Kunstverein - Schweizerin Franziska Rutishauser entführt in die Welt des Anthropomorphismus

Sie schaut der Natur ins Innere

Von 
Nikolaus Meyer
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Der Kunstverein Speyer zeigt in seinen Räumen im Kulturhof Flachsgasse die Ausstellung „Close Strangeness“ mit Werken der Künstlerin Franziska Rutishauser, die sich vor einem ihrer Werke positioniert hat. © Venus

Speyer. Vorläufig bis Sonntag, 16. Mai, wird eine Ausstellung beim Kunstverein gezeigt, die eine bessere Zeit verdient hätte. Ab dem heutigen Freitag im Kulturhof Flachsgasse geöffnet, fiel auch die ansonsten obligatorische Vernissage der grassierenden Covid-19-Pandemie zum Opfer.

Kunstfreunde sollten sich die außergewöhnlich interessante Werkschau dennoch nicht entgehen lassen. Sie wird jeweils donnerstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr zu sehen sein. Besuche sind derzeit nur nach vorheriger Anmeldung und unter Beachtung der geltenden Hygienevorschriften möglich. Sie können von Montag bis Mittwoch von 8 bis 13 Uhr sowie während den Öffnungszeiten der Ausstellung unter der Telefonnummer 06232/14 23 99 getätigt werden.

Person: Franziska Rutishauser

1962 in Münsingen (Schweiz) geboren.

1982 bis 1988 Studium Fotografie, Film und Malerei an der Universität Bern sowie an der Schule für Gestaltung in Bern, heute Hochschule der Künste.

Seit 1987 internationale Ausstellungstätigkeit. Werke in öffentlichen und privaten Sammlungen. Lebt und arbeitet wechselweise in Bern, Berlin und Nizza. mey

Bereuen dürften Besucher den ungewohnten Aufwand nicht. Der Titel „Close Strangeness“ lässt ansatzweise erahnen, was die ausstellende Künstlerin Franziska Rutishauser vermitteln will. Dabei betreibt sie ein ernsthaftes Spiel mit der Fantasie potenzieller Betrachter.

Felsiges Gestein und fließende Gewässer bilden die fotografische Grundlage für meist großformatige und farbstarke Ölgemälde auf Leinwand, die aufgrund einer veränderten Wiedergabe von Motiven aus der Natur Assoziationen förmlich herausfordern. Dabei taucht Rutishauser tief in die Welt des Anthropomorphismus ein. Es handelt sich um verfremdete, irritierende, teils verstörende und dennoch außergewöhnlich reizvolle Darstellungen.

Suche nach Antworten

Auf der Suche nach Antworten rückt die reale Vorstellung von Steinen und Gewässern in weite Ferne. Hingegen schreiben amorphe Strukturen eigene Geschichten, die es zu entdecken gilt. Immer in leuchtendem Rot mit weißen Einschlüssen gemalt, erinnert die Serie „Stranger Wandering matter“ vordergründig an wandernde Materie im All. Die Plastizität der meteoritenähnlichen Gebilde oder die an eine Supernova erinnernde Komposition wird durch den stets in monochromem Schwarz gehaltenen Untergrund noch betont.

Je nach Betrachtungswinkel und Fantasie lassen sich in den organischen Materialien aber auch menschliche Torsi erahnen oder man gewinnt den surrealen Eindruck von biomorphen Formen und zellartigen Gebilden des menschlichen Körpers. Der Ursprung des Werkzyklus „Aggregation – Dark light matter“ hingegen basiert auf fließenden Gewässern, wobei die gewaltige und teilweise an glühende Lavaströme erinnernde Bildsprache das Format manchmal zu sprengen scheint. Fern der realen Wahrnehmung derart verändert, strahlen die Werke eine Faszination der besonderen Art aus, die nicht nur wegen der Signalfarbe Rot durchaus etwas Bedrohliches hat.

Auch in diesen Bildern wird deutlich, dass es zur Lebensphilosophie der Künstlerin gehört, die seit der Jahrtausendwende unter dem Begriff Anthropozän diskutierte Frage, wonach relevante Veränderungen in der natürlichen Umwelt dem Menschen zuzuschreiben und welche ethischen Grundsatzfragen zu stellen sind, malerisch umzusetzen.

Beginn einer neuen Epoche

Das betonte auch Vorstandsmitglied Gabriele Fischer bei der Erstvorstellung der Kunstschau am Mittwoch. In Übereinstimmung mit Rutishauser ließ Fischer anklingen, dass die Gesellschaft vor einer neuen geochronologischen Epoche steht, in der der Mensch mit seinem globalen Tun zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Fischer zusammenfassend: „Diese imposante Werkschau mit ihrer expressiven Symbolkraft und künstlerischen Reife bietet eine gute Gelegenheit, sich dieser Diskussion zu stellen!“

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