Zyklus

Orgelvirtuose Barthen beweist sensibles Gespür im Speyerer Dom

Der Berner Münsterorganist und Hochschulprofessor Christian Barthen setzte am Samstag den Orgelzyklus im Speyerer Dom mit Werken von Bach, Dupré, Whitlock und Vierne fort.

Von 
Uwe Rauschelbach
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Der Berner Münsterorganist und Hochschulprofessor Christian Barthen (l.) spricht vorm Konzertbeginn vor der Chororgel im "Präludium" genannten 30-minütigen offenen Gespräch mit Domorganist Markus Eichenlaub über seinen Werdegang und sein Schaffen. © Klaus Venus

Speyer. 1984 in Saarbrücken geboren, ist Christian Barthen seit 2022 Organist und Künstlerischer Leiter der Musik am Berner Münster. Außerdem lehrt er als Orgelprofessor an der dortigen Hochschule der Künste. Und ein gefragter internationaler Konzertorganist ist er obendrein. Dass Christian Barthen einmal beim Internationalen Orgelzyklus im Dom zu Speyer gastieren würde, ergab sich mit Blick auf diese steile Karriere des noch jungen Künstlers fast zwangsläufig.

Barthen, der sich nach eigenen Angaben seit 27 Jahren als Organist betätigt, gab sich im Vorgespräch mit Domorganist Markus Eichenlaub locker und jovial. Doch an der großen Hauptorgel bestätigte der Kirchenmusiker seinen Ruf als Virtuose mit sensiblem Gespür für dynamische Prozesse und klanggestalterisches Potenzial.

Mit Johann Sebastian Bachs Fantasie in G-Dur, das die aus dem französischen Barock entlehnte Bezeichnung „Pièce d’Orgue“ trägt, gelang Barthen ein Auftakt, der seine Reize nicht zuletzt aus den miteinander kontrastierenden wirbelnden Spielfiguren und den kontrapunktisch miteinander verzahnten Akkorden des choralhaften Mittelteils verdankt. Seinem bedachtsamen Spiel war das wache Bewusstsein um die schwierigen akustischen Verhältnisse im Speyerer Dom anzumerken. Der chromatische Abstieg im Finale führte nicht etwa in sinistre Abgründe, sondern entpuppte sich als majestätisch wirkende Bekräftigung der feierlichen Stimmung zuvor.

Barthen öffnet die Tür zu beträchtlich erweiterten Klanglandschaften

Impressionistisch flirrende Muster über einem ruhigen Cantus Firmus mitsamt den Gloriolen, die Barthen aus den Pfeifen der großen Seifert-Orgel funkeln ließ, eröffneten neue ästhetische Räume. Die wild-bewegten Läufe fügten sich dem souveränen Zugriff des Organisten, der dank der mächtigen dynamischen Steigerungen nach dem anfänglichen Augenzwinkern in Richtung Bachs verspielter Fantasie dann doch die Tür zu beträchtlich erweiterten Klanglandschaften öffnete.

Die klangliche Vielschichtigkeit und harmonische Komplexität von Percy Whitlocks Fantasie-Choral in Des-Dur erfuhr im Spiel Christian Barthens eine stilistisch angemessene Deutung, die sich an der französischen Spätromantik orientierte. Eindrucksvolle Effekte erzielte der Interpret dank des variablen Gebrauchs des Schwellerpedals, auch sorgte er durch die fantasievolle Registerwahl für enigmatische Schwebungen. Die enormen technischen Herausforderungen stießen auf den überlegenen Gestaltungswillen und die spielerische Kompetenz des Organisten, der sich an dem für ihn ungewohnten Instrument dennoch wie zu Hause zu fühlen schien. Trotz der zahlreichen überraschenden harmonischen Wechsel eignete diesem Stück ein ruhiger, fließender Charakter.

Das Können des Organisten macht sogar Louis Vierne durchlässig und luftig

Die Unisono-Passagen zu Beginn von Louis Viernes dritter Orgelsymphonie in fis-Moll erhoben umgehend Ansprüche auf künstlerische Dominanz in diesem Programm. Und tatsächlich konnte Viernes Opus als Erfüllung eines Versprechens empfunden werden, das sich im Konzert zuvor des eindeutigen Höhepunkts versagte. In seiner zugleich archaischen wie symphonischen Dichte mag Vierne eine Herausforderung nicht nur für Interpreten, sondern auch für Hörer sein. Doch in Christian Barthens Darbietung wirkte das fünfsätzige Stück keineswegs opak und widerständig, sondern durchlässig und luftig.

Das scherzohafte Intermezzo und die berückend schönen Klangkombinationen im Adagio mündeten in ein Finale, das sich dem wildromantischen Drängen und seinen ins Expressionistische schießenden Kaskaden ergab. Erst spät befreite der Organist diesen fulminanten Satz aus abgedunkelten Schweller-Verliesen, aus denen es dann umso triumphaler ausbrach. Viernes „Berceuse“ aus dem Zyklus „Pièces en style libre“, das Barthen zugab, wog uns im seligen Gefühl schwereloser Traumverlorenheit.

Das nächste Konzert des Internationalen Orgelzyklus bestreitet am Samstag, 30. August, 19.30 Uhr, der an der St. Martinskirche im Luxemburgischen Dudelange tätige Titularorganist Alessandro Urbano. Auf dem Programm steht die Orgelbearbeitung von Anton Bruckners dritter Symphonie. Das im Bruckner-Jahr 2024 vorgesehene Konzert war seinerzeit ausgefallen und wird nun nachgeholt. Ein einführendes Gespräch mit dem Organisten findet ab 18.45 Uhr auf dem Königschor des Speyerer Doms statt.

Internationale Musiktage mit christlich-jüdischer Religions- und Kulturgeschichte

Unterdessen rücken bereits die Internationalen Musiktage in den Blick kirchenmusikalisch interessierter Konzertbesucher. Domkapellmeister Markus Melchiori versieht die Konzerte vom 20. September bis 3. Oktober mit den Vorzeichen der abendländischen christlich-jüdischen Religions- und Kulturgeschichte. Nach dem Eröffnungskonzert mit Psalmvertonungen von Heinrich Schütz, Claudio Monteverdi, Felix Mendelssohn Bartholdy, John Rutter und Arvo Pärt treten in der Krypta des Doms Ensembles mit sephardischen und jiddischen Liedern sowie Klezmer-Musik auf. Ferner stehen ein Kindermusical über König David auf dem Programm sowie die Chichester Psalms von Leonard Bernstein. Zum Abschluss der Musiktage erklingt Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium „Elias“ mit den Chören des Doms sowie der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz.

Eintrittskarten im Vorverkauf bei allen Reservix-Vorverkaufsstellen sowie unter dommusik-speyer.de.

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