Speyer. Mozarts c-Moll-Fantasie KV 475 mit Beethovens fünftem Klavierkonzert zu kontern – das gleicht dem Schritt aus der Dunkelheit ins Helle, was Belohnung verheißt, wo strebendes Bemühen alle Verzagtheit überwindet. In der Speyerer Gedächtniskirche verfliegt die drückende Sommerschwüle im Ansturm jener sanguinischen Kräfte, die Beethoven mit seiner Musik entfesselt.
Von Ignaz von Seyfried für Orchester bearbeitet, plustert sich Mozarts Klaviersonate erst einmal ziemlich auf. Dank des symphonischen Zugriffs suggeriert sie einen enormen Bedeutungsüberschuss. Zugleich verfügt das Stück mit der Verteilung auf unterschiedliche Stimmen über einen hohen Differenzierungsgrad, den die Staatsphilharmonie unter der Leitung ihres Chefdirigenten Michael Francis akribisch herausarbeitet. Gleichwohl scheint die Fantasie in kreisenden Suchbewegungen zu verharren und strahlt – auch durch die verhältnismäßig kleinen, durch Generalpausen unterbrochenen Phrasen – eine gewisse Unentschiedenheit aus. Dies auch in diatonischer Hinsicht, verlaufen die zahlreichen chromatischen Mikroschritte doch in harmonischem Niemandsland.
Sommerfest der Staatsphilharmonie
- Die Veranstaltungsreihe wird mit einer Serenade fortgesetzt. Am Samstag, 5. Juli, 19.30 Uhr, sind im Alten Stadtsaal die zwölf Cellisten der Staatsphilharmonie zu erleben. Auf dem Programm stehen Werke, die einen Bogen von Mozart über Grieg bis zu Astor Piazzolla beschreiben.
- Ein musikalisches Mimen-Theater für Kinder nach einem Konzept von Matthias Folz wird am Samstag, 5. Juli, und am Sonntag, 6. Juli, jeweils 15 Uhr, im Speyerer Kinder- und Jugendtheater geboten. Akteure sind die Pantomimen Sarah Mangano und Pierre-Yves Massip. Pianist ist Kai Adomeit.
- Im Historischen Ratssaal folgt am Sonntag, 6. Juli, 11 Uhr, eine musikalische Lesung aus der Zeit von Johann Georg Faust nach einer Vorlage von Matthias Folz. Mitwirkende sind Matthias Folz als Erzähler und das Duo mon plaisir mit Norbert Gamm (Blockflöten) und Andrea C. Baur (Laute).
- Das Abschlusskonzert am Sonntag, 6. Juli, 18 Uhr, präsentiert in der Gedächtniskirche Robert Schumanns Szenen aus Goethes „Faust“. Unter der Leitung von Michael Francis musizieren die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Vokalsolisten sowie die Capella Spirensis und das Vokalensemble Dom zu Speyer.
Effektvolle Klangkulisse im Kirchengebäude
Wer das Stück am Klavier jemals unter den Fingern hatte, wird die Orchesterfassung überladen und dramatisierend empfinden, erst recht wenn im Kopf eine Brendelsche Tonspur mitläuft. Wenn die Bässe grummeln, die Pauken donnern, die Hörner, Trompeten und die Posaune gleißend aufstrahlen, schlägt die Mozartsche Galanterie in Beethovensche Wucht um. So wenig wie die Staatsphilharmoniker das Stück glätten und verschlanken, so sehr bleibt es seltsam in der Schwebe, in einer unauflöslichen Mischung aus unterschiedlichen Temperamenten und Zielvorstellungen befangen. Einige Passagen klingen zu wenig intim, andere hingegen zu drastisch. Der krachende Schluss löst nichts auf, er bewirkt weder Versöhnung noch Entspannung.
Beethovens Klavierkonzert in der heiter-festlichen Paralleltonart Es-Dur punktet von Beginn an, obwohl der Anfang etwas verwaschen klingt, mit einem straffen Orchestersound, der signalisiert: Hier weiß die Musik, wohin sie will – nämlich in die Höhe und die Weite. Joseph Moog spielt die kristallinen Melodien mit dezenter Kantabilität aus, die ein wenig im Rückraum versteckten Holzbläser greifen die Themen auf. Auch die Solokadenz des Kopfsatzes behält der Pianist im diskreten Piano, was in der dumpfen Akustik der neugotischen Gedächtniskirche umso effektvoller wirkt. Die edle Schlichtheit des zweiten Satzes bewahrt Joseph Moog ohne gekünstelte Ausdruckshuberei, während die Staatsphilharmonie mit federnden Impulsen zur Stelle ist.
Mit dem dritten Satz wischen Solist und Orchester das Mozartsche Grübeln endgültig beiseite, wenn auch die rhythmischen Details ein wenig unpräzise artikuliert erscheinen. Hatte Joseph Moog schon zu Beginn mit grimmigen Oktavketten und Akkordballungen dokumentiert, dass er auch über eine kräftige „Pranke“ verfügt, so verfehlt auch der Sturm und Drang des Finales seine Wirkung nicht. Die Vorzeichen für dieses Sommerfest scheinen demnach günstig, zumal die pianistische Zugabe – Schumanns Stück „Des Abends“ – träumen lässt. Klassische Strenge wird hier durch romantische Poesie und einer beinahe impressionistischen Anmutung aufgelöst. All das lässt sich bereits als Hinweis aufs Finale dieses Sommerfestes verstehen, in dem Schumanns Szenen aus Goethes „Faust“ nicht nur die Klangverhältnisse der Gedächtniskirche auf die Probe stellen werden, sondern womöglich auch deren sakrale Bestimmung.
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