Speyer. Die Ruhmreden auf Sjaella, jenes Frauenvokalensemble aus Leipzig, klingen so hymnisch wie zutreffend. Großes ist gesagt worden über diesen Gesang, der so virtuos gefertigt ist wie er an verborgene Seelenschichten gelangt. Ein Konzert mit Sjaella gewährt ein Hörerlebnis, das Perfektion mit Gefühl verbindet und an spirituellen Empfindungen rührt. 2023 waren die jungen Frauen bei einem denkwürdigen Konzert in der Dreifaltigkeitskirche erstmals in Speyer zu erleben, eineinhalb Jahre später reiht sich nun auch der Dom in die Reihe internationaler Konzertorte ein, die Sjaella mit ihrem Gesang beehrt haben.
Den zweiten Auftritt dieses Ensembles in Speyer widmen Viola Blache, Marie Fenske und Franziska Eberhardt (alle Sopran) sowie Marie Charlotte Seidel (Mezzosopran), Luisa Klose und Helene Erben (beide Alt) einem sakral-liturgischen Programm. „Preisung“ lautet der Titel eines 2014 erschienenen Albums von Sjaella, er ist auch Motto des Konzerts, das die sechs Sängerinnen gemeinsam mit dem Mädchenchor am Dom zu Speyer, der unter der Leitung von Domkapellmeister Markus Melchiori steht, gestalten.
Dabei fällt auf: Hier agieren keine mit Superlativen reich bedachten Gesangsheldinnen, sondern ein Frauensextett, das sich dieser geschichtsträchtigen Stätte demütig bewusst ist und sich auf Augenhöhe mit dem knapp 50-köpfigen Mädchenchor begibt.
Die Sängerinnen stellen sich auch im Dom ganz in den Dienst der inneren Einkehr. Mit ihren Liedern Frieden und Hoffnung in einer Welt des Unfriedens zu verbreiten, ist ihr erklärtes Ziel. Das Bekenntnis zum geistlichen Repertoire der kirchlichen Traditionen vergangener Jahrhunderte bis heute wirkt glaubhaft, selbst in den modernen Liedern scheint wie von ferne der gregorianische Choral durch. Der „nordischen“ Melancholie mit ihren schmerzlichen Tonreibungen sprechen Sjaella mit Vorliebe zu, wie auch an den Namen skandinavischer Komponisten abzulesen ist.
Elysische Wirkungen im Dom von Speyer entfaltet
Mit „O Christe, flos convallium“, einem mittelalterlichen Hymnus, der von Enrico Correggia zeitgenössisch harmonisiert worden ist, aber seine Grundgestalt bewahrt, wird das Verbindende zwischen den historisch weit voneinander entfernt liegenden Klangwelten anschaulich. In der hallenden Akustik des Doms können die sechs schwebenden Frauenstimmen ihre elysischen Wirkungen entfalten. Selbst lang gehaltene Töne, wie sie in „Northern Lights“ von Ola Gjeilo zu singen sind, geraten hierbei nicht ins Wanken.
Die fließenden Harmonien in „I am my Brothers Keeper“ von Knut Nystedt wollen dem Appell an Nächstenliebe und Gemeinsinn Ausdruck verleihen. Dabei beeindruckt das Vokalensemble mit organischem Gesang, der eine präzise Homogenität erreicht und sich zugleich als Produkt von sechs charaktervollen Einzelstimmen erfahren lässt.
Agogische und dynamische Prozesse lassen sich in Volker Bräutigams „Preisung“ nach einem Text von Martin Buber in feinsinnigen Verläufen wahrnehmen. Einen dramaturgischen Aufbau verrät „Da pacem Domine“ von Gregor Meyer, das nach einem mittelalterlichen Antiphon gedichtet ist und in Martin Luthers Kirchenchoral „Verleih uns Frieden gnädiglich“ mündet.
In „Stars“ von Eriks Esenvalds nehmen die Sängerinnen mit Wasser gefüllte Gläser zur Hand, streichen mit dem Finger über die Ränder und erzeugen auf diese Weise irisierende Töne, die die im Gesangstext aufleuchtenden Sterne wie mit kosmischen Sphärenklängen umgeben. In „Peace in our Time“ von Fredrik Sixten werden Licht- und Dunkel-Effekte durch assoziative Harmonien ausgelöst.
Der Mädchenchor schickt unter der Begleitung von Lucianne Brady (Harfe) und Liudmila Firagina (Cello) seine hellen Stimmen durch den Dom, ob in der Psalmvertonung „Sicut cervus desiderat“ von Nancy Telfer mit ihren pentatonischen Tonfolgen, in „Dona nobis Pacem“ von Piret Rips mit seiner Bitte um Frieden, in der bereits freudige Erwartung mitschwingt, wie auch in „I lift my Eyes“ von Bob Chilcott“ mit seinen tröstlichen Verheißungen.
Den Abschluss dieses eindrücklichen Konzerts bildet ein gemeinsames wortloses Anstimmen von Tönen auf einem Orgelpunkt, mit denen alle Sängerinnen in Gruppen allmählich aus dem Dom ziehen. Sjaella heißt „Seele“ auf Schwedisch. Eine Seele, die Tiefe hat.
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