mit Robert Schumanns Szenen aus Goethes „Faust“ ist das Musikfest, das die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz traditionell in Speyer begeht, zu Ende gegangen. Ein fulminantes Finale; Orchester und Chöre der Speyerer Dommusik haben unter der Leitung von Michael Francis eine Aufführung präsentiert, die musikalische Leidenschaften mit Intensität und Dynamik verband. In der Speyerer Gedächtniskirche entstanden Klangbilder von großer Wucht und lyrischer Zartheit, die ein breites Spektrum an Ausdrucksformen dokumentierten.
Ein gebührender und bewegender Abschied vom Intendanten der Staatsphilharmonie, Beat Fehlmann, der bei dieser Gelegenheit von der rheinland-pfälzischen Kulturministerin Katharina Binz mit der höchsten Auszeichnung des Landes für den Einsatz um die Musikpflege und -schöpfung, der Peter-Cornelius-Plakette, ausgezeichnet wurde. Fehlmann wechselt nach sieben Jahren in der Ludwigshafener Intendanz an die Musikakademie Liechtenstein.
Domkapellmeister Markus Melchiori hatte das Vokalensemble Dom zu Speyer sowie die Capella Spirensis auf das konzertante Ausnahmeereignis offenbar sorgfältig vorbereitet. Abermals dokumentierten die Sängerinnen und Sänger der Dommusik Vokalkompetenz auf höchstem Niveau. Der Chor beeindruckte mit Klangfülle, lebhafter Artikulation, präziser Intonation und stimmlichem Profil. Zusätzlich brachten sich einzelne Sängerinnen und Sänger des Chors wie auch Mitwirkende der Capella Spirensis in kleineren Formationen ein. Die Staatsphilharmonie agierte unter der Leitung ihres Chefdirigenten mit symphonischer Präsenz und sensibler Begleitung gleichermaßen. Sie bewies damit Qualitäten, wie sie einem Opernorchester zu Gebote stehen.
Solisten und Schumanns „Faust“: Romantische Farben und Fülle
Auch mit der Auswahl der Solisten hatten die Aufführenden eine sehr gute Wahl getroffen. Claire Elizabeth Craig und Johanna Winkel (beide Sopran), Nicole Pieper und Alexandra Uchlin-Grewis (beide Alt), Ilker Arcayürek (Tenor) sowie Matthias Winckhler und Yorck Felix Speer (beide Bass) gaben den Figuren des Dramas in lebhaften und stimmlich ausgefeilten Vorträgen Kontur. Schumanns selten aufgeführter „Faust“ erwies sich mit dieser Darbietung als ein an romantischen Farben und Fülle geradezu überbordendes Stück, das seine Qualitäten in reichem Maße entfalten konnte.
Hatte das Musikfest in Speyer mit Werken von Mozart und Beethoven begonnen, dessen fünftes Klavierkonzert mit Joseph Moog am Klavier sommerliche Aufbruchstimmung verbreitete, so gaben bei zwei Serenadenkonzerte im Speyerer Alten Stadtsaal Einblicke in die Projektarbeit der Staatsphilharmonie. Stipendiaten der zur Staatsphilharmonie gehörenden Ernst-Boehe-Akademie ließen sich mit kammermusikalischen Stücken von Mozart und Dvorák ein. Dabei kam es auch zu seltenen Formationen wie einem Duett von Violine und Bratsche, für die der norwegische Komponist Johan Halvorsen eine Passacaglia komponiert hat, die Händels Barock in die Spätromantik versetzt. Ein Duett von Opernkomponist Gioacchino Rossini brachte Cello und Kontrabass zusammen und entbot zahlreiche spielerische Reize.
Multiethnisches Musizieren: Traditionen und Verständigung
In der zweiten Konzerthälfte ließen Mitwirkende der Colourage-Orchesterakademie orientalische und okzidentale Stilistiken zusammenfließen und ließen ein buntes Programm erklingen, das traditionelle griechische Melodien mit anatolischen oder brasilianischen Weisen zusammenführte. Das Erstaunliche und Beglückende an dieser Art des multiethnischen Musizierens dürfte sein, dass hierbei Menschen aus unterschiedlichsten Erd- und Kulturkreisen mitwirken und ihre je eigenen Traditionen einbringen, um damit Formen einer Verständigung zu schaffen, die selbst in diplomatischen Kreisen so nicht immer möglich scheint.
Konzert der Cellisten: Von Mozart bis Morricone
Von besonderer Qualität war auch das Konzert mit zwölf Cellisten nach dem Vorbild der Berliner Philharmoniker, die sich als „die Ladies und Gentlemen des Orchester“ präsentierten, wie sie Cellist und Moderator Friedrich-Martin Voigt bezeichnete. Sogleich ließ das Ensemble den von Fazil Say bearbeiteten „Türkischen Marsch“ Mozarts erklingen, eine improvisierte Fassung, die Voigt selbstironisch als „cellistische Flegelei“ anempfahl. Der romantische Hymnus von Julius Klengel bot hingegen klangliches Wohlbehagen, während der Slawische Tanz von Antonin Dvorák, für fünf Celli bearbeitet, raue Leidenschaften versprühte.
Von Edvard Griegs „Holbergsuite“, für zwölf Celli arrangiert, blieb vor allem das sehr hurtige Tempo des letzten Satzes in Erinnerung sowie die Melancholie, die sich mit dem herben Schmelz der Instrumente verband. Bei ihrer „Reise durchs wilde Cellistan“, so Friedrich-Martin Voigt, kamen die Instrumentalisten auch ins Western-Milieu: Die Mundharmonika in Ennio Morricones Titelmusik zum Kinoklassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“ wurde vom gleißenden Flageolett der Celli ersetzt, die scharfen Tonreibungen sorgten für eisige Schauder im Publikum – eine fesselnde Darbietung, die das Ensemble mit Astor Piazzollas halsbrecherischem „Fuga Y Misterio“ in absolut rhythmischer Präzision steigerten.
Als Zugabe gab’s die Filmmusik aus „Die Brücke am Kwai“, und spätestens da mochte man sich wünschen, eine solche Formation wie die zwölf Cellisten würden auch in Ludwigshafen zu einer Dauereinrichtung werden.
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